Kommunales

Der Wörther Bürgermeister Anton Rothfischer (Unabhängige Wählergemeinschaft) will sich mit dem geplanten Polder nicht abfinden und kündigt Widerstand an gegen die Pläne der bayerischen Staatsregierung. (Foto: Norgall)

26.05.2017

Umstrittener Hochwasserschutz

In vielen bayerischen Kommunen kämpfen die Bürger derzeit gegen die staatlichen Polder-Bauprojekte

Gerade erst beschloss der Bundestag, den Bau von Poldern künftig zu erleichtern: Klagen sollen nur noch durch zwei statt drei Instanzen gehen, Grundstückseigner leichter enteignet werden können. In der südlichen Oberpfalz beeindruckt das wenig – der Kampf gegen ungeliebte Hochwasserschutz-Maßnahmen geht dort weiter. Das Ziel: Bei Hochwasser soll im Oberlauf der Donau Wasser künstlich zurückgehalten werden, damit im Idealfall im Unterlauf nicht Dämme brechen und Städte überflutet werden. Das Problem: Warum sollen die Bürger weiter oben die Äcker und Wiesen vor ihren Haustüren freiwillig überfluten lassen, damit andere davon einen Vorteil haben – noch dazu, wenn die künstlich gestauten Wassermassen an den eigenen Häusern Schäden verursachen können?

Die Staatsregierung denkt aktuell unter anderem zwischen den Städten Wörth a. d. Donau und Neutraubling im Landkreis Regensburg an den Bau von zwei Flutpoldern. Nach Bekanntwerden der Pläne wurden vor Ort sofort Bedenken geäußert, Widerstand organisierte sich. Die Anwohner fürchten vor allem einen Anstieg des Grundwasserspiegels. Werden die Polder geflutet, entsteht ein Druck, der den Grundwasserstand steigen lassen würde.

„Besser viele kleine Rückhaltebecken bauen“


Auch die Regensburger Landrätin Tanja Schweiger (FW) schimpft: „Die Staatsregierung ist auf dem falschen Weg.“ Milliarden-teure Polder seien nicht die Lösung, vielmehr müsse das Problem dezentral angegangen werden. Das heißt zum Beispiel: An den Zuläufen zur Donau müssten viele kleine Rückhaltebecken gebaut werden. Das Regenwasser dürfe nicht mehr möglichst schnell abgeleitet werden, sondern man müsse jeweils vor Ort für das Versickern oder zumindest das vorübergehende Aufhalten des Wassers sorgen.

Der Freistaat reagierte auf die Einwände mit einem „Hochwasserdialog“, es gab Vor-Ort-Gespräche in diversen Kommunen. Auch Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) nahm teil. Ab Frühjahr 2016 befasste sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema: Wie werden Landwirte für Einbußen entschädigt? Wie wirken sich Polder auf die Umwelt aus? Drohen Wertverluste für Immobilien? Beteiligt waren unter anderem die Kommunen, das Wasserwirtschaftsamt, Bürgerinitiativen und der Bauernverband. Ein Positionspapier wurde im Januar 2017 an Scharf überreicht. Die gegensätzlichen Standpunkte wurden zusammengefasst, eine realistische Kosten-Nutzen-Schätzung angemahnt. Nach dem Treffen im Januar erklärte das Umweltministerium, man brauche drei bis vier Monate um das Papier zu prüfen, auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) müsse es durchsehen.

Auf dessen Einsicht hofft auch Landrätin Schweiger: Sie hat ihm einen Brief geschrieben, nachdem Seehofer im Oktober 2015 erklärt hatte, dass Polder nicht realisiert werden, wenn Beeinträchtigungen für Bürger entstehen.


Wie sieht es jetzt vier Monate nach der Erarbeitung des Positionspapiers aus? Josef Feuchtgruber, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Regensburg, fasst zusammen: Ein Konsortium von drei Ingenieurbüros wurde mit der Vorbereitung der Raumordnungsunterlagen beauftragt. Frühestens im nächsten Jahr könne dann mit dem eigentlichen Verfahren begonnen werden. Gleichzeitig lasse man die Grundwassersituation mittels Modellrechnungen untersuchen.

