Landtag

Horst Arnold (SPD) unterstützt die Cannabislegalisierung. (Foto: dpa/Balk)

05.04.2024

„An diesem Gesetz muss man noch arbeiten“

Seit 1. April ist Erwachsenen der Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Maß erlaubt. Vorgesehen ist auch ein rückwirkender Straferlass. Horst Arnold, rechtspolitischer Sprecher der SPD im Landtag, findet das richtig. Er warnt aber auch, dass man die Droge keinesfalls verharmlosen darf

BSZ: Herr Arnold, Hand aufs Herz: Haben Sie schon mal gekifft?
Horst Arnold: Ja. Vor rund 40 Jahren als Student in Portugal. Und seitdem nie mehr.

BSZ: Warum nicht?
Arnold: Es hat mir in keinster Weise imponiert. Eine große Rolle hat auch die abschreckende Wirkung des damaligen Strafrechts gespielt.

BSZ: Jetzt dürften Sie das ja sogar ganz legal. Nicht nur die bayerische Staatsregierung fürchtet, dass deswegen die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet ist. Haben die Kritiker*innen alle unrecht?
Arnold: Bevor ich in den Landtag gekommen bin, war ich lange Jahre Staatsanwalt und Richter. Aus dieser Zeit weiß ich, dass wir keinesfalls die Gefährlichkeit von Cannabis unterschätzen dürfen. Im Gegenteil. Die Psychosen, die sich durch langjährigen Cannabismissbrauch einstellen, kann man auch in den Jugendpsychiatrien und Bezirkskrankenhäusern sehen.

BSZ: Warum hat die Bundesregierung dann die Teillegalisierung beschlossen?
Arnold: Es geht um eine neue Drogenpolitik, eine Entkriminalisierung der Konsumierenden. Teilweise waren Leute nur wegen Cannabisbesitz und -anbau zum Eigenkonsum im Strafvollzug und sind so in eine Abwärtsspirale der Kriminalität geraten. Eine Teillegalisierung ist keine Verharmlosung, sondern die Kenntnisnahme, dass der Konsum von Cannabis in weiten Teilen der Bevölkerung so etabliert ist, dass man ihn durch Strafrecht nicht mehr aufhalten und eindämmen kann. Insbesondere bei der am meisten gefährdeten Bevölkerungsschicht der Jugendlichen und teilweise auch der Kinder nehmen die Zahlen trotz der bisherigen Kriminalisierung seit Jahren stetig zu.

BSZ: Für Kinder und Jugendliche bleibt der Konsum ja verboten. Ist nicht zu erwarten, dass noch mehr von ihnen konsumieren, weil sie jetzt zu Hause Zugriff auf die Drogen der Eltern bekommen?
Arnold: Diese Ansicht ist aus meiner Sicht sehr skurril. Man kann in Großstädten, aber auch auf dem Land zu jeder Zeit und an jedem Ort mit gewissen Anstrengungen an Cannabis kommen, obwohl es illegal war und auch immer noch ist. Der Handel ist ja nach wie vor kriminell. Der Strafrahmen für die Abgabe von Cannabis an Jugendliche ist übrigens sogar maximal erhöht worden, von einem Jahr auf drei Jahre.

BSZ: Wie könnte man Kinder und Jugendliche besser als bisher schützen?
Arnold: Ich glaube, dass die Prävention in Form einer Gesundheitsaufklärung und der im Gesetz festgelegten Abstandsgebote für den Konsum der richtige Weg ist. Man darf es nicht nur verteufeln, muss aber auf die Risiken aufmerksam machen und die wirklich gravierenden Folgen des Missbrauchs noch deutlicher beleuchten. Möglicherweise ist es jetzt auch weniger en vogue, sich mit dem Konsum zu brüsten, wenn der Reiz des Verbotenen jetzt zumindest bei Erwachsenen weggefallen ist.

BSZ: Die vorgesehene Amnestieregelung für Altfälle bedeutet erst mal eine Menge Arbeit für den Justizapparat. Wie beurteilen Sie das als Jurist?
Arnold: Ja, das ist eine Herausforderung. Da bin ich auch gespannt, wie sich das in den Haushaltsberatungen im Landtag, die bald beginnen, widerspiegeln wird. Aber wenn ich eine Entkriminalisierung ernst meine, dann muss ich das auch mit einer gewissen Vorlaufzeit beginnen. Das Bundesverfassungsgericht hat übrigens schon vor rund 30 Jahren einen Versuch zur Entkrampfung unternommen. Es stellte fest, dass der Besitz in geringen Mengen nicht mehr zwingend strafwürdig ist, entsprechende Verfahren sollten eingestellt werden. Mit diesem Urteil ist man aber sehr locker umgegangen, man hat das teilweise bei der Strafverfolgung ignoriert.

BSZ: Wie sehen Sie die von der Staatsregierung angekündigte Kontrolleinheit zur Überwachung der geplanten Anbauvereine?
Arnold: Durchaus positiv. Ein Gesetz, das implementiert worden ist, sollte auch kontrolliert werden. Die 20 Stellen, die dafür jetzt beim Landesamt für Gesundheit geschaffen werden sollen, kommen allerdings viel zu spät. Man hätte sie schon viel früher zur Prävention und zur Harmonisierung von Programmen etwa zur Therapie aufbauen müssen.

BSZ: Was sagen Sie denjenigen, die meinen, dass die Teillegalisierung von Cannabis ein Superkonjunkturprogramm für die organisierte Kriminalität ähnlich wie in den Niederlanden ist?
Arnold: In den Niederlanden sind Konsum und Verkauf nicht so geregelt wie jetzt in Deutschland. Dass unser Gesetz nicht der Stein der Weisen ist, sondern dass daran gearbeitet werden muss, ist mir bewusst. Nicht jedes neue Gesetz, das so gravierende Folgen zeitigt, kann von vornherein hundertprozentig funktionieren. Deswegen sind jetzt alle Länder und die Behörden dazu aufgerufen, konstruktiv Erfahrungen zu sammeln und im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Evaluation einzuspeisen. (Interview: Thorsten Stark)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

BR Player
Bayerischer Landtag
Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.