Kommunales

Rote Domäne: In Nürnberg sagt die SPD, wo es politisch lang geht. (Foto: dpa)

22.01.2016

Roter Plakat-Filz in Nürnberg

Wie die SPD die Firma "Stadtreklame" für die Karriere von Nachwuchs-Genossen nutzt

„Kölner Klüngel“, pflegte Bundeskanzler Konrad Adenauer zu sagen, „das ist keine Korruption. Es bedeutet nur: Man kennt sich, man hilft sich.“ Klüngel, also die juristisch formal nicht zu beanstandende Form der Vetternwirtschaft, gibt es auch in anderen Städten – zum Beispiel in Nürnberg. Hier verdient bei fast jedem Werbeplakat die SPD über ihre Beteiligung an der Firma „Stadtreklame“ mit. Doch anders als der Name suggeriert, hat die Reklamefirma nichts mit der Stadt selbst nichts zu tun. Obendrein ist die Firma ein einem beliebtes Karriere-Sprungbrett für junge Genossen. Derzeit ist Katja Strohacker, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, die Geschäftsführerin, davor war es Bürgermeister Christian Vogel. Die Bande zwischen der Geschäftsführung der Firma „Stadtreklame“ und Kommune sind eng: Seit Jahrzehnten räumt der Stadtrat der Stadtreklame in Verträgen das Recht ein, die Werbeflächen im öffentlichen Stadtraum wie Plakatwände und Litfaßsäulen exklusiv vermarkten zu dürfen. Über die Verquickung zwischen Wirtschaft und Politik in der roten Frankenmetropole sprechen will allerdings niemand gerne. Im Gegenteil: Katja Strohacker, die stellvertretende Vorsitzende und wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Stadtratsfraktion, wirbt sogar mit ihrem Titel als Geschäftsführerin der Stadtreklame. Details des aktuellen Deals zwischen Stadt und Stadtreklame will jedoch weder die Firma noch das Rathaus preisgeben.

Anfrage der Grünen: Vertrag läuft noch bis 2020

Aus einer Anfrage der Grünen wird indirekt ersichtlich, dass der laufende Kontrakt zwischen Stadt und Stadtreklame noch bis zum Jahr 2020 läuft. Im September letzten Jahres hatten die oppositionellen Grünen im Stadtrat gefordert, im öffentlichen Raum keine Zigaretten-Werbung mehr zu erlauben. Aus dem Antrag wurde nichts. Das Rathausbündnis aus SPD und CSU hat den Vorschlag abgelehnt. „Da schneiden wir uns ins eigene Fleisch“, soll Katja Strohacker damals gesagt haben. Durch ein Werbeverbot für Tabakwaren im öffentlichen Raum würden der Stadt „saftige Einnahmen“ entgehen. Das der SPD durch eine Werbeverbot ebenfalls saftige Einnahmen entgehen würden, das hat Strohacker freilich nicht in der gleichen Deutlichkeit formuliert. Aufrichtig wäre es dennoch gewesen. Schließlich ist die SPD über die Fränkische Verlagsanstalt an der Stadtreklame beteiligt. Gemeinsam mit dem Verlag Nürnberger Presse gehört der SPD die Stadtreklame. JC Decaux, der aus Frankreich stammende weltweit größte Außenwerbekonzern, ist Ende der 1990er Jahre bei der Stadtreklame in Nürnberg eingestiegen. Den französischen Milliardär soll das mittlerweile verstorbene SPD-Urgstein, Willy Prölß, höchstpersönlich an Bord geholt haben. Auch Prölß war nicht nur bei der Stadtreklame als Geschäftsführer beschäftigt – immerhin fast 28 Jahre lang, sondern mischte gleichzeitig über Jahrzehnte in der SPD-Fraktion ganz vorne mit. Zuletzt hat es der heutige Bürgermeister Christian Vogel (SPD) vorgemacht, wie der Aufstieg im Rathaus über einen Posten als Geschäftsführer in der parteinahen Wirtschaft gelingen kann. Von 2002 bis 2008 fungierte Christian Vogel als Geschäftsführer der Fränkischen Verlagsanstalt, die, wie gesagt, der SPD gehört. Von 2008 bis 2012 wurde Vogel zum alleinigen Geschäftsführer der Stadtreklame berufen. In diese Fußstapfen tritt derzeit Katja Strohhacker. Seit 2008 sitzt sie im Stadtrat. „Das Ressort liegt ihr im Blut, denn als angestellte Geschäftsführerin leitet sie ein Unternehmen“, steht selbstbewusst unter dem Konterfei der 45-Jährigen auf der Partei-Homepage der SPD. Dass Strohacker bei einer SPD-Firma arbeitet, diesen Hinweis sucht der Leser jedoch vergeblich. Von 2005 bis 2014 war Strohhacker freiberuflich als „Business Coach“ tätig, ehe sie „nach einem Auswahlverfahren“ als Geschäftsführerin der Stadtreklame zur Nachfolgerin von Christian Vogel berufen wurde, der nach der Wahl 2014 als Stellvertreter von Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) ins Rathaus wechselte.

