Kommunales

Das Projekt "Straßenränder auf Terrassensand" aus Bamberg gehört zu den innovativen Vorreitern innerstädtischer Biodiversität. (Foto: Stadt Bamberg/Umweltamt)

01.06.2012

Mehr Artenvielfalt in der City

Bayerns Kommunen entwickeln unter schwierigen finanziellen Bedingungen neue Konzepte zur Biodiversität

Von den 16 000 in Deutschland heimischen Tierarten sind inzwischen 35 Prozent bedroht. Außerdem gelten 70 Prozent der Biotope als gefährdet“, weiß Björn Dietrich, Leiter des Würzburger Umweltamts. Die Stadt fühlt sich dem Schutz der biologischen Vielfalt besonders verpflichtet. Unterschrieb sie doch, ebenso wie 30 weitere Städte, Landkreise und Gemeinden im Freistaat, die Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“.
Gemeinsam mit den Kreisen Würzburg, Bad Kissingen und Main-Spessart stellte die Stadt jüngst einen Förderantrag an die Europäische Kommission. Der betrifft das in Europa einmalige Quaderkalkband des Oberen Muschelkalks, das sich durch die ganze Region zieht. Die Entwicklung des Areals unter der Maßgabe „mehr Biodiversität“ kostet 2,6 Millionen Euro. Die Hälfte davon fordern die Kommunen von der Europäischen Union.
Bedrohte Natur zu reanimieren, ist im Vergleich zu den meisten anderen kommunalen Aufgaben äußerst kostengünstig, erklärt Ulrike Siebenhaar von der Pressestelle der Stadt Bamberg und scherzt: „Oft genügt es ja schon, nichts Schädliches zu tun.“
Doch selbst das wenige Geld, das für den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Kommune benötigt wird, fehle inzwischen. In Bamberg zum Beispiel für Projekte wie „Lebensraum Friedhof“ oder „Tausend Bäume für ein gutes Klima“. Die Mittel für Naturschutzmaßnahmen wurden in den vergangenen 20 Jahren von 50 000 auf 15 000 Euro pro Jahr gesenkt. Siebenhaar: „Das ist mehr als Kollegen in anderen Städten haben. Aber trotzdem eine ganz gehörige Kürzung.“
Landshut schickte Stadtbiotopkartierer los. 2008 tat sich die Kommune als erste kreisfreie Stadt Bayerns mit einer eigenen Biodiversitätsstrategie hervor. „Bei manchen früher sehr seltenen Arten ist inzwischen eine Stabilisierung der Population festzustellen“, so das Ergebnis von Hans Ritthaler, Leiter des Landshuter Naturschutzamts. Ziel der Kommune ist es, den Rückgang bei den im Stadtgebiet bedeutsamen Arten bis zum Jahr 2020 zu stoppen und die Bestandssituation bei der Hälfte aller Arten zu verbessern. Darum wird zum Beispiel bei städtischen Maßnahmen in der freien Natur autochthones Saat- und Pflanzgut verwendet.
Während die Schüler der Landshuter Mittelschule Schönbrunn in der Pause in der Sonne tollen, geht es auch auf dem schattigen Hang gleich nebenan äußerst lebendig zu. Um diesen Feuchtlebensraum, in dem so seltene Arten wie Quellschnecke, Kammmolche und Gelbbauchunken, Grasfrösche und Erdkröten, Zaunkönige und Grasmücken leben, kümmern sie sich seit 2009. Das unter Schulleiter Franz Schneider gestartete Naturschutzprojekt ist ebenfalls Teil der Landshuter Biodiversitätsstrategie. Bis 2014 soll es modellhaft so weit entwickelt werden, dass daraus ein Leitfaden für die Umsetzung von Naturschutzprojekten an Schulen entstehen werden kann.
Die Stadt Bamberg zeigte durch ihr Projekt „Straßenränder auf Terrassensand“, wie einfach für mehr Artenvielfalt gesorgt werden kann. 1999 wurde hier damit begonnen, entlang von Straßen, Rad- und Fußwegen standortgerechte Pflanzenarten anstelle eintöniger Rasenbankette anzusiedeln. Seither blühen in Bamberg 400 teils sehr seltene und bedrohte Arten wie das Alpen-Leinblatt, die Violette Königskerze und die Ranken-Platterbse am Straßenrand. Damit erfüllt Bamberg einen wichtigen Punkt der Selbstverspflichtungserklärung „Biologische Vielfalt in Kommunen“. Zielt die doch gerade auch auf die naturnahe Pflege öffentlichen Grüns ab.


Baubranche sensibilisieren


Gelände, wo einst Truppen übten, eignen sich ebenfalls gut für den Schutz der biologischen Vielfalt. So setzt die Stadt Landshut vor allem auf das Naturschutzgebiet „Ehemaliger Standortübungsplatz Landshut mit Isarleite“, um ihr Ziel zu erreichen, den Bestand seltener stadtbedeutsamer Arten zu erhöhen. Im Landkreis Fürstenfeldbruck konzentrieren sich die kommunalen Artenschützer auf das 1982 als Naturschutzgebiet ausgewiesene Ampermoos. Das in der letzten Eiszeit entstandene Niedermoor gehört mit einer Fläche von 600 Hektar zu den wichtigsten Feuchtgebieten in ganz Deutschland. Hier leben Braunkehlchen, Wiesenpieper, Bekassine und Kiebitz.
Artenschutz funktioniert nur, wenn er im Bewusstsein der Menschen verankert ist, so die Überzeugung von Wolfgang Schörnig. „Architekten und Bauträger wissen oft gar nicht, was sie mit Rollrasen, Fassadendämmungen oder dem Beseitigen von Kletterpflanzen anrichten“, kritisiert der Umweltreferent der Stadt Regensburg. Sorgen bereitet ihm derzeit vor allem, das die Population der Mauersegler in Regensburg kontinuierlich schwindet: „Jedes Jahr in einem Umfang von der Hälfte des Vorjahres.“ Bei Spatzen oder Gartenrotschwanz sehe es ähnlich aus. Schörnig: „Man muss Transparenz schaffen und so private und öffentliche Akteure für ein Engagement zur Biodiversität gewinnen.“
(Pat Christ)

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