Kultur

Viel Theaterblut fließt in diesem Mordprogramm mit Thomas Loibl als Macbeth und Thomas Lettow als General Banquo; im Vordergrund Sophie von Kessel als Lady Macbeth. (Foto: Dashuber)

20.01.2017

Gemetzel im Altherrenstil

Andreas Kriegenburg inszeniert "Macbeth" am Residenztheater mit statuarischer Wucht, die aber nicht erschüttert

Auweia! Da hat der Gott des Gemetzels mal wieder zugeschlagen: Blutüberströmte Recken stehen bei düsterem Licht auf einem Podest herum, das mal rauf, mal runter fährt, sich dreht und immer wieder in Schräglagen kippt. So sieht man gleich, wie leicht der Mensch doch auf die schiefe Bahn gerät. Allerdings könnte die wankende Spielfläche auch als Symbol dafür durchgehen, dass hier was schief läuft – wenngleich buchstäblich auf gehobenem Niveau. Aber vielleicht hat sich Andreas Kriegenburg einfach in der Hausnummer geirrt. Schließlich liegt das Münchner Residenztheater, wo er Shakespeares Macbeth inszenierte, direkt neben der Münchner Oper, für die er schon Wagners Ring gestemmt hat. Klar, dass man da mal was durcheinanderbringen kann. Und so sieht Shakespeares Königsmörder-Tragödie aus, als habe sich der Regisseur beim Inszenieren irrtümlich noch immer in der Oper gewähnt: Statt auf beherzte Interpretation setzt er auf effektvolle Illustration und entfaltet eine manchmal fast rauschhaft-psychedelische Bilderfolge. Die aber doch nicht grell und bizarr genug ist, um ins Unwirklich-Surreale zu kippen, sodass sie bei aller Faszination manchmal leicht an den Schwulst schrammt. Die Bühne (Harald B. Thor) im minimalistischen Neu-Bayreuth-Stil ist ein schwarzes Loch, aber oft erstrahlt dessen Hintergrund in leuchtendem Rot, Gelb und Orange. Davor ragen als schwarze Schattenrisse Schwerter und Lanzen auf, die in den Boden gerammt wurden, und dazwischen stehen wie Scherenschnitte die Akteure.
Überhaupt zielt die statuarische Wucht dieser Cinemascope-Bilder, ja der ganzen Inszenierung, aufs Archetypische und Zeitlose. Aber statt uns existenziell zu erschüttern, läuft der Versuch, das Lapidare, Ewiggültige freizulegen, auf höhere Dekoration hinaus. Sicher, das ist alles wunderbar anzusehen und meisterhaft gemacht, aber man merkt bald: Was hier fehlt, sind die Sänger und das große Orchester. Stattdessen kommt vom Band leise Hintergrundmusik voll melancholischem Wohlfühlklang. Das ist zu einlullend, um als ironischer Kommentar gemeint zu sein zum Mord- und Metzelprogramm dieser Splatter-Tragödie.

Dem Killer-Modus verhaftet

Eine Bezeichnung, die schon deshalb nicht abwegig scheint, weil an diesem Abend literweise Theaterblut zum Einsatz kommt. Schließlich hat General Macbeth mit seinen Mannen gerade eine Schlacht für König Duncan gewonnen, und wie das gelegentlich vorkommt, gelingt es ihm nicht mehr, vom Killer-Modus auf „zivil“ umzuschalten. Interessanterweise sind Thomas Loibl in der Titelrolle und Sophie von Kessel als Lady Macbeth dort am besten, wo sie nach all ihren Verbrechen in den Wahnsinn kippen. Hanna Scheibe als Lady Macduff wiederum geistert, obwohl sie erst nach der Pause ermordet wird, von Anfang an blutverschmiert wie ein Zombie über die Bühne und kommentiert das Geschehen in bitter-sarkastischen Sottisen. Dass sie dabei lispelt, kiekst und lallt, gehört zu den wohltuenden Verfremdungseffekten, die Kriegenburg viel zu spärlich über die Aufführung verteilte. Was hätte das für ein wunderbar komischer, Distanz schaffender Kontrast zu dem düster-aufgeplusterten Blut- und Totenrausch sein können, wenn alle Figuren ihren Text mit verschiedenen Sprachfehlern hinausgestottert hätten! Stattdessen wird mit fast ungebrochenem Pathos ein Reigen archaisierender Tableaus aufgefahren. Dabei ist Andreas Kriegenburg mit seinen 53 Jahren doch viel zu jung, um schon derart gängige, gepflegte Altherren-Inszenierungen abzuliefern. (Alexander Altmann)

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