Kultur

Beliebtes Motiv der Maler waren Burgen und Ruinen – hier eine Rheinlandschaft (Ausschnitt) von Josef Jansen. (Foto: MGS)

27.05.2016

Bändiger des Affekts

Mittelalterverklärung und deutscher Patriotismus bei Friedrich Rücker und seinen Künstlerfreunden

Eine sinnliche, geistige Brücke zu den literarischen Gedanken Friedrich Rückerts schlägt die Ausstellung Ritter und Nazarener – Friedrich Rückert und die Mittelalterfantasien im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt. Dort werden Gedichte Rückerts etwa 50 Gemälden und ebenso vielen Zeichnungen aus dem eigenen Bestand gegenübergestellt. Aus diesem Vergleich heraus ergeben sich zwingende Zusammenhänge und Parallelen zu der romantischen Fantasie mit ihrer rückwärts gewandten Mittelalter-Verklärung und zum Ursprung der nationalen Utopie eines deutschen Patriotismus in Malerei und Poesie. Die ritterliche Tafelrunde auf der Bettenburg und die „Lukasbrüder“ in Italien beeinflussten den jungen Rückert. Einigendes Element war der innere Widerstand gegen den „fremden“ Kaiser Napoleon und die Verherrlichung des der Sage nach nur schlafenden Kaisers Barbarossa im Kyffhäuser als Verkörperung des heldischen Deutschen.

Träumen und phantasieren

Wie ein Motto könnte über all diesen Bildern der Ausstellung das „Dichterselbstlob“ Rückerts stehen: „Ich bin König eines stillen Volks von Träumen, Herrscher in der Phantasien Himmelsräumen.“ Drei große Themenbereiche schlägt die Ausstellung an: Es geht um die Ritterromantik, dann um Italien nicht als Sehnsuchtsort der Deutschen, sondern als Vergewisserung eines eigenständigen Künstlertums. Drittes Thema ist die religiös verbrämte Utopie der Nazarener, also der deutschen Künstler, die Rückert in Rom traf und die von der einigenden Flamme der Kunst ergriffen waren und nur eines wollten: „Tugend, Gott und Vaterland“. Typisch für solche Fantasien ist das Bild Der Traum (Umkreis Schnorr von Carolsfeld), ein Triptychon, eingerahmt von gotischer Architektur: In der Mitte umarmt der empfindsame Ritter seine Dame; die Wirklichkeit aber sieht anders aus, denn rechts liegt der Mann in Ketten, links sitzt sie im Kloster, resigniert hat sie den Schleier genommen. Zur Ritterromantik gehören auch Szenen aus dem Nibelungenlied, etwa die Heimkehr des toten Rüdiger nach Bechelaren. Dann sieht man Minnesänger-Bilder wie etwa Des Ritters Lied von Moritz von Schwind. Beliebt waren auch Bilder mit Burgruinen als Erinnerung an alte Größe, verbunden mit dem Aufruf zum Kampf. Rückert schreibt dazu: „Was sitzt ihr daheim in euren Horsten, ihr alten Adler, habt ihr keine Krallen?“

In Farben schwelgen

Er selbst machte sich auf nach Italien, auf den Spuren des Stauferkaisers; doch er will sich dort nicht im „Schönen in der Fremd’“ verlieren, sondern führt mit sich die „Liebe zum angestammten Vaterland“. Er schließt sich deutschen Künstlerkollegen an – einige von ihnen sind porträtiert – , bewundert Raffael, verliebt sich ein wenig in eine Italienerin. All dies ist auf den Bildern der Nazarener nachzuvollziehen, die zwar Umrisslinien betonen, aber vor allem in leuchtenden, klaren Farben schwelgen. Johann Friedrich Overbeck vereint etwa so symbolisch die Gestalten Italia und Germania, und Friedrich Wilhelm von Schadow lässt bei seiner Heiligen Familie unter dem Portikus an Raffael denken. Farbe soll Aug’ und Herz bezaubern und entzücken, wie Rückert es in seinem Gedicht zum deutschen Künstlerfest in Rom formuliert, an dem auch Kronprinz Ludwig von Bayern teilnahm. Der empfindsame Ansatz ist auch auf dem großformatigen Gemälde Das Rosenwunder der Heiligen Elisabeth von Franz Riepenhausen zu spüren, mit der Wartburg im dunklen Hintergrund und der Gestalt der Heiligen im Licht. Wie ein Programm für die Nazarener und ihre oft etwas steif wirkenden Figuren (etwa auf dem Gemälde von Friedrich Olivier Jesus und die Samariterin am Brunnen) lesen sich Rückerts Strophen: „Der Dichter sei ein Bildner, kein Traumbilderer, kein Sinnverwirrer, Phantasieverwilderer, Ein Zähmer des Affekts, Gefühles Wilderer, Selbst in sich klar, und aller Klarheit Schilderer.“ Mit einem „letzten Gruß ans deutsche Rom“ verließ Rückert Italien. In der Heimat konnte er dann die hohen gotischen Kirchen (etwa den Münchner Frauendom) wiederfinden, und hoffte, dass die Bürger keine Hütten bauen „im Thal, wo nicht der Freiheit Lüfte wehen.“
Mit seinen Gedichten gab er dem Glauben an die Triebkraft der Fantasie Ausdruck, ebenso wie die Künstler dies auf ihre Weise mit den Bildern taten. Auch kleine Ausstellungsbesucher sollen die Kräfte ihrer Fantasie entwickeln in einem eigenen Museum mit Zelt im Erdgeschoss, wo sie sich als Ritter verkleiden können und ihre Kreativität ausleben können. (Renate Freyeisen) Information: Bis 31. Juli. Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, 97421 Schweinfurt. Di. bis So. 10-17 Uhr, Do. 10-21 Uhr. www.museumgeorgschaefer.de Abbildung:
Inbegriff romantischer Todeserotik wurde das Bild „Sturz vom Felsen“. Der Maler war Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld, der aber, anders als sein jüngerer Bruder Julius, nicht dem Lukasbund beitrat.    (Foto: MGS)

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