Alle Fragen rund um die Wirtschaft nimmt klassischerweise der Bürgermeister selbst in die Hand. Doch diese gut gemeinte Absicht des jeweiligen Kommunaloberhaupts kommt bei der Wirtschaft selbst gar nicht so gut an. Unternehmer wollen einen eigenen Ansprechpartner, weil sie fürchten, dass sich der Bürgermeister um zu viele andere Dinge kümmern muss.
„Der Bürgermeister hat so viele Aufgaben, dass sich ein Unternehmer mit vielen Anliegen bei einem extra für ihn zuständigen Mitarbeiter im Rathaus besser aufgehoben fühlt“, sagt Benedikt Rüchardt von der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Er referierte bei der UnternehmerKonferenz 2011 des Sparkassenverbandes Bayern in Nürnberg über „Die Stadt der Zukunft: Wirtschaft und Kommunen als Partner im Wettbewerb“.
So würden beispielsweise ansiedlungswillige Unternehmen von den von ihnen in Betracht gezogenen Städten und Gemeinden wissen wollen, wie deren Dienstleistungen und kommunale Qualitäten sind. Die Qualität des Verwaltungshandelns, E-Government, Betreuungs- und Versorungsangebote sowie Wirtschaftsfreundlichkeit seien im Bereich der Dienstleistungen wichtige Kriterien. Bei den kommunalen Qualitäten stehen laut Rüchardt Effizienz, Transparenz, Nachhaltigkeit und Orientierung am privaten Markt im Fokus.
„Insgesamt ist die Wirtschaftsfreundlichkeit der Kommunen in Bayern besser als im Rest Deutschlands, aber sie ist trotzdem verbesserungsfähig“, meint der vbw-Vertreter. Interessant sei zum Beispiel, ob im Stadt- oder Gemeinderat auch Unternehmer sitzen. „Auch ein Besuch im Bauausschuss der Kommune ist für Unternehmer recht aufschlussreich“, meint Rüchardt. So sei es interessant, herauszufinden, wie dort diskutiert werde. Auch so genannte One-stop-shop-Lösungen seien bei Firmen sehr gefragt. Müssen sich Unternehmer nach dem Buchbinder Wanninger-Prinzip durch den Verwaltungs-dschungel fragen, oder wird ihnen ihr Anliegen an zentraler Stelle im Rathaus abgenommen und an die entsprechenden Abteilungen weitergeleitet?
Bei elektronisch verfügbaren Informationen sei deren Qualität entscheidend. So genüge es nicht, nur die Gewerbeflächen im Internet darzustellen. Die Kommune müsse schon deren Verfügbarkeit und Entwicklungsstand beschreiben. Bei Angaben zum Gewerbesteuerhebesatz sei nicht nur der aktuelle Wert relevant, sondern die dazugehörige Historie – also wie hat sich der Hebesatz über die vergangenen Jahre entwickelt. Auch ein im Web abrufbares Protokoll der letzten Stadt- oder Gemeinderatssitzung zeigt den Unternehmen Rüchardt zufolge, ob man E-Government und Transparenz im Rathaus ernst nehme oder nicht.
Ein Indiz für die Effizienz einer Gemeinde ist laut Rüchardt die Vermeidung von Doppelzuständigkeiten in der jeweiligen Kommunalverwaltung. Wenn es beispielsweise Fragen zur Straßenbeleuchtung gebe, müsse dies an einer Stelle im Rathaus zu klären sein. „Ein Fehler der meisten Kommunen im Freistaat ist es, die Doppik nicht einzuführen“, sagt Rüchardt und zieht sich genervtes Raunen aus dem Publikum zu. „Ja ich weiß, dass der Freistaat die Bewertungsvoraussetzungen erst sehr spät geklärt hat. Aber das ist kein Grund, weiterhin mit der Kameralistik zu buchen.“ Nur die Doppik, also die kaufmännische Rechnungslegung in Kommunen, würde nach Ansicht des vbw-Vertreters der jeweiligen Kommune Transparenz über ihre Kostenstruktur verschaffen. Auch dies sei ein Indiz für die Nachhaltigkeit in einer Kommune.
Weitere Punkte, die eine Kommune für ein Unternehmen interessant machen können, seien die Bereitschaft zu PPP, Contracting, Privatisierung und Konzessionierung. Auch die Frage, wie man im Rathaus mit Bevölkerungszuwachs bzw. -rückgang umgeht, sei für Unternehmer interessant.
Auf Betreuung legen Unternehmer ebenfalls großen Wert. So haben die bayerischen Metall- und Elektroverbände einen Service geschaffen, um Betreuungsengpässe zu meistern. Wenn die Kinder von Arbeitnehmern plötzlich krank sind und Mama oder Papa zuhause bleiben müssten, weil niemand sonst sich kümmern kann, vermitteln Mitarbeiter dieser Plattform Betreuungsangebote. Kommunen können hier ihre Angebote vernetzen. Das Angebot gilt bayernweit. Bisher sind 12 000 Betreuungseinrichtungen über eine Datenbank vernetzt. Interessierte Kommunen finden Ansprechpartner unter
www.plattform-betreuung.de.
Auch ein Check der Investitionstätigkeit einer Kommune gibt Unternehmen Aufschluss darüber, ob man im Rathaus die Zukunft aktiv gestalten will oder abwartet, was da kommt. So seien die Punkte ÖPNV (lokal, regional, überregional), kommunale Liegenschaften einschließlich wasser- und abwassertechnischer Anlagen, Ausbaustrategie Breitband und Zukunftsstrategie Energie wichtig.
„Insgesamt ist festzustellen, dass es uns in Bayern gut geht. Aber die Herausforderungen werden härter“, so Rüchardt. So nehme der Investitionsbedarf der Kommunen zu. Verkehrsinfrastruktur und Verkehrsdienstleistungen, Netz- und Entsorgungsinfrastruktur, energetische Sanierung, Bildungsinfrastruktur und -angebote, Betreuungs- und Versorgungsangebote seien entscheidend. „Lokale Dienstleistungsqualitäten werden als Standortfaktor immer wichtiger“, betont der vbw-Vertreter, der auch gern vom „Heimathafen Kommune“ spricht, wenn er die Bedürfnisse von global agierenden Unternehmen zeigt. „Kommunen müssen überzeugend darstellen, dass sie ihre Standortqualitäten dauerhaft sichern und ausbauen können“, so Rüchardt. Dabei könne hierbei privatwirtschaftliche Kompetenz entscheidend helfen.
> ralph schweinfurth
Fragen an Benedikt Rüchardt:
benedikt.ruechardt(at)vbw-bayern.de
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