Leben in Bayern

Ansteckungsgefahr bei mangelnder Hygiene. Bis zu 30 Prozent der Erkältungen könnten mit Händewaschen vermieden werden. (Foto: dpa)

03.05.2018

Schluss mit Handschlag?

"Wasch dir die Hände." Wie oft haben die Eltern damit genervt, als wir klein waren. Aber sie hatten doch recht. Über die Hände werden Erreger weitergegeben - und es geht nicht nur um Schnupfen

Endlich - aus dem Wartezimmer vorgerückt zum Arzt. Doch der nimmt die ausgesteckte Hand nicht. Händeschütteln, so erklärte der Mediziner, sei besonders in Grippezeiten nicht angesagt.

Auch wer selbst erkältet ist und die Hand ausschlägt, verstößt heute nicht gegen die guten Sitten. Ärzte raten sogar zur "Hust - oder Nieshygiene": Man hustet und niest nicht mehr in die vorgehaltene Hand, sondern in die Ellenbeuge. Erreger werden aber nicht nur durch den Handschlag übertragen. Sie kleben an Türklinken, Telefonhörern, Tastaturen, Haltegriffen in Bussen - überall, wo Menschen hinfassen. Die Hände sind ein wesentlicher Übertragungsweg für Keime.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den 5.5. zum Welttag der Handhygiene ausgerufen. Das Datum symbolisiert zwei Mal fünf Finger des Menschen. Vor allem in Kliniken bleiben die Hände ein gefährlicher Übertragungsweg.

Rund 10 000 bis 15 000 Todesfälle gehen nach Schätzungen in Deutschland jährlich auf Krankenhausinfektionen zurück, die sich Patienten erst in der Klinik holen. "Ein Drittel wäre durch mehr Hygiene vermeidbar", sagt Petra Gastmeier, Leiterin des Nationalen Referenzzentrums (NRZ) für Surveillance von nosokomialen Infektionen.

Manche Ärzte schütteln Patienten gar nicht mehr die Hand

Zwar hätten sich die Hygienebedingungen erheblich verbessert. In drei von vier Fällen hielten Ärzte und Schwestern die Regeln ein, ergänzt die Hygieneärztin unter Verweis auf regelmäßige Qualitätskontrollen. Zugleich aber habe sich die Zahl der Eingriffe erhöht, nicht zuletzt durch minimalinvasive Methoden. Katheter, Infusionen und Beatmungsgeräte seien ebenfalls Einfallstor für Keime, wenn Ärzte oder Pfleger die Hände nicht genügend desinfiziert haben.

Zu den häufigsten Krankenhausinfektionen gehören Lungenentzündungen, Harnwegs- und Wundinfektionen sowie Sepsis, die in diesem Jahr im Mittelpunkt der Kampagne steht. Nach Angaben der Sepsis Stiftung sterben jährlich 70 000 Menschen in Deutschland an Blutvergiftung.

Schuld seien hier oft nicht einmal fremde Keime aus der Umgebung, sagt Hygieneexpertin Gastmeier, die an der Charité in Berlin arbeitet. "Wir haben in unserem Körper zwei Kilo Bakterien, im Darm und auf der Haut. In dem Moment, in dem das Immunsystem geschwächt ist, können sie sich ausbreiten." Je länger beispielsweise ein Katheter liege, desto höher sei das Risiko dafür.

Die vom NRZ mitgetragene nationale Kampagne "Aktion Saubere Hände" setzt sich seit zehn Jahren für eine bessere Einhaltung der Hygieneregeln in Gesundheitseinrichtungen ein, wendet sich aber auch an die Öffentlichkeit. "Unser Ziel ist es, die Aufmerksamkeit für das Thema zu steigern", sagt Gastmeier.

