Kommunales

Die "Sultan Ahmet Blaue Moschee" in Erlangen ist das religiöse Zentrum der türkischen Muslime in der Studentenstadt. (Foto: BSZ)

24.02.2017

"Will der deutsche Staat lieber extremistische Imame?"

Der Erlanger CSU-Kommunalpolitiker und Ditib-Funktionär Mehmet Sapmaz über Kritik an der türkischen Religionsbehörde und Desillusionierungen bei der Integration

Mehmet Sapmaz ist CSU-Ortsverbandvorsitzender in Erlangen-Tennenlohe und Vorsitzender des Erlanger Ditib-Moscheevereins. Er verteidigt die wegen ihrer Nähe zur Erdogan-Regierung umstrittene Organisation und warnt davor, sie schlechtzureden. In seinem Kampf als deutsch-türkischer Kommunalpolitiker hat er kapituliert.


BSZ Herr Sapmaz, nachdem raus kam, das mehrere Ditib-Imame in Deutschland mutmaßlich politische Gegner Erdogans ausspionierten – warum sollte der deutsche Staat dieser Institution noch trauen?
Sapmaz Bis vor einem Vierteljahr wussten doch die meisten Deutschen gar nicht, wer oder was Ditib ist. Seit mehr als 40 Jahren leistet diese Organisation in Deutschland vernünftige, gesetzestreue Arbeit. Mehr als 1000 Moscheegemeinden sind dort Mitglied, bisher gab es nie Probleme mit dem deutschen Staat. Auch das muss man doch mal bei der Betrachtung berücksichtigen.


BSZ Also geht auch Spionieren in Ordnung?
Sapmaz Nein, natürlich nicht. Und wenn stimmt, was man diesen Imamen vorwirft, dann war das eine Straftat, die geahndet werden muss. Aber ich verstehe auch nicht diese verharmlosende Sicht vieler Leute in Deutschland auf die Organisation von Fethullah Gülen. Es heißt immer die „Gülen-Bewegung“ – als wäre es sowas ähnliches wie die Umweltschutz- oder die Bürgerrechtsbewegung. Es ist aber eine gefährliche Sekte, etwa wie Scientology. Man darf diese Menschen nicht verharmlosen.

"Der Krakeeler Andi Scheuer ist nicht meine CSU"


BSZ Aber bei Ditib sitzen ja schließlich auch nicht nur progressive Liberale, oder?
Sapmaz Natürlich sind einige unserer Mitgliedsgemeinden gesellschaftlich eher konservativ geprägt – aber nochmal, ganz wichtig: Sie sind absolut gesetzestreu. Es sind Ditib-Imame, die in den Moscheen dafür sorgen, dass sich junge Männer nicht radikalisieren. Die predigen, dass man den Rechtsstaat respektieren muss. Eben weil es eine große, staatsnahe Organisation ist. Sollen stattdessen Extremisten in den türkisch-islamischen Gemeinden die Oberhand gewinnen? Will der deutsche Staat das?


BSZ Der deutsche Staat würde sich zum Beispiel darüber freuen, wenn sich Ditib ganz klar von der Erdogan-Regierung emanzipiert: Warum tun Sie es nicht?
Sapmaz Trotz aller Kritik an Erdogan: Er ist immer noch die beste Alternative für die Weiterentwicklung des Landes. Und weil wir ohne die Hilfe der türkischen Regierung – aller türkischen Regierungen, seit Jahrzehnten, und nicht erst seit Erdogan – wirtschaftlich nicht lebensfähig sind. Wir könnten ohne Unterstützung aus Ankara nicht mal den Imam bezahlen, dazu reichen die freiwilligen Spenden der Gläubigen nicht aus. Vom deutschen Staat bekommen wir keinen Cent.


BSZ Aber Sie können schon nachvollziehen, dass es einer Regierung unangenehm ist, wenn die Geistlichen im Land aus dem Ausland bezahlt werden, oder?
Sapmaz Ja, was glauben Sie denn, wer bezahlt die evangelischen Pastoren in den Urlaubsorten an der türkischen Mittelmeerküste, beispielweise in Antalya oder Alanya? Deren Gehalt kommt doch auch nicht von den Touristen, sondern aus Deutschland.

BSZ Dann werden Sie doch endlich eine Körperschaft des öffentlichen Rechts – wie Katholiken, Juden und Protestanten auch – und der deutsche Staat kassiert fortan für Sie die Kirchensteuer bei Ihren Gläubigen.
Sapmaz Gern, sofort. Aber ich verrate Ihnen was: Ganz tief drinnen will der deutsche Staat das nicht wirklich. Seit Jahren läuft diese Debatte, und immer wieder findet man Erklärungen und Ausflüchte und Begründungen, warum es noch nicht geht. Nur wer tatsächlich will, findet Lösungen.


