Kultur

Zur Landesausstellung über Ludwig I. gibt es auch ein Rahmenprogramm, bei dem Darsteller als historische Persönlichkeiten verschiedene Feste besuchen (oben). Die eigentliche Ausstellung mit vielen interessanten Exponaten kann man im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg besichtigen. (Fotos: Jädicke, Haus der Bayerischen Geschichte/Stefan Effenshauser)

13.06.2025

Dipferlscheißer oder Bayerns größter König?

Zum Jubiläum der Thronbesteigung Ludwigs I. präsentiert das Haus der Bayerischen Geschichte eine durchaus kritische Landesausstellung zum Monarchen

War Ludwig I. wirklich Bayerns größter König? Diese Frage wirft die aktuelle bayerische Landesausstellung in Regensburg bereits im Titel der Ausstellung auf. Die Antwort darauf überlassen Richard Loibl, Direktor am Haus der Bayerischen Geschichte (HdBG), und Kurator Rainhard Riepertinger dem Blickwinkel des Besuchers. Für die Landeshauptstadt München mag er Bayerns größter König gewesen sein. Für Augsburg oder Ostbayern trifft diese Darstellung wohl weniger zu. 

Zwar ist das Vermächtnis Ludwigs I. im Freistaat bis heute unübersehbar. Während seiner Regentschaft wird das Land zu einer bis dahin nie gesehenen Großbaustelle. Mit Nachdruck baut Ludwig I. München zu seiner Residenzstadt und zur Kunstmetropole aus. In Regensburg vervollständigt er den Dom. Bei Kelheim entstehen unter dem Spott von Zeitgenossen die Walhalla und die Befreiungshalle. 

Differenzierter Blick auf Regent und Person

Die Ausstellung glänzt mit ihrem differenzierten Blick sowohl auf die Regentschaft als auch auf die Person Ludwigs I. und ihrer besonderen Publikumsnähe. Schon am Eingang wird der Besucher begrüßt von einer Computeranimation von Ludwigs Porträt, das den König zur Zeit seiner Krönung zeigt. Grundlage für die digitale Großinstallation waren alle bis heute verfügbaren Bilder und Daten zum Regenten. Lediglich auf die erwiesenen Pockennarben hat man in der Darstellung verzichtet.

In modernen Museen ist die digitale Vermittlung längst Standard. So wird Geschichte spannend und anschaulich für ein breites Spektrum an Besuchern vermittelt. Porträtbilder von Abgeordneten werden lebendig und äußern sich kontrovers zu den politischen Ereignissen ihrer Zeit. Einer Zeit der Revolution und technischen Neuerungen. In einer Hörstation an einem Webstuhl taucht man dafür ganz analog in den Lärm des aufkommenden Industriezeitalters ein. 

Die Ausstellung spart nichts aus. Die Auswahl der Exponate vermittelt schonungslos die ganze Widersprüchlichkeit Ludwigs I. – vom Hoffnungsträger der Liberalen über den eigensinnigen Bauherrn Bayerns bis zum Pedanten, schließlich Autokraten und notorischen Womanizer, porträtiert in den Miniaturen der Schönheitengalerie. Am Ende wird es auch eine Frau sein, die ihn den Thron kostet: 1834 zwingt ihn seine Affäre mit Lola Montez, flankiert von Karikaturen und Spott der Zeitgenossen, zur Abdankung. Aus einem kunstsinnigen Kronprinzen wurde in 20 Jahren Regierungszeit ein zunehmend autoritärer Monarch mit einer ambivalenten Haltung zu Ministern und Landtagen, der die Presse- und Meinungsfreiheit immer mehr einschränkte. 

Bekannt ist Ludwig I. aber in erster Linie als Bauherr. Gegen alle Wirtschaftlichkeit treibt er sein zweites Lieblingsprojekt voran: den 173 Kilometer langen Ludwig-Donau-Main-Kanal. Das Bauwerk des Ingenieurs Heinrich von Pechmann (1774 bis 1861) „ist voll in die Hose gegangen“, sagt Richard Loibl. „Das war das erste Private-Public-Partnership-Projekt, das scheiterte.“ Mit seinen 100 Schleusen und der viel zu kleinen Fahrrinne für die neu entwickelten Raddampfer ist der Kanal von Beginn an unrentabel. Den Monarchen schreckt das wenig. 

