Landtag

In Bayern wurde mit Rapsöl gepanschtes Olivenöl verkauft, fand das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit heraus. (Foto: dpa)

07.07.2017

"Wenn man was findet, sitzt man auf der Anklagebank"

Jahresbericht des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Behörde verteidigt sich

Listerien, Salmonellen, Hygienemängel: In jüngster Zeit gab es in Bayern viele Lebensmittelskandale. Der Präsident des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Andreas Zapf, wehrte sich in der gemeinsamen Sitzung des Gesundheits- und Verbraucherschutzausschusses aber dagegen, „geschlampt, geschludert und gezögert“ zu haben. Er kritisiert: „Man sitzt auf der Anklagebank, wenn man etwas findet.“ Wer hingegen nicht sucht, werde belohnt.

Zapft betonte, der Bereich der Lebensmittelsicherheit werde so hart diskutiert wie kein anderer. „Ich weiß nicht, ob das angemessen ist.“ Die Hauptgründe für Erkrankungen seien zu hoher Blutdruck, Zigarettenkonsum und ein erhöhter Body-Maß-Index. „Lebensmittelbezogene Risiken sind bei dieser Auswertung kaum noch erfassbar.“ Diese seien natürlich dennoch wichtig. „Lebensmittel haben aber ein hohes Maß an Sicherheit hier in Deutschland, hier in Bayern.“

6,4 Prozent aller Proben wurden beanstandet

Tatsächlich zeigt der Bericht für das Jahr 2016, dass von den 69 787 entnommenen Proben lediglich 6,4 beanstandet wurden – 2013 waren es noch 8,1 Prozent. Zapf berichtet von Mineralölen in Kartonverpackungen, Lebensmittelbetrug bei Haselnüssen und gepanschten Olivenölen. Bei Letzteren habe aber eine professionelle Fälscherbande in Italien ermittelt werden können. Als erfreulich bewertet der Präsident trotz 15 Mängeln auch die Ergebnisse der Überprüfung von Schlachthöfen. „Die Kontrollen wirken sich positiv aus.“ Für eine 100-prozentige Sicherheit sei vor Ort Videoüberwachung nötig. „Ob wir so etwas wollen, ist dann eine andere Frage.“

Zapf wies die Vorwürfe als „unfair“ zurück, beim Listerienskandal bei der Großmetzgerei Sieber den Listerienbefund zu spät an das Bundesinstitut für Risikobewertung geschickt zu haben. Der Grenzwert der gesundheitsgefährdenden Bakterien in den Proben wurde damals um das 5- bis 300-Fache überschritten, 78 Menschen erkrankten. „Das Anzüchten zur Reinkultur dauert nun mal“, erklärte der Präsident. Außerdem sei es schwierig, den Verursacher auszumachen – vor allem wenn die Angaben der Patienten sehr unspezifisch seien.

Weiter ist das LGL laut Zapf nicht dafür zuständig, die Öffentlichkeit über firmenbezogene Daten zu informieren. „Ich würde mir durchaus eine Rechtsgrundlage wünschen, wann wir etwas veröffentlichen dürfen.“ Gleichzeitig müsse man sich aber überlegen, ob das nötig sei: Erstens sei der Verwaltungsaufwand riesig, weil Firmen prozessierten. Zweitens seien die Mängel zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits beseitigt. „Es ist also eine reine Bestrafungsaktion. Wollen wir wirklich eine Prangerliste?“, fragte Zapf. Die Berichte über Kontrollen gebe es schon jetzt im Internet – nur eben ohne Firmennamen.

Positive Ergebnisse gab es laut Zapf auch beim Thema Antibiotikaresistenz. „Der Einsatz in der Landwirtschaft ist deutlich zurückgegangen“, unterstreicht der Präsident. Zukünftig will das LGL neue Untersuchungsmethoden beispielsweise für die Nanotechnologie etablieren. Darüber hinaus soll ein Forschungsprojekt untersuchen, wie sich Veränderungen bei UV-Strahlung, Temperatur und Pollen auf Infektionskrankheiten, Badeseen und die Innenraumluft auswirken.

Für Tanja Schorer-Dremel (CSU) zeigte der Bericht, dass sich das LGL den neuen Herausforderungen stellt. „Je mehr man untersucht, desto mehr findet man auch“, unterstrich sie in der Aussprache. Das sei eben der „Fluch“ von Ländern wie Bayern mit einem LGL. „Dabei sind gesundheitsbezogene Todesfälle drastisch zurückgegangen.“ Die Abgeordnete lobte auch die kontinuierlich rückläufige Beanstandungsquote.

Florian von Brunn (SPD) beklagte in der Aussprache, durch den Listerienfall seien acht Menschen gestorben, Fehl- und Todgeburten nicht mitgezählt. „Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der sauber produziert wird oder nicht?“, fragte der Abgeordnete. Er forderte uneingeschränkte Transparenz wie etwa in Dänemark oder Großbritannien. Um das verlorene Vertrauen wiederherzustellen, müssten außerdem die Laborkapazitäten im LGL erhöht und Verdachtsfälle schneller geprüft werden.

Benno Zierer (Freie Wähler) wünschte sich ebenfalls mehr Transparenz. Besonders die Problematik in Großbetrieben war dem Abgeordneten ein Anliegen. „Es gibt eine ganze Reihe von Großbäckereien, bei der man gravierende Verstöße nicht abstellen kann“, klagte er. Wenn es bei 25 Prozent gravierende Mängel gebe, sei das schon eine Menge. Hier gelte es, über neue Maßnahmen nachzudenken.

Zwar gebe es vielfältige Todesursachen, griff Rosi Steinberger (Grüne) Zapfs Eingangsstatement auf. „Aber der Staat hat eine Verantwortung, genau hinzuschauen, wo Versäumnisse sind.“ Außerdem beklagte die Abgeordnete eine falsche Schwerpunktsetzung bei den Untersuchungen: Statt Wein sollte Fleisch häufiger kontrolliert werden. Die Beanstandungen hätten sich mit 94 Fällen im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht. Auch sei zur Messung der Antibiotikaverwendung nicht die Tonnenangabe, sondern die Zahl der Tiere entscheidend. „In unseren Bächen“, schimpft die Abgeordnete, „schwimmen mehr antibiotikaresistente Bakterien als in Indien.“ (David Lohmann)

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