Unerwünschte Nebenwirkungen


Das Problem dabei: Bereits nach dem Ausbau der Donau zur Großschifffahrtsstraße und dem Bau der Staustufe Geisling bei Wörth in den 1980er Jahren traten nach Ansicht der Anlieger unerwünschte Nebenwirkungen auf, der Grundwasserstand sei mancherorts gegenüber der versprochenen Höhe gestiegen. Dies soll in die Berechnungen mit einbezogen werden. „Wir nehmen die Bürger ernst“, betont Feuchtgruber, macht aber deutlich: „Wenn wir große Hochwasserlagen beherrschen wollen, brauchen wir gesteuerte Polder.“

Nicht alle Landräte denken wie Schweiger. Unterstützung erhält die Staatsregierung vom Deggendorfer Kreischef Christian Bernreiter (CSU): „Ich bin für den Polderbau.“ Der Freistaat solle das Projekt durchziehen. Zwar halte ein einzelner Polder vielleicht nur zwei, drei Zentimeter Wasser in der Spitze zurück. „Aber in der kritischen Stunde kann diese Spitze entscheidend sein“, glaubt Bernreiter. Entlang der ganzen Donau und der Zuflüsse müsse man solidarisch handeln, „jeder ist zugleich Ober- und Unterlieger“.

„Das wird doch alles in Hinterzimmern entschieden“


Der Wörther Bürgermeister Anton Rothfischer (Überparteiliche Wählergemeinschaft) will aber auf alle Fälle weiter gegen die Polder kämpfen. „Wir werden gegebenenfalls auch alle rechtlichen Mittel ausschöpfen.“ Der Stadtrat habe bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst. Zwar sei es gelungen, das Wasserschutzgebiet für die Trinkwasserversorgung der Stadt neben den geplanten Poldern zu sichern. Aber es bestehe weiter die Gefahr, dass wertvolle landwirtschaftliche Flächen und die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt des Gebiets bei der Flutung geschädigt würden. Rothfischer hat trotz des laufenden Dialogprozesses die Befürchtung, „dass die Sache eigentlich schon entschieden sei“. Nach seinen Erkenntnissen „laufen in den Hinterzimmern viele Gespräche“. Grundbesitzer erhielten finanzielle Angebote zum Verkauf von Flächen, Landwirte würden dauerhafte Entschädigungszahlungen versprochen.

Könnte die Widerstandsfront bröckeln? Gibt es Gemeinden, in denen Polder gebaut werden? Ja, zum Beispiel im Ortsteil Riedensheim der Gemeinde Rennertshofen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen ist ein Flutpolder in Bau: 220 Hektar groß, 8,1 Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen: 2019 soll er fertig werden. Bürgermeister Georg Hirschbeck (CSU): „Die ersten Pläne wurden vor mehr als zehn Jahren erstellt. Nach der Jahrhundertflut 2013 wurden dann Grundstücke gekauft und getauscht. Es gab keinen Widerstand.“ Das hänge aber auch damit zusammen, dass für den Polder nur die Dämme zur Donauseite hin verstärkt werden müssen. Zum Ort hin sind wegen des steigenden Geländes keine Dämme nötig.

Einige wenige Flusskilometer abwärts soll in Bertoldsheim auf 470 Hektar ein weiterer Polder mit 18 Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen entstehen. Hier ist Feuer am Dach. Eine Bürgerinitiative mit 1000 Mitgliedern hat sich gebildet, die Anlieger haben Angst: 50 Meter von der Wohnbebauung entfernt soll ein sieben Meter hoher Damm entstehen. Das Grundwasser, das sowieso schon bei zwei Metern ansteht, könnte dann noch höher steigen. Der Dialogprozess läuft, aber ein Kompromiss ist nicht in Sicht.

In Riedensheim ruhen derzeit allerdings die Arbeiten: Ein Uhu brütet auf dem Gelände. Der Bürgermeister kann nur den Kopf schütteln: „Die Bürger sollen es akzeptieren, aber auf Tiere nimmt man Rücksicht.“
(Gustav Norgall)

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