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Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist für drogen- oder magersüchtige Schüler oft der einzige Ausweg. (Foto: dpa)

06.04.2018

Überforderte Lehrer und Schüler

An bayerischen Schulen nehmen Drogenkonsum und Magersucht zu – gleichzeitig steigt die Zahl der befristeten und fachfremden Lehrkräfte

Mit insgesamt vier Anfragen wollte sich die SPD-Fraktion über den Zustand der Schulen in Bayern informieren. Fraktionschef Markus Rinderspacher wollte wissen, wie sich der Drogenkonsum und Fraktionsvizin Simone Strohmayr, wie sich die Magersucht an Schulen entwickelt hat. Außerdem interessierte sie sich für Befristungen, und Bildungsausschusschef Martin Güll für schulartfremde Lehrkräfte. Die Antwort der Staatsregierung gibt in allen vier Bereichen Anlass zur Sorge.

Cannabis im Klassenzimmer

Laut Kultusministerium hat der Drogenkonsum von Schülern in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Seit 2012 verzeichnet die Statistik eine Zunahme der Rauschgiftdelikte um 78 Prozent auf 464 Delikte. Besonders beliebt ist Cannabis: Drei Viertel aller Fälle gehen auf diese Droge zurück. Danach folgen Ecstasy und Amphetamine (neun Prozent), Methamphetamine und Kokain (ein Prozent) und sonstige Betäubungsmittel (14 Prozent). Auf die Frage nach Gegenmaßnahmen verweist das Ministerium auf dasSuchtpräventionsprogramm an Schulen. Rinderspacher findet das unzureichend: Die Richtlinien seien über ein Vierteljahrhundert alt und angesichts der heutigen Lifesytle-Drogen längst nicht mehr zeitgemäß. Er fordert daher, die Jugendsozialarbeit von derzeit 888 Stellen an 1188 Einsatzorten deutlich auszuweiten.

Ebenfalls zugenommen hat das Thema Magersucht an Schulen. 2007 mussten in Bayern aus diesem Grund 1054 Betroffene ins Krankenhaus eingeliefert werden, 2015 waren es schon über 1400, schreibt das Kultusministerium – davon 95 Prozent Mädchen und Frauen. Neuere Zahlen existieren nicht. 139 der Betroffenen in diesem Zeitraum waren im Grundschulalter, also zwischen fünf und zehn Jahre alt. Um Magersucht an den Schulen vorzubeugen, werden Schüler laut Ministerium bereits in der zweiten Klasse über Ernährung und in der dritten Klasse über Körperbilder aufgeklärt. „Der Lehrplan für Grundschulen in Bayern bietet damit bereits jetzt einen Rahmen, explizite Aspekte von Essstörungen thematisieren zu können“, heißt es in der Antwort.

Besorgniserregend ist auch die Zahl der Lehrkräfte, die ohne entsprechende Lehrerausbildung an bayerischen Schulen unterrichtet. Im Schuljahr 2016/2017 hatten fast 29 Prozent aller Lehrkräfte an Berufsfachschulen keine originäre Befähigung. An Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung waren es knapp 27 Prozent, an Wirtschaftsschulen sowie Fachakademien rund 16,5 Prozent und selbst an Mittelschulen 1318 von 16 233 Lehrern – das entspricht 8,1 Prozent. „Der teilweise etwas erhöhte Anteil an Lehrkräften ohne entsprechende Lehrerausbildung im Bereich der beruflichen Schulen liegt in erster Linie am Einsatz solcher Fachlehrer, die für allgemeinbildende Schulen ausgebildet sind“, erklärt das Ministerium.

Grund- und Mittelschulen sind auch von einem anderen Trend betroffen: Dort stieg die Zahl der befristet Beschäftigten von 2012 bis 2016 um knapp 50 Prozent auf 1480 Lehrkräfte – an den Realschulen waren es im gleichen Zeitraum sogar 69 Prozent. Lediglich an Gymnasien zeigt sich ein gegenteiliger Trend. Insgesamt waren 6957 Lehrkräfte in 2016 nur mit befristeten Verträgen angestellt – das sind 13 Prozent mehr als noch im Jahr 2012. Auch der Anteil der Lehrkräfte, die von befristeten Verträgen in die Verbeamtung wechseln, fällt im ganzen Zeitraum 2012 bis 2017 mit 26,1 Prozent recht spärlich aus. „Die Betroffenen leiden ganz erheblich unter der unsicheren Situation“, klagt die SPD-Abgeordnete Strohmayr. Sie kümmerten sich schließlich um unser wertvollstes Gut, unsere Kinder. (David Lohmann)

INFO: Der lange Weg zum digitalen Klassenzimmer
Auch im Bereich der Digitalisierung zeigen sich an Schulen die großen Probleme im Kleinen.

Laut einer vbw-Studie hat jede vierte Bildungseinrichtung in Bayern kein Medienkonzept. Jeder zweite Lehrer klagt über zu langsames Internet. Und die am häufigsten verwendete technische Innovation in den Klassenzimmern ist mit knapp 90 Prozent der gute alte Beamer. Über Tablets verfügen 17 Prozent der Klassen, auch Notebooks stehen nur in gut jedem dritten Raum. Technische Innovationen wie beispielsweise interaktive Tische werden lediglich in vier Prozent der Klassenzimmer bereitgestellt. Auch mangelt es an Unterstützung von technischen Fachkräften.

Das Kultusministerium hält dagegen, dass inzwischen bereits 77 Prozent der Schulen eine Internetverbindung von 16 MBit/s oder mehr nutzen – 2013 waren es nur 45 Prozent. Außerdem seien 44 000 Klassenzimmer mit Beamer oder einem Flachbildschirmen ausgestattet. 1064 Schulen haben laut Ministerium mobile Endgeräte, die Schüler im Unterricht nutzen können. Hinzu kommen 174 Tablet- oder Notebookklassen und 542 Schulen, die BYOD („Bring your own device“) erlauben. Damit ist gemeint, dass Schüler ihre eigenen Endgeräte im Unterricht nutzen dürfen.

Das Klassenzimmer der Zukunft besteht für die Staatsregierung neben flexiblen Tischformen, Pinnwänden und Tafeln aus einem Lehrerarbeitsplatz mit PC, Großbilddarstellung, Dokumentenkamera und Audiosystem sowie der Möglichkeit für Schüler, digitale Geräte wie Notebooks, Tablets und Smartphones zu nutzen. (loh)

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