Kultur

Joachim und Anna, die Großeltern von Jesus stehen im Mittelpunkt des familären Beziehungsgeflechts, das der Bildteppich wiedergibt. Die Gesamtansicht der Tappisserie sehen Sie im Beitrag. (Foto: Kunsthandlung Rudigier)

04.05.2016

Heilige Sippe in Kette und Schuss

Ein mittelalterlicher Bildteppich ist mit finanzieller Unterstützung der Kulturstiftung der Länder nach Eichstätt zurückgekehrt

Ob Jesus Geschwister, Onkel und Tanten hatte, war eine der Fragen, die im Mittelalter die Gemüter vieler Kirchgänger in hohem Maße erregte. Zahlreiche Legenden rankten sich um die Familie von Christus: Sie zeugen von der Neugier der Gläubigen, die Rätsel der Heilsgeschichte zu ergründen. Den Knotenpunkt im netzartigen Verwandtschaftsgeflecht des Gottessohnes bildet die Heilige Anna, die Mutter Mariens und Großmutter Jesu. Sie besetzt auch das Zentrum eines kostbaren Bildteppichs, den jüngst das Bischöfliche Ordinariat Eichstätt für das Domschatz- und Diözesanmuseum aus dem Kunsthandel erwarb. Gewirkt mittels linnenen Kettfäden und farbenprächtigem Schusszwirn aus Wolle und Metall, erwächst im Gewebe ein Stammbaum der Heiligen Sippe. Vor grünem Hintergrund mit eingestreuten roten Blüten sprießen im Rankenwerk die biblischen Figuren aus Kelchen von Eichblättern, weiße Schriftbänder mit spätgotischen Minuskeln weisen die biblischen Figuren namentlich aus: Die Wurzel des genealogischen Gewächses bildet Stollonus. Aus ihm keimen die Heilige Anna und Joachim empor, die Eltern der Gottesmutter Maria. Die gemäß der Trinubiums-Legende weiteren Ehemänner der Anna, Cleophas und Salomas, zieren den Wandbehang genauso wie Maria Cleophas mit ihrem Gatten Zebedäus und Maria Salome mit Alphäus. Links sind mit den Aposteln Judas Thaddeus und Simon zwei prominente Cousins von Jesus im textilen Familienporträt verewigt.

Rätselhafte Funktion

Was am rechten Rand und oberhalb der Heiligen Anna in das Gewirke geknüpft wurde, darüber gibt das 61 x 118 Zentimeter messende Fragment keine Auskunft. Ebenfalls noch rätselhaft ist die Funktion der 1527 entstandenen Tapisserie. Doch sie entstammt der Werkstatt der Eichstätter Benediktinerinnenabtei St. Walburg: Dies beweisen frappierende motivische wie stilistische Überschneidungen mit dem sogenannten „Jüngeren Walburga-Teppich“ und einer gewirkten Vita der Klosterheiligen, die wie die jüngste Erwerbung nach der Säkularisation und Aufhebung des Klosters zu Beginn des 19. Jahrhunderts in die Sammlungen der kunstsinnigen Fürsten zu Oettingen-Wallerstein übergingen. Diese Wandbehänge konnten bereits 1999 mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder nach Eichstätt ins Domschatz- und Diözesanmuseum zurückkehren. Nun gesellt sich mit der geknüpften Heiligen Sippe ein seltenes Zeugnis der regionalen Webkunst und ein Stück Eichstätter Geschichte wieder zu seinen im Verzeichnis national wertvollen Kulturguts gelisteten Geschwisterteppichen. Damit ist der wollene Wandschmuck mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der St. Willibald-Stiftung fortan an seiner alten Wirkstätte zu bestaunen. (BSZ)

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