Landtag

Leo Dietz. (Foto: privat)

05.04.2024

Der Selfmademan

Im Porträt: der Augsburger CSU-Abgeordnete Leo Dietz

Innerhalb der Landtags-CSU ist der Augsburger Abgeordnete Leo Dietz eine in vielerlei Hinsicht singuläre Erscheinung. Und das liegt nicht nur an seinen langen Haaren, die er zu einem kecken kleinen Dutt frisiert. Sondern auch am schillernden beruflichen Umfeld des 57-Jährigen, das dieser kichernd als „Nachtgastronomie“ bezeichnet. Zu seinen besten Zeiten hatte Dietz in Augsburg fünf Lokale. Jetzt sind es noch zwei in Bestlage, die jeweils erst spätabends öffnen. Gastronomie, „die stattfindet, wenn das Licht ausgeht“, sagt Dietz. Für Menschen, die feiern und Spaß haben wollen.

Seinen Werdegang darf man als ungewöhnlich beschreiben. Denn wie oft gibt’s das bitte: dass jemand nach dem Quali und einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker zunächst rumjobbt, erst Wirt sowie später König des Nachtlebens wird und schließlich in der Politik reüssiert. Muss ein anstrengendes Dasein gewesen sein damals: Tagsüber schuftete Dietz in seinen Zwanzigern in einer Chemiefabrik, nachts bediente er in der Disco. „Schlaf wurde damals überbewertet“, juxt er. Dietz weiß: „Ich bin anders als die anderen.“

Doch zweifellos tut es dem Landtag gut, wenn nicht nur Jurist*innen und Menschen mit akademischem Background über Gesetzesinitiativen beraten – oder Leute, die ohne jegliche Berufserfahrung direkt nach der Ausbildung ein politisches Amt ergattern.

Politik? Hat ihn früher nie interessiert

Tatsächlich wollte sich Leo Dietz eigentlich nie im politischen Bereich engagieren. „Ich hab mich da immer rausgehalten“, bekennt er freimütig. Politik habe ihn früher „nie interessiert“.

Zur CSU kam er über einen Freund, eine lokale Parteigröße, den Dietz mit seiner Mitgliedschaft unterstützen wollte. Das war 2005. Der Parteifreund, Tobias Schley, geriet einige Jahre später in eine ungute Affäre, kassierte eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und war politisch erledigt.

Die Freundschaft von einst ist perdu, Dietz aber hatte Gefallen an der Politik gefunden und arbeitete sich nach oben. Sein erstes Amt bekam er 2008, als er von einem ziemlich aussichtslosen Listenplatz überraschend in den Stadtrat gewählt wurde. Dass Dietz im Augsburger Nachtleben eine bekannte Erscheinung war, dürfte geholfen haben. Wahr ist aber auch, dass er über die Gabe verfügt, Menschen für sich einzunehmen. Und er ist ausgesprochen unterhaltsam, ohne dabei wie einer dieser nervigen Gute-Laune-Kasper zu wirken. Seine beste Eigenschaft, so sieht er es selbst, sei „innere Ruhe“.

Der Stadtratsposten war dann, nun ja, ungewohnt. „Ich hab keine Ahnung gehabt, was das bedeutet“, entsinnt sich Dietz. Er kam in den Bauausschuss und den allgemeinen Ausschuss, arbeitete sich tapfer durch die Themen und hatte Erfolg. Dietz sagt: „Ich nehme alle mit.“ Die Leute honorierten es. 2015 avancierte er zum Kreisvorsitzenden der CSU Augsburg-West, 2014 zum Vizefraktionsvorsitzenden und 2020 zum Fraktionschef im Stadtrat. Als Stadtrat merkte Dietz: Man kann etwas erreichen. Klar, dass der Landtag dann sein nächstes Ziel wurde.

Nach zwei vergeblichen Anläufen 2013 und 2018 als Listenkandidat schaffte er 2023 als Direktkandidat den Sprung in den Landtag. Möglich war das, weil der bisherige direkt gewählte Abgeordnete Johannes Hintersberger aus Altersgründen nicht wieder angetreten war. Im Landtag sitzt Dietz nun in den Ausschüssen für Landwirtschaft und für Umwelt. Ursprünglich war der Wirtschaftsausschuss sein Wunschgremium, weil dort traditionell der Bereich Gastronomie angesiedelt war.

Doch nachdem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die Zuständigkeit für Tourismus und Gastronomie ans Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung abgegeben und dafür die Zuständigkeit für die Staatsforsten erhalten hatte, entschied sich Dietz um. Denn die Ausschüsse im Landtag bilden die Zuständigkeiten der Ministerien ab; der Gastrobereich wanderte in den Agrarausschuss – in dem Leo Dietz nun dafür sorgen will, pragmatische Politik für Tourismus und Gastronomie zu machen. Diese Bereiche sind besonders gebeutelt durch die Folgen der Pandemie und die Inflation. Zudem müssen die Gastrobetriebe die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung schultern. Dietz prognostiziert: „Jetzt kommen die Insolvenzen.“ Betriebe, die bereits vor der Pandemie nicht rentabel waren, aber mittels Corona-Hilfsgeldern überleben konnten, gingen nun pleite. Das betreffe Wirtshäuser ebenso wie Hotels, sagt Dietz, der auch Landesschatzmeister des Hotel- und Gaststättenverbands ist. Die Zahlen im Tourismus lägen noch immer nicht auf Vor-Corona-Niveau, „sondern bis zu 14 Prozent darunter“.

Es miaut in seinem Instagram-Account

Er selbst fungiert seit seinem Einzug in den Landtag nicht mehr als Geschäftsführer seiner Lokale, an denen er jedoch nach wie vor beteiligt ist. Klar, dass Leo Dietz die Gastroszene aus dem Effeff kennt, in Augsburg sowieso. Wer glaubt, Dietz sei deshalb ein notorischer Schluckspecht, irrt. „Ich brauch keinen Alkohol“, betont er. Und dass es in seinen Lokalen jeden Cocktail auch alkoholfrei gebe – sofern gewünscht. Überhaupt, Cocktails. Dietz hat keinen Favoriten, aber viel Ahnung davon, was man wie trinkt. Merke: Gin Tonic war gestern. Man bestellt Gin UND Tonic. Weil man sich nur dann die Gin- und die Tonicsorte – auch davon gibt es zig verschiedene – aussuchen kann.

Sein Laster, stöhnt Dietz, seien keineswegs Drinks, sondern Süßigkeiten. Alles, was er da zu greifen kriege, werde verputzt. Figurfreundlich ist das nicht. Da helfen auch tägliches Joggen und das Training im heimischen Fitnessstudio nix. Er sei halt, grinst Dietz, „der optische Kugelstoßer unter den Läufern“.

Der kinderlose Politwirt lebt allein, es gibt „phasenweise feste Freundinnen“ und immer zwei Katzen, Blacky und CC. Deren Treiben kann man auf Instagram verfolgen, (@dietzandthemiez). Da ist Dietz ganz Politprofi – ohne lustige Instagram-Profile kommen Politiker, die von sich reden machen wollen, kaum mehr aus.

Seine Tätigkeit als Abgeordneter sieht er nüchtern: Er will was erreichen für die Leute, dafür braucht er Verbündete. „Ich bin kein Visionär“, sagt Dietz. Sondern Pragmatiker. Bei seiner Wählerschaft hat er damit offenbar einen Nerv getroffen.
(Waltraud Taschner)

 

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