Kultur

Inspirierender Ausflug: Carl Orff in Giseh während seiner Ägypten-Reise im Jahr 1966. (Foto: privat/Archiv Orff-Zentrum)

24.06.2016

Aus dem Koffer geplaudert

Eine Ausstellung erinnert an die Auslandsreisen von Carl Orff

Die Koffer sind gepackt im Orff-Zentrum in Münchens Kaulbachstraße, und das Thema heißt: Carl Orff auf Reisen. Natürlich erwartet man beim Komponisten der „Griechendramen“ als erstes einen Koffer für Griechenland – ist dann überrascht von dem für Japan, wo Orff sein Osterspiel vortragen sollte, oder von dem für den Senegal, wo er die Maske entdecken sollte, die ihn zu Prometheus inspirierte. Von 1930 bis 1967 war es ein Dutzend Länder, die Orff bereiste; sieben davon dokumentiert die Ausstellung im Orff-Zentrum und sieht in ihnen den Ausdruck seiner „kosmopolitischen Ambitionen“. Jeder Koffer enthält genaue Angaben: zu den Mitreisenden, zum Anlass, zu den Höhepunkten. Dazu gibt es Bilder: auch von den Instrumenten, die er zum Beispiel im Senegal kennenlernte und die man in der schlagzeuglastigen Instrumentierung des Prometheus dann wieder hören sollte. Über der Singstimme werden sie in der Partitur aufgeführt: Guiro, das Schrappinstrument, Campane di legno, Taiko oder Tamburo di legno africano, die „Schlitztrommel“ – viele davon sind aus Holz. Für den Senegal waren Orff, seine Frau Liselotte und die Bearbeiterin des Schulwerks im April 1966 geradezu Reise-Avantgardisten: Man war zum ersten Festival Mondial International des Arts Nègres eingeladen, fuhr nach Dakar. Während der gut drei Wochen sammelte Orff an Anregungen ein, was er nur kriegen konnte: afrikanische Rhythmen und Instrumente für das Schulwerk, für die neue Oper. Meist waren die Auslandsaufenthalte angefüllt mit Vorträgen, Lesungen, Orff-Aufführungen und der Verbreitung des Schulwerks.

Komponieren im Zug

Auch wenn es nur ein Urlaub war wie 1930 am Gardasee: Der Koffer erzählt, dass Orff in Sirmione den römischen Dichter Catull für sich entdeckte und schon im Zug zurück nach München dessen Gedicht Odi et amo zu vertonen begann. Diese Holzkoffer sind veritable Wühlkästen. 23 Jahre später findet man ein Theaterplakat von der Mailänder Scala – Uraufführung der dreiteiligen Trionfi, sage und schreibe dirigiert und in der Regie von Herbert von Karajan und mit einer legendären Sängerbesetzung: Elisabeth Schwarzkopf, Nicolai Gedda, Rolando Panerai und der wunderbare Tenor Giuseppe Zampieri. 8000 Lire kosteten damals die besten Plätze. Ein Bild zeigt Orff und Karajan in trautem Gespräch, aber in Wirklichkeit gab es eine Menge Knatsch: Orff kam zu spät und mit Grippe nach Mailand, viel zu viel war gestrichen worden, die „assoluta novità“ konnte nicht mehr verschoben werden. Die deutsche Kritik schrieb: „völlig verfehlt“. Die italienische wusste mit der Trilogie gar nichts anzufangen. Standing Ovations dagegen gab es, so erzählt der letzte Koffer aus Athen (1967), als die Stuttgarter Oper dort bei den Festspielen gastierte. Das Bühnenbild für die Griechendramen Antigonae und Oedipus der Tyrann von Caspar Neher hatte man mitgebracht, und Orff steht versonnen auf den Stufen des Theaters Herodes Attikus zu Füßen der Akropolis: mit Seherblick und in der Überzeugung, dass seine Sophokles-Vertonungen der richtige Weg zur Aneignung der Antike waren. Inzwischen hat man wieder mal richtig Sehnsucht danach.
So klein und relativ unscheinbar die Ausstellung im Orff-Zentrum auf den ersten Blick aussieht: Sie hat es in sich, und die Koffer sind wahre Wundertüten. (Uwe Mitsching) Information: Bis 30. September. Orff-Zentrum, Kaulbachstr. 16, 80539 München. Mo. bis Do. 9-16 Uhr, Fr. 9-14 Uhr. www.orff-zentrum.de Abbildung:
Carl Orff 1962 bei einem Empfang im japanischen Fukuoka. (Foto: Privat/Archiv Orff-Zentrum)

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