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Die Münchner Polizei präsentiert die bei mehreren Razzien gefundenen Waffen und Munition der rechtsextremen Jagdstaffel D.S.T.. (Foto: dpa)

23.09.2016

Mit der Lizenz zum Töten

Trotz Überprüfung der persönlichen Eignung besitzen 177 Rechtsextreme und 110 Menschen aus der organisierten Kriminalität einen Waffenschein

Bundesweit sind bis zu 400 Neonazis im Besitz eines Waffenscheins. Auch in Bayern sind tausende illegale Waffen im Umlauf, die sich in den Händen von gefährlichen radikalen Gruppierungen und Kriminellen befinden. Allein bei der Nazi-Kameradschaft „Jagdstaffel D.S.T.“ wurden im Laufe des Verbotsverfahrens 39 halbautomatische Lang- und Kurzwaffen, 277 Hieb-, Stoß- und Stichwaffen, 17 Dekowaffen, zwei Schreckschusspistolen, 56 delaborierte Handgranaten, Artilleriegeschosse und Panzerfaustbauteile, 51 Explosionswaffen sowie über zwei Kilo Schwarzpulver gefunden. Das Problem:

Welches Gefährdungspotenzial aufgrund der sichergestellten Waffen von der Gruppierung ausgeht, ist der Staatsregierung weitestgehend unbekannt. Das zeigen die Antworten auf mehrere Anfragen des SPD-Abgeordneten Florian Ritter. Er erfragte den Waffenbesitz von Salafisten, Islamfeinden, der rechts- und linksradikalen Szenen, der organisierten Kriminalität wie Rockerbanden sowie der Reichsbürgerbewegung.

In der ersten der insgesamt sechs Anfragen fragte Ritter nach den sichergestellten Waffen. Nach Angaben des Innenministeriums wurden in den letzten fünf Jahren 108 halbautomatische Langwaffen wie Selbstladeflinten, 174 vollautomatische Langwaffen wie Maschinenpistolen und 1502 halbautomatische Kurzwaffen sichergestellt – ein Drittel davon allein im letzten Jahr. Außerdem seien drei Panzerfäuste, 92 Handgranaten und 175 Fälle gemeldet worden, in denen die Meldestelle für den gewerblichen Chemikalienhandel des bayerischen Landeskriminalamts wegen verbotener Grundsubstanzen zur Herstellung von Sprengmitteln einschreiten musste. Darüber hinaus wurden letztes Jahr bei insgesamt 249 Personen Waffen beschlagnahmt.

Jährlich rund 600 Widerrufe von waffenrechtlichen Erlaubnissen in Bayern

In den weiteren Anfragen fragte Ritter nach dem Besitz von waffenrechtlichen Erlaubnissen und deren Entzug. Laut Ministerium besitzen 177 Personen des rechtsradikalen Spektrums und 110 Personen aus der organisierten Kriminalität einen Waffenschein. Nachdem das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BLfV) die zuständige Waffenbehörde über mehrere Fälle informiert hat, wurden einige davon wieder eingezogen. Weniger Treffer gebe es im Bereich „Ausländerextremismus“, gar keine im Bereich des Salafismus’. Reichsbürgern mit Waffenscheinen sei diese entzogen worden.

Im Bereich „Linksradikalismus“ meldet das Herrmann-Ressort Fehlanzeige: Keine Person aus dem Spektrum, die vom BLfV beobachtet wird, sei im Besitz von waffenrechtlichen Erlaubnissen. Besonders wichtig ist dem Innenministerium, dass Mitglieder von rechtsradikalen Kameradschaften keine waffenrechtlichen Erlaubnisse anfragen und besitzen. „Umso verwunderlicher ist es, dass über dieses Spektrum dann keine Informationen über illegale Waffen vorliegen“, meint Ritter.

Widerrufe von waffenrechtlichen Erlaubnissen gibt es pro Jahr rund 600 – im größeren Umfang vor allem in den Bereichen Rechtsradikalismus (20) und Organisierte Kriminalität (35). Welchem politischen Spektrum Menschen mit Waffen angehören, wo die Waffen herkommen und wie sie auf den Schwarzmarkt gelangen, konnte das Ressort von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nicht beantworten: „Umfassende statistische Daten liegen der Staatsregierung nicht vor.“ Eine Recherche sei angesichts des Umfangs „nicht mehr vertretbar“.

„Die Bayerische Staatsregierung verfügt über kein Lagebild der illegalen Bewaffnung in Bayern“, kritisiert Ritter. Offenbar habe die Staatsregierung auch kein Interesse, die Daten auszuwerten und zusammenzuführen. Der Abgeordnete fordert eine zentrale Meldestelle, in der alle Informationen über sichergestellte illegale Waffen zusammenlaufen. Dies sei der einzige Weg, um eine valide Gefährdungsanalyse zu erstellen. „Hier geht es um die Sicherheit der Bevölkerung!“ (David Lohmann)

INFO: Waffenbesitz in Bayern
In Bayern gibt es 218 508 Personen, die 1,1 Millionen erlaubnispflichtige Schusswaffen besitzen.

Erwerb und Besitz von Waffen: Dafür ist eine Waffenbesitzkarte nötig, die bei der Kreisverwaltungsbehörde beantragt werden kann. Davon ausgenommen sind ab 18 Jahren Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen sowie Luftdruck-, Federdruck- und CO2-Waffen.

Erwerb und Besitz von Munition: Die Erlaubnis wird entweder für die jeweilige Schusswaffe in der Waffenbesitzkarte oder durch einen für sechs Jahre gültigen Munitionserwerbsschein erteilt.

Schieß- und Jagdvereine: Eine Waffenbesitzkarte kann auch einem Verein als juristischer Person erteilt werden. Sie ist allerdings mit der Auflage verbunden, dass der Verein der Behörde davor eine verantwortliche Person nennt. Scheidet diese aus dem Verein aus, muss dies „unverzüglich“ mitgeteilt werden.

Persönliche Eignung: Diese kann entzogen werden, „wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass jemand geschäftsunfähig, abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil ist oder aufgrund in der Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird, ohne dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährung besteht“.

Überprüfung: Die Eignung wird anhand von Gesprächen, einer Stellungnahme der Polizei sowie dem Bundeszentral- und Erziehungsregisters geprüft. (LOH)

Kommentare (1)

  1. Quarry am 23.09.2016
    Einen Waffenschein haben die ganz sicher nicht. Wenn dann eine WBK und die kann ganz schnell weg sein. In ganz Deutschland werden keine 20.000 Waffenscheine ausgegeben sein. Stand 2014 18587. Das es mehr geworden sind bezweifel ich auch noch sehr.
    Oder wird von dem kleinen Waffenschein gesprochen?
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