Kultur

Eine restauratorische Herausforderung bedeuten die Sicherung und Wiederherstellung der Fresken: Da heißt es reinigen, schädliche Vergipsungen und störende Altretuschen aus der Nachkriegszeit zu reduzieren, Fehlstellen im Putz ebenso wie in der Malschicht zu schließen. Heikel ist vor allem der Malgrund: Gips „arbeitet“, vergrößert sein Volumen, was die Malschicht unter dauernden Spannungsstress setzt und zermürbt. Außerdem verursacht Gips den Grauschleier auf den Gemälden. Die Restauratoren haben als beste Lösung das Aufbringen von Ionenaustauschharzen ausgetüftelt. (Foto: Dütsch)

11.05.2012

Aus dem Dornröschenschlaf wecken

Privatspenden ermöglichen Vorarbeiten zur Generalsanierung der Grottenhalle in der Münchner Residenz

Gustav Adolf machte sich ausgiebig über die Schatzkammer her – am liebsten hätte der Schwedenkönig gleich die ganze Münchner Residenz abtransportiert, so begeistert war er von dem Bau. Dieses südliche Flair! Ob der kurzfristige Besatzer auch durch das „geheime Lust- und Residenzgärtlein“ gewandelt ist? Wie gut, dass im Grottenhof alles so gut wie niet- und nagelfest war, wer weiß, wohin sonst die pittoreske Kulisse geraten wäre.
Im Krieg über 300 Jahre später gibt es kein Verschonen mehr: Bomben zerstören die Residenz in weiten Teilen. Auch der Grottenhof ist betroffen – aber nicht so sehr, als dass man nicht gerade in ihm sinnbildhaft den kulturellen Neubeginn Bayerns hätte signalisieren können: Im August 1945 finden dort unter freiem Himmel die ersten Münchner Konzerte nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Ein Jahrzehnt später werden Grottenhof und Grottenhalle wieder aufgebaut und rekonstruiert. Doch seither ist ist die Grotte auf der To-Do-Liste der „Residenz-Bauhütte“ weit nach hinten gerückt – und büßte im Laufe der Jahrzehnte zusehends an Ausstrahlung ein. Erst seit kurzem sieht man wieder ein Gerüst: private Stiftungsgelder ermöglichen die Vorarbeiten zur dringend notwendigen Restaurierung.

Der letzte Schrei aus Italien

Als „schöner Garten“ mit Kieselbelag in Blauweiß und einem Brunnen mit Perseus-Figur, der triumphierend das abgeschlagene Haupt der Medusa hochreißt, war der Grottenhof in den 1580er Jahren in der Regierungszeit von Wilhelm V. nach Plänen von Friedrich Sustris eingerichtet worden: Ein Rückzugsort zur Entspannung des Fürsten, ein besonderer Repräsentationsort für sommerliche Empfänge. Die Gäste sollten nur sehen, dass man an der Isar nicht provinziell war! So ein manieristischer Garten mit Grotte war der letzte Schrei, der aus Italien über die Alpen hallte und seinen Ursprung in der Nachahmung einer antik-römischen Tradition hatte.
Muscheln über Muscheln, bunte Steine, Tropfsteine, Bergkristalle und Korallenäste, dazwischen der schwebende Götterbote Merkur und Fresken, die von den Verstrickungen olympischer Götter erzählen: Es ist eine einzigartige, filigrane Raumskulptur.
Sie hatte jahrhundertelang Bestand, obwohl man bei ihrer Baustatik einstmals bis an die Grenzen des Machbaren gegangen war. Erst der Luftdruck der „Antiquariumsbombe“ im Juli 1944 bringt die Gewölbedecke der Grottenhalle zum Einsturz – die Wände mit ihren Fresken bleiben stehen und bilden die Kulisse für Konzerte.
Seit dem Wiederaufbau der Halle (bei der Beschaffung der unzähligen Muscheln war man bei Fischern am Ammersee fündig) hat sie keine grundlegenden Erhaltungsmaßnahmen erfahren, lediglich Gitternetze wurden gespannt, um Tauben abzuhalten. Auch wenn die Grotte eine überdachte Halle ist: Sie ist an er einen Seite völlig offen, schräg fallender Regen dringt bis zu einem Drittel der Raumtiefe ein. Im Prinzip herrscht dort Außenklima mit allen Temperaturschwankungen und dem Wechsel der Lichtverhältnisse.
Schadsalze fressen sich flächig unter die Fresken und sprengen den Putz, die Farben verblassen bis zur Unkenntlichkeit, Staubschmiere verkniestert die Muschelarrangements: Soll dieses Kleinod im Raumprogramm der Residenz  nicht noch mehr verkommen, ist eine Generalsanierung unvermeidlich. Diese war im Zusammenhang mit der Restaurierung 1997 bis 2000) des benachbarten Antiquariums auch angedacht – aus Sparsamkeit aber auf Eis gelegt worden.
Vor zwei Jahren kamen die „Freunde der Residenz“ finanziell zuhilfe: Die Bayerische Schlösserverwaltung begann, ein Konzept zur Sanierung zu erstellen. Das Münchner Mäzenatenpaar Helga und Kurt Kappelmaier sprang jüngst mit einer Spende in Höhe von 50 000 Euro hinzu. Auf Musterflächen werden nun Reinigungsmethoden, die Konservierung der Malerei und die komplizierte Festigung des Malgrundes (Gips) getestet: Da leuchten wieder Türkis und Korallenrot, Girlanden in zarten Pastelltönen scheinen vor weißem Hintergrund sanft zu schaukeln, Farbkonturen geben den Göttern wieder ihr heroisches Auftreten zurück.
Inzwischen sind die Vorarbeiten so weit gediehen, dass man ahnt, welch grandioses Raumkunstwerk darauf wartet, aus seinen Dornröschenschlaf vollends erweckt zu werden – der Freistaat sollte sich nicht davor drücken, den Prinzen zu geben. (Karin Dütsch)

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