Seit mehr als einem Jahr laufen die Ermittlungen in der Korruptionsaffäre um den seit Anfang des Jahres suspendierten Oberbürgermeister der Stadt Regensburg, Joachim Wolbergs (SPD). Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Regensburg gegen den OB und drei weitere Personen Anklage erhoben.
Die erste Reaktion war Erleichterung. „Ich bin froh, dass es endlich in der Sache weitergeht“, sagt die zweite Bürgermeisterin, Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD), die den OB seit dessen Suspendierung vertritt.
Gleichzeitig gab es scharfe Kritik an der Staatsanwaltschaft Regensburg. Von einem fairen Verfahren könne längst nicht mehr die Rede sein, klagt Peter Witting, der Münchner Anwalt des unter Korruptionsverdacht stehenden Oberbürgermeisters. „In diesem Fall werden rechtsstaatliche Mindeststandards ersichtlich nicht eingehalten“, so Witting. Auch das Landgericht Regensburg hat Zweifel, ob das Verfahren „fair“ ist.
Dem OB ist ein besonderes Interesse zuzubilligen
Nach Ansicht des Gerichts ist „zu berücksichtigen, dass dem Beschuldigten als Oberbürgermeister dar Stadt Regensburg ein besonderes Interesse zuzubilligen ist, auf die gegen ihn laufenden Ermittlungen so bald als möglich sachgerecht reagieren zu können.“ Das sei nicht möglich gewesen. Die Ungewissheit geht also weiter. Bis zur Entscheidung, ob und wann ein Hauptverfahren eröffnet wird, können weitere Monate vergehen. Laut einem Beschluss vom 24. Juli, der der Staatszeitung vorliegt, kritisiert das Gericht, dass den Anwälten Wolbergs „die Akteneinsicht durch die Staatsanwalt faktisch versagt wurde“.
Im Wesentlichen geht es um mehr als 2280 Audiodateien von Mitschnitten der Telefongespräche zwischen Wolbergs und dem ebenfalls angeklagten Baulöwen Volker Tretzel, der den OB geschmiert haben soll. „Diese Dateien wurden uns nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung gestellt, sagt Witting. Dagegen hat er erfolgreich Einspruch eingelegt. Zunächst beim Amtsgericht.
Gegen diesen Beschluss wehrte sich Staatsanwalt Theo Ziegler mit Verweis auf die Persönlichkeitsrechte Dritter und fehlender technischer Möglichkeiten. „Die Verteidigung habe die Dateien seit Januar 2017 bei der Kripo Regensburg anhören können“, sagt er gegenüber der Staatszeitung. „Sie haben jedoch wenig Gebrauch davon gemacht.“ Außerdem seien der Verteidigung Abschriften von den „für die Ermittlungen relevanten Gesprächsmitschnitten zugegangen“. Maßgeblich für seine Entscheidung sei der Beschleunigungsgrundsatz. Ziegler verteidigte sein Vorgehen mit Verweis auf die Rechtsprechung am Oberlandesgericht in Nürnberg.
Faktisch unmöglich
Die Regensburger Richterin am Landgericht ist anderer Ansicht. Es sei „faktisch unmöglich gewesen“, das Material „in einem angemessenen Zeitraum zu sichten“, urteilt Richterin Elke Escher. Sie schloss sich damit der Auffassung des Anwalts an. Danach kann die Verteidigung Kopien der Audiodateien erwarten. Das Amtsgericht hatte bereits am 22. Juni die Staatsanwaltschaft verpflichtet, die Dateien herauszugeben. Der Beschluss vom 24. Juli hatte diese Verpflichtung bestätigt.
Witting kritisiert vor allem, dass keine drei Tage später die Anklage kam. Damit sei dem OB die Chance genommen worden, „bereits die Anklageerhebung zu verhindern“. „Außerdem bewerten wir die Relevanz der Gespräche gerne selber“, so der Anwalt. Stichprobenartige Überprüfung hätten „allerdings inhaltsverzerrende Auslassungen enthalten“.
Inzwischen liegen die Dateien als DVD gemäß dem Gerichtsbeschluss vollständig vor. Eine schnelle Entscheidung ist also vorerst vertagt. Wolbergs Anwälte haben nun mindestens sechs Wochen Zeit, das Material auszuwerten. Sollte das nicht reichen, könnten die Fristen auch verlängert werden, erklärt ein Sprecher des Landgerichts.
Bestechlichkeit in zwei Fällen
Dem Regensburger OB wird Bestechlichkeit in zwei Fällen vorgeworfen. Davon einer in Tateinheit mit zwei wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen sowie Vorteilsnahme und fünf Verstöße gegen das Parteiengesetz.
Mit angeklagt sind ein Regensburger Bauunternehmer wegen Bestechung und Vorteilsgewährung, sowie einer seiner Mitarbeiter und der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD im Stadtrat. Er soll bei der Bestechlichkeit mitgeholfen haben und muss sich als Mittäter im Fall der beiden Absprachen bei Ausschreibungen verantworten. Bestandteil der Anklage sind unter anderem die Umstände um die Vergabe eines ehemaligen Kasernengebiets. Laut Staatsanwaltschaft soll Wolbergs den Bauunternehmer dabei in „bewusst pflichtwidrigerweise“ bei der Vergabe bevorzugt und die Vergabekriterien für das Areal ganz auf den Unternehmer zugeschnitten haben.
Als Gegenleistung soll der Bauunternehmer insgesamt 475.000 Euro für den SPD-Ortsverein Regensburger Stadtsüden gespendet haben. Um die Höhe der Summe zu verschleiern und die im Parteiengesetz vorgesehen Veröffentlichungsgrenze von 10 000 Euro zu umgehen, soll er die Spenden über „Strohmänner“ in 48 Einzelspenden, zu je 9900 Euro gestückelt haben. Für den Zuschlag des Nibelungen-Areals soll der Bauunternehmer dem lokalen Fußballverein SSV außerdem eine Kapitalerhöhung von drei Millionen Euro ermöglicht haben.
Kredit über 4,5 Millionen Euro ist zurückgezahlt
Als Vorsitzender des Kreditausschusses der Regensburger Sparkasse soll Wolbergs darüber hinaus einem inzwischen zurückgezahlten Kredit von 4,5 Millionen Euro an den Unternehmer zugestimmt haben. Zu denkbar günstigen Bedingungen.
Laut Gericht liegt die Anklage nicht im Ermessen der Staatsanwaltschaft. Vielmehr werde dann Anklage erhoben, wenn die Verurteilung wahrscheinlicher sei als der Freispruch. In einer siebenseitigen Stellungnahme heißt es: „Bis zum abschließenden Urteil gilt die Unschuldsvermutung.“ Über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet nun die Wirtschaftskammer am Landgericht Regensburg in einem Zwischenverfahren. Erst im Hauptverfahren wird geklärt, ob die jetzt erhobene Anklage den Tatsachen entspricht. Die Hauptverhandlung ist öffentlich.
(Flora Jädicke)
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