Kommunales

Der islamistische Prediger Pierre Vogel, ein früherer Christ, ist der bekannteste deutsche Salafist. Als guter Redner begeistert er vor allem junge Muslime für seine radikalen Ansichten. (Foto: dpa)

30.09.2016

Nürnberg plant Netzwerk gegen Salafisten

Die Frankenmetropole gilt als Hochburg dieser besonders reaktionären und demokratiefeindlichen Version des Islam

Etwa 650 Salafisten gibt es laut Bayerischem Landesamt für Verfassungsschutz derzeit in Bayern. Allein in Nürnberg leben rund 50 Anhänger dieser gewaltbereiten Auslegung des Koran. Dadurch ist die Frankenmetropole laut Verfassungsschutz ein Schwerpunkt der Salafistenszene in Bayern.

Gegen die weitere Ausbreitung der Szene soll in Nürnberg deshalb demnächst ein „Netzwerk gegen gewaltbereiten Salafismus“ gegründet werden. Mit konkreten Projekten sollen junge Menschen davor bewahrt werden, in extremistische Kreise zu geraten. Die Anlaufstelle soll Teil des Nürnberger Menschenrechtsbüros werden, das sich um den Aufbau des Netzwerks kümmert.

Ein „Generalverdacht gegenüber Muslimen“ müsse laut Martina Mittenhuber, Leiterin des Menschenrechtsbüros, unbedingt vermieden werden. Ziel sei vielmehr eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Islamverbänden und Moscheevereinen. Im Menschenrechtsbüro soll der Politikwissenschaftler Nabil Hourani den Aktionskreis aufbauen und die Präventionsarbeit koordinieren.

Finanziert wird die neue Stelle im städtischen Menschenrechtsbüro vom Freistaat. Im November letzten Jahres hatte die bayerische Staatsregierung bekanntgegeben, verstärkt gegen islamistische Radikalisierung vorgehen zu wollen. Eine interministerielle Arbeitsgruppe mit Innenminister Joachim Herrmann, Sozialministerin Emilia Müller, Justizminister Winfried Bausback und Kultusminister Ludwig Spaenle (alle CSU) hatte ein umfangreiches Maßnahmenbündel für mehr Prävention und Deradikalisierung vorgestellt.

Intensive Missionsarbeit


Hintergrund ist, dass die Zahl der Salafisten sowohl in Bayern als auch in Deutschland zunimmt. Speziell junge Menschen seien laut Verfassungsschutz für die extremistische Ideologie empfänglich. Besonders anfällig seien schlecht integrierte und schulisch erfolglose Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 25 Jahren, die sich auf der Suche nach einem vermeintlichen Sinn im Leben dem Extremismus zuwenden.
Mit der Präventionsarbeit wurde das Handlungskonzept der Sicherheitsbehörden gegen gewaltbereite Islamisten, das seit 2009 besteht und 2013 aufgrund der Entwicklungen in Syrien aktualisiert worden ist, um einen „weichen Faktor“ ergänzt.

Bayernweit gibt es bereits ein Präventionsnetzwerk. Dieser vorbeugende Ansatz wird mit dem geplanten Netzwerk in Nürnberg nun auf die lokale Ebene ausgeweitet. Der Salafismus sei laut Markus Schäfert, Sprecher des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz, durchaus mit anderen extremistischen Phänomenen wie beispielsweise dem Rechtsextremismus vergleichbar. Die Radikalisierung entstehe auch hier eher zufällig. Oft seien die sprichwörtlichen „falschen Kreise“ ausschlaggebend.

Die überwiegende Mehrheit der Salafisten in Bayern gehöre laut Schäfert dem politischen Arm der Extremisten an. Rund 80 Prozent der Salafisten wolle „nur“ die rückwärtsgewandte Ideologie verbreiten und neue Anhänger für den extremen Islam gewinnen. Diese Gruppe bezeichnet der Verfassungsschutz als „politische Salafisten“.

Kopfzerbrechen bereitet die Missionsarbeit der politischen Salafisten den Sicherheitsbehörden. Dadurch würde die Salafisten-Szene weiter anwachsen, warnen die Behörden. Rund 20 Prozent der Salafisten gehören zur besonders kritischen Gruppe der „Dschihad-Salafisten“. Dieser Personengruppe traut der Verfassungsschutz auch Gewalttaten zu.

Treffpunkt ist die Masjid ibn Taymiyyah-Moschee


Ein Treffpunkt der Salafisten-Szene in Nürnberg sei laut Verfassungsschutz die Masjid ibn Taymiyyah-Moschee. Der islamische Gelehrte aus dem 13. Jahrhundert gilt als geistiger Vordenker einer radikalen Auslegung des muslimischen Glaubens. Salafisten würden laut Verfassungsschutz auch Privatwohnungen als konspirative Treffpunkte in Nürnberg nutzen. Dem Verfassungsschutz seien ebenfalls mehrere Dschihad-Salafisten bekannt, die bereits von Nürnberg aus nach Syrien oder den Irak gereist seien. Eine Person sei sogar bei Kampfhandlungen in Syrien getötet worden.

Die meisten Salafisten sprechen laut Verfassungsschutz passabel bis gut Deutsch. Auch Frauen würden mittlerweile an dem Kampf gegen die „Ungläubigen“ verstärkt teilnehmen. Darunter befänden sich auch Dschihadistinnen, die sich bereits von Nürnberg in den Nahen Osten aufgemacht hätten. Besonders bedrohlich für die Sicherheitslage in Deutschland sind Rückkehrer aus den aktuellen Kampfgebieten im Nahen und Mittleren Osten. Bei dieser Personengruppe sei die Hemmschwelle gesunken, Gewalt gegen Menschen anzuwenden.

Das neue Netzwerk gegen Salafismus in Nürnberg geht derzeit auf die muslimischen Gemeinden in Nürnberg zu. Laut Martina Mittenhuber suche man nach Möglichkeiten, die Moscheevereine bei ihrer Arbeit gegen Radikalisierung auch finanziell zu unterstützen. Mit einer einzigen Stelle könne man freilich „nicht die Welt retten“, kritisiert die Leiterin des Menschenrechtsbüros.

Das sieht auch der Verfassungsschutz so. Zur Eindämmung und Zurückdrängung des Salafismus sei laut Markus Schäfert „ein ganzer Strauß von Maßnahmen“ notwendig. Neben der Präventionsarbeit müssten die Salafisten, die man sich nicht als homogene Gruppe vorstellen darf, die ganze Härte der Gesetze zu spüren bekommen. Der Verfassungsschutz habe zuletzt bereits feststellen können, dass einige Salafisten aus Bayern in andere Bundesländer abgewandert seien. Offensichtlich sei der Verfolgungsdruck der Sicherheitsbehörden im Freistaat zu groß gewesen. Zuletzt sei die Zahl der Salafisten in Deutschland allerdings erneut von 8900 auf 9200 Personen gestiegen. (Nikolas Pelke)

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