Kultur

Knallharte Wirtschaftsfakten in artifiziellem Vortrag. Kazuhisa Uchihashi begleitet auf exotischen Instrumenten die Schauspieler, hier Thomas Hauser. (Foto: Julian Baumann)

24.02.2017

Belehrung mit Fragezeichen

Toshiki Okadas "No Theater" an den Münchner Kammerspielen gerät sehr statisch

Zuerst geht es um Leitzinsen und am Ende um den Geburtenrückgang in Japan. Der aber irgendwie mit den Staatsanleihen zu tun hat, die von der Zentralbank massenweise aufgekauft wurden. Nicht heute, in Europa, sondern vor zwei, drei Jahrzehnten in Japan. Wahrscheinlich müsste man Wirtschaftswissenschaftler sein oder aber Japaner, dann würde man an diesem Abend in den Münchner Kammerspielen mehr als nur Bahnhof verstehen. Worauf ja auch das Bühnenbild von Dominic Huber hinweist, das tatsächlich einen realistisch nachgebildeten Bahnhof der Tokioter U-Bahn zeigt. So weit ist noch alles klar. Klar ist auch, dass der weltweit erfolgreiche japanische Erzähler, Dramatiker und Theatermacher Toshiki Okada (Jahrgang 1973) mit dem Titel seines neuesten Stücks No-Theater auf die gleichnamige, 600 Jahre alte japanische Theaterform anspielt, die auf hiesige Zuschauer ausgesprochen fremdartig wirkt – noch fremdartiger als die leicht jaulende, aber atmosphärisch sehr stimmige und gewiss virtuose Musik, die Kazuhisa Uchihashi, in der Mitte der Bühne sitzend, auf exotischen, sicher ebenfalls traditionellen Instrumenten macht und die an Klänge einer Singenden Säge erinnert.

Spuk und Schuld

Rein äußerlich läuft dann auch alles so ab, wie man sich das traditionelle No-Theater in etwa vorstellt: sehr statisch. Wenn die Figuren sich überhaupt bewegen, dann mit langsamen, rituell wirkenden Gesten, die vermutlich alle schwer bedeutungsbeladen sind, aber dem westlichen Zuschauer unerklärlich bleiben.
Außerdem treten Geister auf, die aber nichts Spukhaftes haben, sondern auf ungesühnte Schuld hinweisen – sei es ihre eigene oder die von anderen. Gesprochen wird ebenfalls sehr gemessen, würdig, oft in einem liturgischen Singsang. Der Clou ist dann natürlich, dass in dieser altehrwürdigen Form Texte präsentiert werden, die von Okada selbst stammen und überhaupt nichts Traditionelles, sondern einen ganz aktuellen Zeitbezug haben. Weil es in ihnen beispielsweise um japanische Leitzinsen geht und um die Frage, was die mit der Finanzkrise von 2008 zu tun haben.
Dass sich aus dem Kontrast zwischen solchen Inhalten und dem traditionellen Stil ihrer Darbietung komische Effekte ergeben könnten, vermag man sich zwar vorzustellen, aber zu erleben sind sie in dieser Inszenierung, die Toshiki Okada auch selbst übernahm, leider nicht. Oder vielleicht nur für Zuschauer, die mit dem alten No- Theater engstens vertraut sind.

Kurzes Vergnügen

Ein wirkliches, aber leider kurzes Vergnügen ist nur der Mittelteil der Aufführung, der, wie im No-Theater üblich, als komödiantisches Zwischenspiel angelegt ist. Die großartige Anna Drexler mimt hier eine Schauspielerin, die auf dem Weg zur Probe ebenfalls im U-Bahnhof anzutreffen ist und sich mit erfrischender Offenheit über ihren Beruf auslässt: In einem großen Monolog beschwert sie sich über Autoren, die lange Monologe schreiben, und räsoniert über verschiedene Techniken des Text-Lernens, das immer eine Qual sei, besonders eben bei Monologen. Eine wunderbar zarte Groteske ohne den allzu gradlinigen Belehrungsstil der beiden anderen Hauptteile des Abends. (Alexander Altmann)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.