Landtag

Große Freude über die Promotion. Diese weicht allerdings bei vielen angesichts der Arbeitsbedingungen an den Unis schnell einer Ernüchterung. (Foto: dpa)

21.10.2016

Prekariat mit Doktorhut

Hochschulausschuss: Fachgespräch für bessere Karriereperspektiven in der Wissenschaft: Was bringen Tenure-Track-Professuren an Bayerns Unis?

Der berufliche Aufstieg an Bayerns Universitäten gleicht oft einer Zitterpartie, die in vielen Fällen in der Sackgasse endet: Der wissenschaftliche Nachwuchs hangelt sich erst über Jahre hinweg von einer Befristung zur nächsten. Um dann am Ende in vielen Fällen vor dem großen Nichts zu stehen: Gerade einmal vier Prozent der Doktoranden schaffen es auf eine feste Stelle – in der Regel eine Professur. Im Schnitt sind die Wissenschaftler dann bereits 42 Jahre alt.

Immer wieder beschäftigte sich der Hochschulausschuss im Landtag mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen an Bayerns Unis – passiert ist bislang aber wenig. Ein gemeinsames Bund-Länder-Programm, um das sich das Fachgespräch in dieser Woche drehte, könnte nun zumindest einem Teil des wissenschaftlichen Nachwuchses mehr Verlässlichkeit in Sachen Karriere bieten – und damit auch in Sachen Lebens- und Familienplanung. Mit einer Milliarde Euro, 90 Prozent davon kommen vom Bund, sollen über einen Zeitraum von 15 Jahren 1000 Tenure-Track-Professuren geschaffen werden. 148 davon in Bayern. Tenure Track ist in den USA ein gängiges Verfahren und eine Art „Probe-Professur“, meist etwas geringer dotiert und auf sechs Jahre begrenzt. Bewährt sich der Wissenschaftler, geht sie in der Regel in eine Stelle auf Lebenszeit über.

An der TU München gibt es bereits 70 solcher Tenure-Track-Professuren, erklärte deren Präsident Wolfgang A. Herrmann den Ausschussmitgliedern. Und mit 29 bis 39 Jahren sind diese Professoren deutlich jünger als der Schnitt. „Mit 42 Jahren hören die ersten Neuronen ja schon wieder zu werkeln auf“, flachste Herrmann. Tatsächlich geht es ihm vor allem darum, mit attraktiven Angeboten junge Talente zu locken – viele wandern heute in andere Länder ab oder in die Industrie.

Wer aber finanziert die Stellen weiter? Die Unis fühlen sich überfordert

Doch was bei der großen TU München noch vergleichsweise einfach erscheint – auch dank der Förderung durch die Exzellenziniative –, stelle kleinere Unis vor große Probleme, betonte Stefan Leible, Präsident der Universität Bayreuth. Trotz des Tenure-Track-Programms von Bund und Ländern. Denn die neuen Professuren auf Lebenszeit müssten ja nach der Förderung weiterfinanziert werden. „Das kann ich aber nur, wenn ich Stellen im Mittelbau schlachte“, betonte Leible. Auch Sabine Doering-Manteuffel, Vorsitzende der Universität Bayern, betonte: „Mit dem Programm sind gerade einmal 16 bis 17 Prozent einer Lebenszeitprofessur finanziert.“ Die Forderung der Uni-Vertreter unisono deshalb an den Freistaat: mehr Geld für die zusätzlichen Stellen. „Natürlich muss die verlässliche Basisfinanzierung vom Eigentümer kommen“, sagte Herrmann.

Landtags-Opposition sowie Gewerkschaft sehen das genauso. Das Ziel sei ja, „den Mittelbau zu stärken und nicht zu schwächen“, sagte Ausschusschef Michael Piazolo (Freie Wähler). Andreas Keller von der Bildungsgewerkschaft GEW betonte, dass am Ende tatsächlich zusätzliche Stellen stehen müssten. Ausschuss-Vize Oliver Jörg (CSU) versprach, die Anschlussfinanzierung in den Blick zu nehmen, sprach aber gleichzeitig von einer „Haushalts-Bredouille“.

Dass nicht nur der wissenschaftliche Nachwuchs im derzeitigen System oft auf der Strecke bleibt, sondern auch die Qualität der Forschung, erklärte Ruth Müller, selbst Tenure-Track-Professorin. „Angesichts der Kurzzeitverträge erforschen viele nicht das Thema, das sie als am relevantesten empfinden, sondern das am ehesten dem Mainstream entspricht.“

Ob 148 Tenure-Track-Professuren reichen, um Bayerns Unis am Ende tatsächlich zu einem verlässlicheren Arbeitgeber zu machen, wird sich erst zeigen müssen. Vor allem auch, ob sich am Ende die Stellen nicht gegenseitig kannibalisieren. Eines stellte Doering-Manteuffel aber schon mal klar: „Ein Karriereweg in der Wissenschaft wird immer mit Risiken verbunden sein.“ (Angelika Kahl)

Info: Die Experten im Fachgespräch
Das Fachgespräch zum Thema „Verlässliche Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs schaffen“ im Hochschulausschuss war prominent besetzt. Es diskutierten:

Sabine Doering-Manteuffel, Vorsitzende von Universität Bayern, dem Verbund der Universitäten im Freistaat. Doering-Manteuffel ist Präsidentin der Universität Augsburg mit mehr als 20 000 Studierenden und fast 4000 Mitarbeitern.

Walter Schober, stellvertretender Vorsitzender von Hochschule Bayern e.V., Stimme der bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Schober ist Präsident der Technischen Hochschule Ingolstadt mit 5400 Studierenden und 525 Mitarbeitern.

Wolfgang A. Herrmann, Präsident der Technischen Universität München, die mit ihren rund 40 000 Studierenden eine der größten Technischen Hochschulen in Deutschland ist. Die TUM hat außerdem fast 10 000 Beschäftigte.

Ruth Müller, seit Februar 2015 Tenure-Track-Professorin für Wissenschafts- und Technologiepolitik an der TU München.

Stefan Leible, Präsident der Universität Bayreuth mit rund 13 500 Studierenden und mehr als 2200 Beschäftigten.

Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Außerdem ist er Leiter des Organisationsbereichs Hochschule und Forschung bei der GEW.

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

BR Player
Bayerischer Landtag
Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.