Der Eröffnungsfeier blieb er fern

Wesentlich schneller und als Erfolgsgeschichte gilt schon damals die Eisenbahn. Gegen deren Bau macht der König lange Zeit Stimmung. Die technischen Errungenschaften seiner Zeit beängstigten ihn. „Aufgehn wird die Erde in Rauch, so steht es geschrieben, was begonnen bereits, überall rauchet es schon ...“ Und so lehnt der König den Wunsch nach einer Bahnverbindung zwischen Nürnberg und Bamberg kategorisch ab. 

Gut ein Jahrzehnt nach der Thronbesteigung wird Ludwig I. sich dem Zeitgeist beugen und in elf Jahren Bauzeit die erste Eisenbahn durch Bayern bauen. Doch nur von Süden nach Norden, von Lindau nach Hof. Der Eröffnung der Strecke zwischen Nürnberg und Fürth, wunderbar illustriert mit Bildern auf einem Schirm des Schirmmachers Johann Baptist Seibert 1835, bleibt der König fern. Sein Nachfolger und Sohn Maximilian II. wird Bayern ab 1855 bahntechnisch vernetzen, zu Ende bringen, was der Vater verweigerte. Dennoch fährt Ludwig I. im Sommer 1867 mit der Eisenbahn zur Pariser Weltausstellung. 

Als Ludwig I. 1825 den Thron besteigt, übernimmt er ein bankrottes Land, gezeichnet von der Revolution. Der König muss seinen Eid auf die Bayerische Verfassung von 1818 schwören und Ministern und Landtagen Rechenschaft ablegen. Das behagt dem jungen und machtbewussten Regenten wenig. Er will selbst regieren. 

Obwohl er die Verfassung Bayerns sehr wohl als „Damm gegen die Verschwendung“ sieht, mit der sein Vater Maximilian I. das Königreich ruiniert hatte, pflegt er ein ambivalentes Verhältnis zu Ministern und Landtagen. Regelmäßig gibt es Streit in den Landtagen um seine persönlichen Ausgaben und den Staatshaushalt. Trotz seiner kostspieligen Bauprojekte konnte Ludwig I. die Staatsfinanzen konsolidieren. Er mobilisiert Kapital, spart beim Militär, baut Fabriken und begründet die Klöster neu, um Bildung für das Volk zu ermöglichen. Auch die Gesundheitsfürsorge seiner „Untertanen“, wie Ludwig I. die Bayern trotz Verfassung noch immer nennt, wird aufgebaut. 

München und der Westen Bayerns kommen unter seiner Regentschaft zwar voran. Ostbayern aber wird wirtschaftlich völlig vernachlässigt und spielt in den Überlegungen des Königs keine Rolle. Die Folgen dieses „Abgehängtseins“ werden in Ostbayern noch lange nachwirken.

Stattdessen mischt sich der König vom Schreibtisch aus in jede Kleinigkeit ein. In Tausenden von Randbemerkungen in den Akten, sogenannten Signaten, manifestiert er seinen Regierungsanspruch. Sei es zur Kleiderordnung der Beamten oder die Prägung von 38 Geschichtstalern zu Ehren besonderer Ereignisse oder Persönlichkeiten. So kommt auch das „Y“ in den Namen Bayern: „Ich will ferner, dass wo der Name Bayern vorzukommen hat, er wie es eben von mir geschah, geschrieben werde, nämlich mit einem y statt i. 20. Oktober 1825.“ „Dipferlscheißer“, überkommt es Loibl. Angesichts solch obsessiver Detailversessenheit des Monarchen nimmt er kein Blatt vor den Mund. 

„Deutsch werden und bayerisch bleiben“

Ludwig I. denkt aber auch über Grenzen hinaus und will die Landesteile Bayerns einen. Franken und Schwaben waren neu hinzugekommen. Der Blick des Wittelsbachers geht nach Norden. Weg von Osten und dem Habsburger Reich. „Deutsch werden und bayerisch bleiben“ ist sein Ziel. Dazu gibt er sich volksnah, liebt Trachtenumzüge, Landwirtschaftsschauen und Volksfeste. Die Theresienwiese wird zur Geburtsstätte des Oktoberfests.

Und dennoch ist der König massiv unter Druck. Das Volk verlangt mehr und mehr politisches Mitspracherecht, was er mit einer zunehmend rigiden und autoritären Regentschaft beantwortet. War Ludwig I. wirklich ein großer König? In der Ausstellung findet man einen interessanten Diskurs dazu. (Flora Jädicke)

Bis 9. November. Ludwig I. – Bayerns größter König? Haus der Bayerischen Geschichte, Donaumarkt 1, 93047 Regensburg. Denstags bis sonntags, 9 bis 18 Uhr. www.hdbg.de
 

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