Genossen können "nichts Aussätziges" erkennen, Freie Wähler sind empört

Die SPD kann an der engen Verzahnung zwischen Rathaus und Reklame, Politik und Wirtschaft „nichts Aussätziges feststellen“ – so der O-Ton von Torsten Brehm, Vorsitzender des SPD-Stadtverbands. Selbst die CSU mag an der traditionellen Nähe zwischen Stadtreklame und Sozialdemokraten nichts Verwerfliches finden. Und das hat Gründe: Seit sieben Jahren gibt es nämlich den Posten eines zweiten Geschäftsführers bei der Stadtreklame. Den gut dotierten Job hat CSU-Mitglied Georg Sorger seit Juni 2008 inne. Was für ein Zufall: Kurz zuvor hatten die größten Fraktionen im Rathaus unter OB Maly ein gemeinsames Bündnis aus SPD und CSU geschmiedet. Die Große Koalition wurde nach den letzten Wahlen 2014 fortgesetzt. Nachdem Vogel auf den Bürgermeister-Posten ins Rathaus gewechselt ist, bilden SPD-Frau Strohhacker und CSU-Mann Sorger die großkoalitionäre Doppelspitze bei der Stadtreklame. Die Zusammenarbeit funktioniert offenbar reibungslos.“ Ganz ehrlich, da sind wir beide Profis genug. Wir setzen uns mit dem Unternehmen auseinander, nicht mit politischen Diskussionen“, sagt Strohhacker. Die Opposition in der Frankenmetropole freilich murrt. „Mir als Stadtrat ist nicht bekannt, wie sich die Vertragsbedingungen zwischen Stadt und Stadtreklame genau gestalten. Das riecht für mich alles nach Vetternwirtschaft. Das passt nicht mehr in die moderne Zeit, dass sich die Parteien im Stadtrat lukrative Posten in der vermeintlichen Privatwirtschaft gegenseitig zuschanzen“, kritisiert Stadtrat Jürgen Dörfler (Freie Wähler). Auffällig sei auch, dass SPD und CSU in Wahlkampfzeiten „immer die besten Plakatstandorte“ in der Stadt für sich reservieren könnten. In all den Jahren hat sich am Geschäftsmodell der Reklamefirma grundsätzlich freilich wenig geändert. Zu den Meilensteinen der Firmenhistorie zählt beispielsweise die „erste beleuchtete Litfaßsäule“. Diese sensationelle Neuerung im Plakatgeschäft feierte das Unternehmen zwei Jahre vor der Deutschen Einheit. Keine elf Jahre später jubelt die Reklamefirma bereits über den nächsten Quantensprung im Geschäft mit der bunten Werbung in der Stadt: die drehbare Litfaßsäule. Obwohl die Firma kein Hightech-Unternehmen ist, schmücken sich Politiker offensichtlich gerne mit dem wohlklingenden Titel des Geschäftsführers. Schließlich kann die SPD so ihre Wirtschaftskompetenz beweisen und gleichzeitig die Parteikasse für bevorstehende Wahlkämpfe füllen.

Jedermann konnte zuletzt 2014 beobachten, dass die CSU der SPD in puncto Wahlkampf nicht das Wasser reichen kann. Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) strahlte von jedem Plakat. Die Kampagne der SPD wirkte viel professioneller als die der Konkurrenz. Dumm nur für die Genossen vor Ort, dass die Einnahmen erst mal nicht direkt in die eigene Tasche fließen, sondern nach Berlin. „Vermögenswerte werden von der Parteizentrale verwaltet“, verrät Ortsverbandsvorsitzender Torsten Brem. (Nikolas Pelke)

Kommentare (2)

  1. Wolferl am 07.02.2016
    Vor dem jetzigen Bürgermeister war GF der Nürnberger Stadtreklame der SPD Stadtrat Jürgen Fischer. Der brauchte schnell noch eine Altersvorsorge, weil es 1996 wegen der Wahlniederlage der SPD nicht für einen Bürgermeisterposten gelangt hat.

    Der Willy Prölß war auch jahrzehnte lang GF der Stadtreklame, nach Auskunft seiner Sekretärin " war es doch klar, dass der fast nie in seinem Büro" war. Trotzdem kassierte er zuletzt rund 8000 DM Gehalt im Monat für fast nichts und zusätzlich noch 8000 DM im Monat "Aufwandsentschädigung" als "ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Nürnberg. Und das alles über Jahrzehnte hinweg. Für diese aufopferungsvollen Jobs wurde der Prölß Willy auch noch von den Nürnberger Sozen zum Ehrenbürger der Stadt Nürnberg ausgerufen.

    Ein Hoch auf den Sozen-Filz der Familien Prölß-Maly-Schuster in Nürnberg. Ach ja, der Schuster aus der Maly Familie ist natürlich Nürnberger SPD-Lanttagsabgeordneter.
  2. org am 24.01.2016
    Schlecht recherchiert: Wer war GF vor Vogel?
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