Kultur

Ausschnitt aus einem eigenwilligen Arrangement mit Fischen (2014) von Vera Mercer. (Foto: MMK)

27.06.2017

Es ist angerichtet

Die fotografierten Stillleben von Vera Mercer im Museum Moderner Kunst Passau sind nichts für Vegetarier

Schafsköpfe und „ausgezogene“ Hasen, die Leber dekorativ auf der offenen Bauchhöhle platziert, gerupfte Gänse und Hühner und jede Menge schillernde Fischköpfe und Schalentiere, ein hingegossener Oktopus, Früchte, Gemüse und Kräuter arrangiert zwischen alten Gläsern, blank geputztem Silberbesteck und Kerzenlicht: Hier ist nicht die Rede von barocker Stilllebenmalerei der Niederlande, sondern von den opulenten, großformatigen Farbfotografien Vera Mercers. Die Faszination für die reichlich beladenen Tische stammt aus der gemeinsamen Zeit mit Daniel Spoerri – ihrem damaligen Ehemann – und Jean Tinguely, als das Trio nächtens die Pariser Markthallen, den „Bauch“ von Paris, unsicher machte. (1969 fotografierte Vera Mercer die alten Markthallen kurz vor ihrem Abriss.) Eine andere Spur führt zu Daniel Spoerris Fallenbildern; seine erste Idee dazu hat Vera Mercer in der Fotomontage vue cubiste de ma chambre nach einer Idee von Spoerri im Pariser Hotel „Carcassonne“ festgehalten. 1973 heiratete die 1936 in Berlin geborene Vera erneut. Mit ihrem zweiten Ehemann Mark Mercer übersiedelte sie nach Omaha/Nebraska, engagierte sich dort für die Wiederbelebung der Altstadt. Das Ehepaar eröffnete mehrere Restaurants, die mit wandgroßen Fotoarbeiten aus den Pariser Markthallen dekoriert wurden. In Zusammenarbeit mit dem Innenarchitekten John Morford wurden in den 1990er Jahren Hotels in Asien mit Mercers Fotografien ausgestattet.

Trickreiche Verschiebungen

Vera Mercers diverse Beschäftigungen und Restaurant-Küchen-Erfahrungen mündeten schließlich ab 2004 in den Beginn der Serie von Stillleben in digitaler Technik, großformatig auf dem Tintendrucker im Atelier in satten, fast aufdringlichen Farben ausgedruckt. Blumen und Früchte, Gemüse und tote Tiere, mal gehäutet und gerupft, mal in voller Fell- und Federpracht sind auf edlem Geschirr und schönen Gläsern prachtvoll bühnenhaft inszeniert. Manchmal werden trickreich Bildebenen verschoben und Größenverhältnisse verzerrt. Man entdeckt formale Bezüge zwischen Tier, Frucht und Gemüse, etwa wenn ein gehäuteter Schafskopf mit heraushängender Zunge zu einer knolligen Quitte in Bezug gesetzt wird. Alles dreht sich um das stimmige Arrangement, das sinnlich mit hohem ästhetischem Anspruch inszeniert wird – einzig die heruntergebrannten Kerzen und Tierschädel deuten auf einen Vanitas-Bezug hin, den Mercer selbst aber nicht im Vordergrund sieht. Für sie sind Strukturen und Farben von Bedeutung, die Fülle, die Pracht und die Schönheit, die durch keine Fliege, keine Made gestört wird. Alles ist kunstvoll und perfekt arrangiert.
Gesättigt wird das Bedürfnis des Auges nach Schönheit und Opulenz – wirklich Appetit bekommt man beim Betrachten dieser Gusto-Stücke nicht. Und das ist vielleicht auch gut so. (Ines Kohl) Information: Bis 9. Juli. Museum Moderner Kunst, Bräugasse 17, 94032 Passau. Di. bis So. 11-18 Uhr. www.mmk-passau.de

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