Kultur

Björn Bicker erhält den diesjährigen Tukan-Preis der Landeshauptstadt München. (Foto: dpa)

15.11.2016

Tukan-Preis an Björn Bicker

Ansichten aus der religiösen Mega-City: Würdigung für das Buch "Was glaubt ihr denn. Urban Prayers"

Die Landeshauptstadt München vergibt den Tukan-Preis 2016 an Björn Bicker für sein Buch „Was glaubt ihr denn. Urban Prayers“. Der mit 6000 Euro dotierte Tukan-Preis zeichnet alljährlich eine sprachlich, formal und inhaltlich herausragende literarische Neuerscheinung aus. In die Auswahl kommen alle belletristischen Veröffentlichungen von Münchner Autorinnen und Autoren. Zur Diskussion standen in diesem Jahr insgesamt 60 Bücher, die von der Jury in vier Sitzungen besprochen und bewertet wurden.

Die Begründung der Jury zur Preisvergabe an Björn Bicker:

„Was glaubt ihr denn. / Wer wir sind. / Was wir glauben. / (…) Wo wir beten. / (…) Wo wir euch begegnen könnten. / Wo wir euch begegnen wollen.“ So spricht der „Chor der gläubigen Bürger“ zu Beginn von Björn Bickers Buch. Die gläubigen Bürger, das sind Pfingstler, Freikirchler, Juden, Muslime, Hindus, Sikhs, Buddhisten und andere, meist mit Migrationshintergrund, denen eine weitgehend säkulare Mehrheitsgesellschaft oft ignorant gegenübersteht.

Bicker lässt sie zu Wort kommen, wobei es ihm weniger um die Glaubensinhalte selbst geht, als um das Verhältnis der Gläubigen zu ihrem sozialen und politischen Umfeld: der Ort ist München, eine „religiöse Megacity“.

Bestimmte Themenbereiche – wie Beten, Bauen, Heiraten oder Wählen – lose umkreisend, arrangiert Bicker eine Vielzahl anonym bleibender, sich wiederholender, bestärkender, korrigierender, aber auch widersprechender Stimmen zu einem sprachlich raffinierten religiösen „Gebetsteppich“, in den einzelne, immer wieder auftauchende Gesprächsfäden eingewoben sind, die die Erfahrungen unter anderem einer Lehrerin, einer Journalistin, eines Sozialarbeiters widerspiegeln.

„Was glaubt ihr denn“ ist ein ebenso außergewöhnliches wie überzeugendes Buch zu dem wohl wichtigsten Thema unserer Zeit: der Auseinandersetzung mit Religionsgemeinschaften und den von ihren Mitgliedern gelebten Wertvorstellungen in einer sogenannten „postsäkularen Gesellschaft“.

Bicker wertet nicht. Ausgehend von zahllosen Gesprächen, die zunächst zu einem Theaterprojekt verarbeitet wurden („Urban Prayers“), kondensiert er Originaltöne zu knappen Repliken, fächert form- und stilbewusst, mit Subtilität und Witz die ganze Bandbreite religiöser Haltungen und Meinungen auf, wirft dabei auch die Frage nach den Gründen für das Erstarken der Religiosität auf und wie mögliche religiöse Konflikte zu moderieren seien.

Eine junge Frau trägt Kopftuch – und versteht das als Protest gegen eine materialistische Welt, die ihr zuwider ist. Und ein katholischer Pfarrer aus dem Kongo, dem die eigene Kirche nicht viel Rückendeckung gewährt, plädiert für das „Palaver-Prinzip“ als ein durch Miteinanderreden herzustellender Konsens.

Björn Bickers Buch ist somit mehr als eine quasidokumentarische Bestandsaufnahme gelebten Glaubens. Es ist ein literarisch beeindruckendes Buch des Respekts, der Neugier und der Empathie, das, ohne appellativ zu sein, nicht zuletzt für ein Aufeinanderzugehen wirbt.




Björn Bicker, geboren 1972, arbeitete als Dramaturg am Wiener Burgtheater und an den Münchner Kammerspielen, entwickelte als Künstler theatrale Stadtprojekte an der Grenze zwischen Kunst und Politik, zuletzt im Auftrag des Goethe-Instituts zur Architektur-Biennale Venedig 2016 „The Veddel Embassy: Representing Germany“. Er schrieb Prosa, Theaterstücke, Hörspiele und Essays. 2013 veröffentlichte er den Roman „Was wir erben“. Seine Bücher erscheinen im Verlag Antje Kunstmann. (www.bjoernbicker.de Die Preisverleihung findet am Montag, 5. Dezember 2016, um 19 Uhr im Literaturhaus München statt. Die Preisverleihung ist öffentlich. Anmeldung erbeten unter Tel.: 089/29 19 34 27. Weitere Informationen unter www.muenchen.de/literatur

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