BSZ Dass Ditib alle paar Jahre den Imam austauscht und immer wieder ein neuer aus der Türkei geschickt wird, der obendrein nicht richtig oder gar kein Deutsch spricht: Das könnten Sie aber schon mal selbst abstellen und Kontinuität schaffen.
Sapmaz Sie rennen bei mir offene Türen ein! Genau das fordere ich – und viele andere Vorsitzende von Ditib-Gemeinden auch. Ich wäre doch froh und dankbar, wenn die Imame eine bessere und längerfristige Perspektive erhalten würden. Glauben Sie, ich reiße mich darum, in meiner Freizeit die Moscheeführungen zu machen? Das wäre dann dessen Aufgabe. Aber auch hier ist es der deutsche Staat, der blockiert und verhindert: Visa für Imame werden nur für maximal fünf Jahre ausgestellt.


BSZ Genau da für Änderungen zu kämpfen, wäre doch ein wichtiger Grund, in der Politik zu bleiben – und nicht alles aufzugeben, wie Sie es tun: Im Stadtrat sind Sie nicht mehr, den Vorsitz des CSU-Ortsvereins legen Sie demnächst nieder.
Sapmaz Ich bin müde, ich mag einfach nicht mehr. 21 Jahre in meinen verschiedenen Ehrenamtsfunktionen habe ich um Akzeptanz gekämpft – bei der deutschen Mehrheitsgesellschaft und bei den wenigen, aber anstrengenden Reaktionären in unseren eigenen Reihen. Und wenn man dann so wenig Unterstützung erfährt, dann reicht es irgendwann.


BSZ Was würden Sie sich konkret wünschen?
Sapmaz Es wären häufig nur kleine Gesten notwendig – etwa ein kurzer Besuch des Ministerpräsidenten oder der Bundeskanzlerin in einer Moschee vor wichtigen muslimischen Feiertagen. Was glauben Sie, welchen Eindruck dass auf die Türken in Deutschland machen würde? Viele Leute würden dann sagen: „Das ist meine Regierung!“ – und nicht mehr, wie gerade erst wieder, zu den Auftritten eines türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim rennen.

"Kruzifixe sollen diskriminieren? So ein Schmarrn!"


BSZ War der Eintritt in die CSU also ein Fehler?
Sapmaz In die CSU von Leuten wie dem krakeelenden Generalsekretär Andreas Scheuer oder von einem Europaabgeordneten Manfred Weber, der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit erklärt, warum die Türkei nicht in die EU gehört, in die würde ich derzeit sicher nicht eintreten. Ich bin damals zur CSU gekommen wegen unseres früheren Oberbürgermeisters Siegfried Balleis. Der praktizierte konkrete Integration: Er hat mir als Neuling einen guten Listenplatz besorgt für die Wahl zum Stadtrat – nicht nur irgendwo weit hinten als Quotentürke. Und er kam regelmäßig in die Moschee, hat sich mit uns unterhalten, wo der Schuh drückt. Da hat er aber keine große Sache draus gemacht.


BSZ Dann künftig doch eher bei der SPD oder den Grünen engagieren?
Sapmaz Nein, bestimmt nicht! Die reden viel und laut von Integration – aber wenn es konkret wird, dann ziehen die den Schwanz ein. Und ich glaube immer noch, dass die Mehrheit der türkischen Community im Herzen eher zur CSU hält: Denen ist die traditionelle Familie wichtiger als alternative Lebensformen, die wollen Recht und Ordnung auf den Straßen, die sind häufig Selbstständige und Gewerbetreibende und wünschen sich ein entsprechendes wirtschafts- und unternehmerfreundliches Klima.


BSZ Das Christliche stört nicht?
Sapmaz Nein, überhaupt nicht – wenn es nicht im engeren Sinne religiös-theologisch, sondern als gesellschaftliches Wertefundament verstanden wird. Ein Beispiel: Ich kenne keinen einzigen muslimischen Vater eines Schulkinds – auch keinen strenggläubigen –, der sich an den Kruzifixen in den bayerischen Klassenzimmern gestört hätte. Das waren doch die Grünen, die gerufen haben, die müssten alle weg, weil es uns angeblich diskriminieren würde. So ein Schmarrn! Die Leute in unseren Gemeinden wissen und akzeptieren, dass die historischen Wurzeln dieses Landes christlich sind.

(Interview: André Paul)


Bildunterschrift: Der 47-jährige Mehmet Sapmaz arbeitet hauptberuflich als Betriebswirt bei Siemens.
(Foto: BSZ)

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