Kultur

Was zu beweisen war: Ein Dämon (Tamás Mester) nährt sich von Hass, Aggression und Gewalt. (Foto: Theater Hof)

16.02.2024

Wie sich Hass und Gewalt nähren

„Dämon“ von Roland Spranger am Theater Hof: Hang zum bebilderten Seminar

Derlei Themenabende auf der Bühne, wie jetzt am Theater Hof, an denen sich alles um plötzlich aufkommende Gewalt dreht, um Bluttaten, die sich niemand richtig erklären kann, geraten schnell in Richtung Bastelstunde. Ob man es dann danach Dokumentartheater oder Textfläche nennt, ist zweitrangig: Zu betrachten sind aus dem Internet Zusammengegoogeltes und Fragmente des eigenen Erinnerungsvermögens, aneinandergenäht und mit oder ohne Rahmenhandlung vor dem Publikum ausgebreitet. Ist es nicht furchtbar?, heißt es dann, ohne dass eine tiefer gründende Geschichte und Handlung sich um Analyse, Figurenhintergründe und Handlungsmotive bemühen würden.

Dämon von Roland Spranger, Hausautor am Theater, schrammt an diesem Befund immerhin partiell vorbei, hat aber auch den Hang zum bebilderten Seminar. Auch hier gibt es in 75 Minuten ein Sammelsurium an Einzelbildern, die sich dem Thema Hass und Gewalt annähern und so, aber auch ganz anders zusammengestellt sein könnten. Aktuelle politische Bezüge und Hinweise auf etwaige rassistisch motivierte Taten fehlen völlig; das wird schon seine guten Gründe haben.

Thema Femizide berührt

Sich prügelnde Gangs, Messerstechereien, Sachenwerfer auf Autobahnbrücken: Gewalt ist ein Dämon, der sich von Wut und Hass nährt, erzählt Spranger. Als ob man das nicht irgendwie immer schon geahnt hätte. Testosteron, Gewalterfahrungen in der Kindheit, Angstverbreiten als Maßnahme gegen das eigene Angsthaben, Einsamkeit als Ursuppe für Paranoia: All solche Ursachen werden gezeigt. Aber was bringt das? Ein halbes Jahr Beobachtung einschlägiger Fälle in einem beliebigen Landgericht in Bayern könnte da eindringlicheren Dramaturgiestoff liefern.

Immerhin wird es dann am Theater Hof zunehmend intensiv, vor allem dann, wenn es um das Thema Femizid und Gewalt gegen Frauen geht – ein Thema auch des deutschen Alltags, und dennoch bei Weitem nicht so skandalisiert, wie das nötig und richtig wäre. Viel Gewalt geschieht innerhalb von Beziehungen, innerhalb von Familien. Spranger kann prononciert erzählen. Hier wird die Inszenierung in Hof auch emotional besonders deutlich, geht unter die Haut – das wäre der Stoff für einen ganzen Abend gewesen.

Schnelle Szenenfolge

Regisseurin Antje Hochholdinger bringt mit ihrer Inszenierung ordentlich Dynamik in Sprangers Themenpotpourri, hat zwar wegen der raschen Szenenfolge wenig Spielraum zur Entwicklung der Figuren, setzt aber genau deshalb ganz erfolgreich auf Schnelligkeit und kräftige Szenen, unterstützt von Imme Kachels mobiler Bierkastenbühne: Stapelware bringt Ordnung in die manchmalige Beliebigkeit des Husch, Husch.

Und auch hier gilt: In den Szenen, die emotional unterfüttert werden können, die weniger thesenhaft geraten sind, in denen Brisanz sich entfalten kann, gelingt der Theaterabend besonders. Gegen Ende hin immer mehr. Das liegt auch an der darstellerischen Kraft von Oliver Hildebrandt, Peter Kampschulte und Tamás Mester, die sich ins Zeug legen, von Rolle zu Rolle hasten und immer wieder zeigen, wie das zugeht mit dem Hass. Dann und wann flackert am Bühnenrand ein großes rotes Herz als eine Art Gegenpol auf: Das gibt es auch noch. Herzklopfen. Leben. Liebe. (Christian Muggenthaler)

 

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