Kultur

Regisseur Nikolaus Habjan und Ausstatterin Denise Heschl machen aus „Oberon“ ein zauberhaftes Marionetten- und Puppenspiel in einer Schaltzentrale wie im Raumschiff Enterprise. (Foto: Wilfried Hösl)

28.07.2017

Poetische Parodie

Nikolaus Habjan inszeniert Carl Maria von Webers „Oberon“ am Münchner Prinzregententheater ein bisschen wie die Augsburger Puppenkiste

Manchmal kommt das Beste zum Schluss. Das gilt für die Inszenierung der Oper Oberon, König der Elfen von Carl Maria von Weber, die bei den Münchner Opernfestspielen Premiere hatte. Mit ihr setzt Nikolaus Habjan am Ende der Spielzeit absolut sehenswerte Akzente. Für seine liebevoll parodierende, überaus sinnliche und phantasievolle musikalische Regie gab es im Münchner Prinzregententheater viel Beifall, ganz ohne Buh-Rufe. Es ist die erste Inszenierung, die der 29-jährige Österreicher für die Bayerische Staatsoper entworfen hat. Mit ihr hilft Habjan einem Werk auf die Sprünge, das einige Tücken und Schwächen hat. Im Gegensatz zu Webers Vorgängeroper Euryanthe ist Oberon rein formal eine vorromantische Nummernoper.

Vertrackter Genre-Mix

Zugleich vereint das Werk konträre Bühnengattungen. Ob Märchen-Singspiel mit Ausflügen in die große Oper der Romantik, Revue und Melodram oder Schauspielmusik samt Sprechdialogen: Webers Oberon ist ein Querstand, was auftragsbedingt ist. Das Werk wurde für den Covent Garden in London komponiert und dort 1826 uraufgeführt. Weber musste auf ein Umfeld reagieren, das in der Oper international den Anschluss verloren hatte: nach Henry Purcell und Georg Friedrich Händel. Mit dem Genre-Mix geht Habjan ausgesprochen virtuos um. Gemeinsam mit Ausstatterin Denise Heschl hat er ein Puppen- und Maskentheater entworfen, das entfernt an Achim Freyer erinnert (Freyer, 83, ist zugleich Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner sowie Maler und verbindet gerne die bildende mit der darstellenden Kunst). Oder an die Augsburger Puppenkiste. Oberon erscheint als riesige Puppe in weißem Gewand, er hat leuchtende Hände. Mit kleineren Handpuppen agieren die drei Pucks (wunderbar gesprochen und gespielt: Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen und Sebastian Mock). Dieses Puppen- und Maskentheater greift die Handlung auf.
Alles dreht sich um den Elfenkönig Oberon. Er möchte seiner Frau Titania beweisen, dass es Treue zwischen Mann und Frau geben kann. Hierzu wählt er zwei Paare aus. So lieben sich der edle Ritter Hüon von Bordeaux und Rezia, die Tochter des Kalifen von Bagdad. Dagegen ist Scherasim, der Knappe von Hüon, in Fatime verknallt: die Gespielin Rezias. Ähnlich wie in Mozarts Zauberflöte müssen die Unglücklichen Prüfungen bestehen. Hierzu konfrontieren die drei Pucks die Paare mit Rollenspielen und krisenreichen Situationen. Dafür entwirft Jakob Brossmann eine Bühne, die wie ein Operationssaal aussieht. Oder wie die Schaltzentrale von Raumschiff Enterprise. Wenn Oberon von einem Schiff spricht, das gen Griechenland aufbreche, rollt prompt die Schaltzentrale in die Szene: großes Gelächter. Denn Habjan inszeniert mit viel Tempo und Witz, auch dank des feinen Lichtdesigns von Michael Bauer. Trotzdem kann auch diese kurzweilige Inszenierung manche Länge nicht verhindern. Einige Sprechdialoge könnten problemlos gestrafft oder ganz gestrichen werden, zumal sich die Gesangssolisten nur schwer entfalten können. Es war vor allem der helle Tenor von Julian Prégardien, der dem Oberon einen wunderbar lichten Lyrismus abrang. Oberon ist indes gesanglich nur eine kleine Partie. Als Ritter Hüon wirkte der Tenor von Brenden Gunnell stimmlich recht gepresst, etwas blass und glanzlos Annette Dasch als Rezia. Schöne Höreindrücke schenkte der samtene Bariton von Johannes Kammler als Scherasmin. Mit Rachael Wilson stand ihm eine ebenbürtige Fatime zur Seite.

Brachiales Dirigat

Leider schwächelte die musikalische Leitung von Ivor Bolton. Unter seinem sehr direkten, mitunter brachialen Dirigat konnte das Bayerische Staatsorchester das vielfältige Profil der Musik nicht stilgerecht einfangen. Wo Weber mit Janitscharen-Schlagwerk und Orientalismen dezente Akzente setzt, polterte und bimmelte es derb. Auch der raffiniert auskomponierte Elfenspuk oder das mittelalterliche Ritterkolorit tönten recht grob. Die Inszenierung Habjans rettete eine entzauberte Musik mit viel Poesie: Respekt! (Marco Frei)


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