Kultur

Karrierekonkurrenten: Die drei Unternehmensberater (v. l.) Frank Öllers (Wolfgang Mondon), Kai Niederländer (Ronald Schober) und Bianca März (Cynthia Thurat) in der Kapitalismusgroteske „Zeit der Kannibalen“ am Gostner Hoftheater Nürnberg. (Foto: Gostner)

23.09.2016

Turbokapitalismus satirisch auf die Schippe genommen

"Zeit der Kannibalen" im Gostner Hoftheater Nürnberg

Vom Raubtierkapitalismus ist es nur ein Schritt zum Kannibalismus; den man freilich in der Kapitalismusgroteske Zeit der Kannibalen nicht wörtlich zu nehmen hat. Jetzt stellte das Gostner Hoftheater Nürnberg die Bühnenfassung des gleichnamigen, bei der Berlinale 2014 uraufgeführten und mehrfach ausgezeichneten Films von Johannes Naber vor – und landete zum Auftakt der Nürnberger Theatersaison einen großen Erfolg. Der ist vor allem den turbulenten und bis zum Aberwitz gesteigerten Dialogen zu verdanken, in denen Johannes Naber den global agierenden Turbokapitalismus satirisch auf die Schippe nimmt. Was er an drei Unternehmensberatern exemplifiziert, die rund um die Welt, heute in Asien und morgen in Afrika, die Geschäfte ihrer „Company“ betreiben, die ihren Kunden die lukrativsten Geschäfte vermittelt, die die Profite ihrer „shareholders“ auf Teufel komm raus ins Unermessliche steigern.
Ob dabei ausgebeutete Arbeitskräfte mit Hungerlöhnen in den so genannten Billiglohnländern auf der Strecke bleiben, spielt ebenso wenig eine Rolle wie das Privatleben der rund um den Globus jettenden Unternehmensberater, deren Familienleben sich via Facebook, Twitter und Skype auf dem Bildschirm abspielt. Auf der kleinen Bühne des Nürnberger Hinterhoftheaters, Nordbayerns wohl bestes Off-Theater, machen die schnellen Szenenwechsel und die rasanten, wortwitzigen Rededuelle die Inszenierung (Josten Mindrup) zu einem Ereignis. Dabei entspricht das dreiköpfige Consulting-Team, gespielt von Cynthia Thurat, Wolfgang Mondon und Ronald Schober, allen gängigen Klischees der großen Business-Welt, die in den Apartments, Lounges und Bars luxuriöser Hotels, die überall auf der Welt gleich ausschauen (Bühnenbild Eva Adler). Aber diese Stereotypisierung ist dramaturgische Absicht, die sich hier in Laptops und Smartphones, interkontinentalen Skype-Meetings und Power-Point-Präsentationen niederschlägt. So wie auch ein exotisch-dunkles Zimmermädchen (Mona Fischer), dessen sexuelle Serviceleistung diese zahlungskräftigen Manager wie selbstverständlich in Anspruch nehmen, und ein devoter indischer Hotelpage (Pascak Averibou), ganz bewusst die exotische Staffage für dieses moderne, „ökonomische Herrenmenschentum“ liefern. Wenn in diese unheilig-heile, aber letztlich nur virtuell und digital gelebte Welt, erst mit fernem Donnergrollen, das in immer näher kommende Gewehrschüsse übergeht, dann die Wirklichkeit des Bürgerkriegs einbricht, ist es aus mit der smarten Coolness dieser „Global Players“: Sie verbarrikadieren sich in ihrem Hotelzimmer, das Licht geht aus – und eine bis zur Karikatur überzogene, dabei glänzende Kapitalismuskritik endet in einer grandiosen Farce, der ein begeistertes Publikum heftig applaudiert. (Fridrich J. Bröder) (Hinten das exotisch-dunkle Zimmermädchen (Mona Fischer), vorne Cynthia Thurat als Bianca März - Foto: Gostner)

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