Kultur

Johannes Kammler als Iapetos, Federica Aventaggio als Ulrike im Kindesalter. (Foto: Wilfried Hösl)

29.07.2016

Blutiger Rachefeldzug einer Traumatisierten

Uraufführung von "Tonguecat" bei den Münchner Opernfestspielen

Er tritt als Racheengel auf: Iapetos, der Titan aus der griechischen Mythologie. So sieht ihn jedenfalls der belgische Autor Peter Verhelst. In seinem Science-Fiction-Roman Tonguecat schlachtet Iapetos fast eine ganze Familie ab – Vater, Mutter und Sohn. Als einzige Überlebende bleibt die Tochter Ulrike allein zurück. Das Massaker zeichnet ihr ganzes Leben: Ulrike, eine Traumatisierte. Aus dieser Vorlage eine Oper zu machen, ist nicht einfach. Das Komponistenduo Saskia Bladt und Torsten Herrmann vertonte das Libretto von Anna Papst – die Uraufführung fand im Rahmen der Münchner Opernfestspiele in der Reithalle statt. Das Projekt stand ganz im Zeichen der Teamarbeit: Die Regie verantworteten Martha Teresa Münder und Daniel Pfluger.

Opfer wird Täterin

Gleich viermal geistert Ulrike durch die Szene. Mal ist sie ein Mädchen (Federica Aventaggio), mal eine Tänzerin (Emily Yabe), Sängerin (Marzio Marzo) oder eine Geigerin. Der Name Ulrike erinnert an die RAF-Terroristin Meinhof, womit vollends klar wird: Die hier präsentierte Ulrike ist nicht nur ein Opfer, sondern zugleich Täterin. Iapetos (wunderbar sonor und präsent: Bariton Johannes Kammler), der die Familie von Ulrike auf dem Gewissen hat, wird von ihr später getötet. Schon taucht Prometheus auf, der Sohn von Iapetos (einnehmend: Tänzer Valerio Porleri). Er will seinerseits seinen Vater rächen, verfängt sich in den Liebesklauen von Ulrike und wird von ihr zu Tode geküsst. Es ist der wohl längste Kuss in der Opern- und Theatergeschichte, den man zu sehen bekommt.

Die Männer müssen dran glauben

Auch sonst müssen die Männer dran glauben: Ulrike stranguliert sie mit den Haaren der massakrierten Angehörigen ihrer Familie, die sie aufbewahrt hat. Als riesiges Geflecht bestimmen Haare die Bühne von Dimana Lateva und Sammy van den Heuvel. Hier verfängt sich auch Ulrike selbst. Ihre Geschichte wird aus der Erinnerung erzählt, in Rückblenden. In der allgemeinen Eiszeit ist Wärme kostbar. Ein König schreitet umher (faszinierend zwischen Counterfach und Tenor changierend: Michael Porter). Seine Untertanen proben den Aufstand, weil er nichts gegen die Kälte auszurichten vermag. Im Palast trifft Ulrike den Weisen Juan (Igor Tsarkov). Er will das Feuer in ihr entlocken.

Musik mit Kissen und Blumentöpfen

Die Musik ist geräuschhaft und sphärisch gesetzt. Unter der Leitung von Marie Jacquot müssen die Musiker des Münchener Kammerorchesters (MKO) auch auf Kissen und Blumentöpfe schlagen – gewürzt mit Chorälen und Alte Musik. Auch der Vokalstil ist pluralistisch. Manche Liegetöne mit schnellen Schlussfigurationen erinnern stark an Salvatore Sciarrino. Das alles entwickelt mitunter eine starke Wirkung, ist aber zu lang. (Marco Frei)

Kommentare (1)

  1. micha am 28.07.2016
    Es muss erstmal die Rollen und die Namen der Darstellenden korrekt geschrieben werden.
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