Kultur

Spielfreudig schlüpft Dino Lüthy in der Rolle des Fracasso. (Foto: S. Tuscan)

04.09.2015

Eine Prise Naivität

Münchner Kammeroper begeistert mit "La Finta Semplice"

Der Kaiser hatte bestellt, der zwölfjährige Mozart hat geliefert – gespielt aber wurde seine erste richtige Oper vielleicht in Salzburg, bestimmt aber 1921 in Karlsruhe. Und jetzt im rokokogemäßen Ambiente von der Münchner Kammeroper im Nymphenburger Hubertussaal: La Finta Semplice (nicht zu verwechseln mit der „Giardiniera“), eine waschechte italienische Buffa nach Goldoni.
Und wenn Dominik Wilgenbus sie in die Finger kriegt, wird nicht nur ein buffonesker, sondern ein geradezu grotesker Abend daraus. Männer spielen Frauen – und umgekehrt. Das ländliche Gasthaus besteht aus Stapelkartons – einer pro Einzelzimmer. Das Orchesterchen sitzt mittendrin, das Publikum drumherum.
Und besser, man hat sich vorher nicht weiter informiert über die verquere Handlung, denn bei Wilgenbus ist sowieso alles anders – aber kein bisschen weniger amüsant. Der Applaus zeigt: So liebt das Publikum seine Kammeroper, so liebt es auch die musikalische Realisierung durch den mozartkundigen Nabil Shebata, der die Rezitative mit Laute und Akkordeon effektvoll begleiten lässt: straff, rassig, trotzdem mit der Prise Naivität eines zwölfjährigen Komponisten, der sich offenbar in Liebesdingen schon ziemlich gut auskennt. Und sie in schmachtende, eingängige Melodien umsetzt, die schon Figaros Hochzeit vorausahnen lassen: „Schau einer Frau in die Augen“, singt der liebessüchtige und -tüchtige Fracasso (Dino Lüthy) und wird trotzdem seine rote Rose nicht los.

Effektvolle Kostüme

Das Ganze beginnt mit einer Viertelstunde Wirbel im Orchester und auf der u-förmigen Bühne, endet mit veritablen Prügeleien. Zwischendurch amüsiert man sich über Gastwirtinnen mit aufgeplusterten Donnerhüften und hochtoupierten Haaren, schwarzen Damenbärten und rosafarbenen Wangen: Äußerst spielfreudig und kein bisschen tuntig reüssieren Carl Rumstadt und der tenore leggiero der Truppe, Julian Freibott. Lustig das Kostüm-Verwechslungsspiel von Rosina alias Gisberto (koloraturensicher: Eva-Maria Schmid). Auch in den restlichen Rollen bewundert man professionelles Niveau in Gesang und Spiel, besonders beim allgemeinen Objekt der Begierde Giacinta (Susan Zarrabi).
Die effektvolle Wirkung der Kostüme (Sandra Münchow) nützt sich über zweieinhalb Stunden genauso wenig ab wie das insgesamt einfallsreiche, durchdachte Spiel, das den Arien des jungen Mozart auch mal Raum ohne Trubel lässt. Im zweiten Teil nach der Pause übertrifft sich Mozart (in den Arrangements von Alexander Krampe) noch einmal, und die Regie macht deutlich, worum es eigentlich geht: „Das Tauschen von Gewändern kann den Menschen nicht verändern“ oder „Alle Kleidung ist Verkleidung, doch kann keiner aus seiner Haut.“ (Uwe Mitsching) Weitere Vorstellungen bis zum 20. September.

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