Kultur

Rex Osterwald (Chris-Pascal Englund Braun) beherrscht die perfide-banale Rhetorik Rechtsradikaler. (Foto: Jochen Klenk)

23.02.2024

Tricks der Rechtsradikalen

Rhetorischer Furor: „Rex Osterwald“ am Stadttheater Ingolstadt

Gar keine Frage: Es sind Zombies, die da aus dem Untergrund huschen, aus dem längst Vergangenen, und die plötzlich im Heute stehen, das Licht der Aufmerksamkeit auf sich gerichtet spüren. Rex Osterwald, eine Textfläche von Michel Decar, nimmt die Rhetorik von Leuten auf, die sich der extremen Rechten zugehörig fühlen, sich als Demokraten tarnen, aber der Welt ihren Jargon überstülpen und sich den Weg zu Machtpositionen erkämpfen wollen. Der Kern des Textes trägt erkennbar eine Wut darüber in sich, wie die rechtsradikale Rhetorik der Identitären ungehindert in die Öffentlichkeit fließt. Decar zeigt derlei Mechaniken des Redens und Überzeugenwollens, hinter denen Hass und Gewalt stehen.

Wie man entlarvt

Rex Osterwald ist ein Parteiführer, der ein ultrarechtes Süppchen kocht. Das Stück über ihn auf der Bühne des Stadttheaters Ingolstadt ist ein Entlarvungsprozess als Beitrag zur Aufklärung.

Das Bühnenbild (Fernanda Jardi, Allison Woodburn) zitiert in engem Rund Biedermeierliches: ein bisschen Hirsch, ein bisschen Ölbild, ein bisschen Befremdliches und eine Fahne, auf der ein Smiley das Hakenkreuz tarnt. Ins Bühnenbild kriechen vier Menschen hinein: Nachtschattengewächse, Lichtlose – eine beunruhigende Atmosphäre. Chris-Pascal Englund Braun, Joseph Bundschuh, Judith Nebel und Ricarda Seifried fahren, tönen, rasen durch den Text, machen ihn munter und verkörpern seine Doppelbödigkeit und Doppelzüngigkeit durch ihren Furor.

Rex Osterwald ist kein Stück, das eine Geschichte erzählt, sondern ein Beobachtungsprozess rhetorischer Tricks und dessen, was dahintersteckt. Der Text ist vor allem eine Suada des rechten Parteiführers Rex Osterwald: Die vier Schauspielerinnen und Schauspieler stellen ihn und seine Anhängerschaft zugleich dar.

Regisseur Alexander Nerlich, Sounddesigner Malte Preuss und Choreografin Zoé Gyssler haben diese Textraserei rhythmisch stark auf die Bühne gebracht. Man muss genau hinschauen, was da passiert, Sprache und Rhetorik analysieren, man muss Narrative erkennen können, um ihnen im Diskurs etwas entgegenstellen zu können: Rex Osterwald liefert das Werkzeug dazu.

Es geht um das aufgesetzte Selbstmitleid von Menschen, die sich erkennbar nicht an Spielregeln halten wollen, aber sich beklagen, dass sie nicht mitspielen dürfen. Die Rederecht für sich einklagen, um damit anderen das Recht auf Rede abzusprechen. Die dauernd sprechen wollen, aber Widerspruch nicht ertragen können. Die den manchmal mühseligen demokratischen Prozessen banale Lösungen entgegenstellen. Und die vor allem Gefühlen wie Angst, Wut und Hass durch die die Wirklichkeit völlig entstellenden Narrative ständig neue Nahrung liefern, um so Wasser auf die eigenen Mühlen zu bekommen.

Permanent in Bewegung

Dieses Schema zeigt das Stück. In Ingolstadt gelingt das deshalb so gut, weil über all dem das Spiel nicht zu kurz kommt. Die vier Spielfiguren auf der Bühne erlauben sich und dem Publikum keinen Stillstand, bauen mit ihren Körpern permanent Bilder, zeigen Entwicklungen und lassen so ganz allmählich das einsickern, was hinter den rhetorischen Prozessen steht: eine Nähe zu Gewalt, Brutalität und Menschenverachtung, die immer manifester wird. Das Ende ist erschreckend. (Christian Muggenthaler)

 

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