Kultur

Museumsaufseher Hans Koberstein steht im Deutschen Museum in der Abteilung für historische Luftfahrt neben einer Rumpler C IV von 1916/17 und passt auf, dass Besucher den Exponaten nicht zu sehr zusetzen. Dabei kann er auch manche technische Frage beantworten. (Foto: dpa)

23.08.2016

Mysterium Museumsaufsicht

Vom Aufpasser zum Aufklärer: Neue Trends bei der Museumsaufsicht

Manchmal sind sie Spielverderber: verbieten Fotografieren, zu nah Herangehen und Anfassen. Andere sind Experten auf ihrem Gebiet und kennen neben dem Weg zum Klo die Geschichte eines Ausstellungsstücks. Museumsaufsichten sind oft viel mehr als menschliche Wachhunde. Strenger Blick, das kann Hans Koberstein nicht so richtig. Manchmal aber muss er etwas lauter rufen, um die Besucher im Deutschen Museum in München von Ausstellungsstücken fernzuhalten. "Das reicht meistens", sagt der 66-Jährige und grinst. Da werde an bespannten Flugzeugflügeln und Infoplakaten geknibbelt, bis Fetzen abstehen.
Koberstein arbeitet als Aufsicht in der Luftfahrt-Abteilung.

Fachwissen gefragt

Der Flugzeugmechaniker und Berufspilot wollte vor einigen Jahre zur Ruhe kommen, nicht dauernd unterwegs sein. Im Deutschen Museum suchten sie Aufsichtspersonal mit Fachwissen - das kam wie gerufen. Er zog extra nach München und begann 2009 mit der Arbeit. "Jetzt habe ich einen Job, bei dem ich weiß, wann es losgeht und wann Feierabend ist." Schon vor der Öffnung um 9.00 Uhr fährt Koberstein die Computer für den Flugsimulator hoch und wischt die Handabdrücke junger Besucher von den Glasabtrennungen. Dann hält er Führungen, erklärt Details vom Flügelschlag über Luftfahrtpionier Otto Lilienthal bis zu modernster Technik. Interessierte Gäste habe er am liebsten, sagt er. "Die häufigsten Fragen sind aber: Wo ist das Klo? Wo ist der Ausgang?"

Manche dürfen nicht viel sagen

Das sind Fragen, über die hinaus Aufsichten in anderen Museen gar nicht viel sagen dürfen - oder können. So trennen zum Beispiel die Pinakotheken in München streng zwischen Aufsichtspersonal, das für die Sicherheit der Kunstwerke zuständig ist, und speziellen Kunstvermittlern. Auch in den städtischen Museen in München soll das Wachpersonal keine inhaltlichen Fragen beantworten. Anders geht das Thema etwa das Jüdische Museum in Berlin an. Dort dürfen die "Hosts" aktiv auf Besucher zugehen. Die Mitarbeiter könnten zwar nicht zu einzelnen Ausstellungen etwas sagen, erklärt eine Sprecherin. Sie könnten aber allgemeine historische Auskünfte geben oder über die Besonderheiten des Baus von Daniel Libeskind erzählen. "Die Besucher trauen sich auch, Kontakt aufzunehmen." Noch einen drauf setzt auch das Museum Folkwang in Essen. Dort darf das Aufsichtspersonal über einzelne Werke und Neuhängungen Auskunft geben. Dafür bekämen Mitarbeiter Einführungen in Ausstellungen. Zudem gebe es einen regelmäßigen Austausch mit Kuratoren und Direktion.
Aufklären statt aufpassen - ein Trend? Die Geschäftsführerin des Deutschen Museumsbunds, Anja Schaluschke, sagt: "Die Anforderung an die Aufsicht sind ganz unterschiedlich." Manche Museen wollten nicht, dass das Aufsichtspersonal sich äußert. "Da ist die Hauspolitik: Die Deutungshoheit liegt bei den Kuratoren." Andersrum machten kleine Heimat- und volksgeschichtliche Museen einen Großteil der deutschen Museumslandschaft aus. Und dort arbeiteten oft Ehrenamtliche, die per se auch Auskunft über die Exponate geben könnten, sagt Schaluschke.

Sicherheitsfirmen eingesetzt

Getrieben vom Kostendruck vergeben immer mehr Häuser Aufsichten an Sicherheitsfirmen. "Die überwachen alles Mögliche: Atomkraftwerke, Bahnhöfe - aber haben keine Expertise im Bereich Museum", kritisiert Berthold Schmitt, der Schulungen für Museumspersonal anbietet. Diese bräuchten aber auch museumseigene Aufsichten, weil sich das Publikum verändert habe. "Der mündige Bürger interessiert sich, fragt freier."

Besucher will Erklärungen

Der Hinweis "Rasen betreten verboten" reiche nicht mehr. Entscheidend sei die Zusatzinfo, dass dort seltene Gräser wachsen. "Der Besucher will Erklärungen", sagt Schmitt. Das sei eine allgemeine Entwicklung - die Antworten müssten aber museumsspezifisch sein. "Zwischen "Wo ist das Klo?" und "Wann starb Michelangelo?" gibt es viele Fragen." Als Beispiel nennt der Trainer und Kurator die Frage, warum es in Museumsräumen manchmal dunkel und stickig ist. "Wenn sie keine Ahnung hat, wirkt die Aufsicht doof. Das führt zu Konflikten." Könne die Aufsicht hingegen kompetent antworten, sei das Haus besser vertreten, sagt Schmitt. Und sie sollte auch die Schwächen des Hauses kennen und wissen, was sie etwa tun muss, wenn ein Rollstuhlfahrer auf eine Treppe zusteuere. Stichwort: Service. Oft hapere es daran, dass solche Probleme nicht kommuniziert und somit nicht gelöst würden. Koberstein erklärt den kleinen Gästen im Deutschen Museum geduldig, dass nur Fachleute in den Flugsimulator dürfen. Sein Lieblingsstück der Ausstellung, an dem er auch den Aufsichtennachwuchs ausbildet. Obwohl er als Pilot vom Fach ist, musste er sich für den neuen Job im Museum einiges an Wissen etwa über Militärflieger aneignen. Und ab und zu profitiert er auch von bohrenden Fragen, auf die er erstmal keine passende Antwort hat: "Das regt an nachzuforschen."  (Marco Krefting, dpa)

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