20 bis 30 Prozent der Erkältungs- und
Durchfallerkrankungen könnten vermieden werden

Denn nicht nur in Kliniken kann Hygiene Infektionen verhindern. Gastmeier schätzt, dass 20 bis 30 Prozent der Erkältungs- und Durchfallerkrankungen so vermieden werden könnten. Mehrere Studien gerade in Kindergärten hätten gezeigt, dass die Kleinen deutlich weniger krank seien, wenn frühzeitig aufs Händewaschen vor dem Essen und nach dem Toilettengang geachtet werde. Bei Grippe ersetze die Handhygiene nicht die Impfung, sei aber eine wichtige Ergänzung.

In manchen Kliniken schütteln Ärzte nicht mehr immer die Hand. "In der Schön Klinik verzichten wir auf unnötiges Händeschütteln wie bei Begrüßung oder Visite", sagt Sprecher Hartmut Kistenfeger. Dies sei neben der Hygiene ein zusätzlicher Baustein. Die Versorgung der Patienten erfordere aber weiter Handkontakte; die Hand gereicht werde auch, wenn Patienten besondere Fürsorge und Zuwendung benötigten.

"In bestimmten Situationen kann es sinnvoll sein, auf das Händeschütteln zu verzichten", sagt auch der Leiter der Stabstelle Krankenhaushygiene am Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München, Friedemann Gebhardt. Ansonsten gelte: "Man kann durchaus Hände schütteln." Auch im Krankenhaus. Ein gesellschaftliches Ende des Händedrucks sehen die Experten nicht.

Studien zeigen Gebhardt zufolge den Erfolg der langjährigen Hygienemaßnahmen. An die 50 Mal am Tag müssen Ärzte und Schwestern zur Desinfektion greifen, schätzt er. In einigen Fällen sind besondere Mittel nötig, in anderen müssen die Ärzte zusätzlich Seife nutzen. 30 Sekunden soll die Desinfektion einwirken - in der Hektik des Klinikalltags oder bei Notfällen kann das eine lange Zeit sein.

Viele Erreger lauern auch im Haushalt - ohne Kontakt nach außen oder zu kranken Menschen. Keime, die auf fast allen Lebensmitteln zu finden sind, können zum Auslöser von Durchfall, Erbrechen und Fieber werden. Auf Salat können Coli-Bakterien sitzen, Salmonellen drohen bei Eiern; teils multiresistente Keime wurden vor allem an rohem Geflügelfleisch entdeckt, obwohl in den Ställen weniger Antibiotika verfüttert werden als früher. Deshalb heißt es sogar in der heimischen Küche: Hände waschen. Nicht nur vor dem Essen, wie die Eltern immer mahnten. Sondern, so rät Gastmeier, schon beim Kochen und Schnipseln - und sogar zwischen den Schritten der Küchenarbeit.
(Sabine Dobel, dpa)

Kommentare (7)

  1. Bernd am 03.05.2018
    ... ich glaube dass das Immunsystem der Menschen durch die Vielzahl von Medikamente viel schwächer ist, wie vor 50 Jahren. Um dieses wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sollte man sicher öfters die Hände desinfizieren. Daher ist es angebracht, dass am Arbeitsplatz ein Spender zu finden sein sollte. Nach dem Einkauf im Supermarkt sollte man selbiges tun. Anregung für die Supermärkte: Einen Spender im Ausgangsbereich anbringen, und natürlich die Befüllung immer kontrollieren.
  2. Sonnenblume am 03.05.2018
    Einem Schneemann würde ich auch nicht die Hand schütteln!
  3. jay am 03.05.2018
    habe 30 jahre im Außendienst bei Ärzten/ Krankenhäusern gearbeitet. Seit 3 jahren hab ich aufgehört.
    Fakt: während der 30 jahre hatte ich kaum einen grippalen infekt. Seit 3 jahren jedoch bin ich häufiger mit solchen infektionen im Gange, oft auch hartnäckige Fälle.
    Soll heißen: mein Immunsystem war definitiv in meinen Arbeitsjahren trainierter. Ich werde diesen ganzen Desinfektions-Hype nicht mitmachen. okay, hände nicht schütteln im fall einer Erkrankung natürlich ausgenommen....
  4. Schneemann am 03.05.2018
    Auweia, wenn ich diese Kommentare lese...
    Kondome? Braucht kein Mensch, muss man schon mal abkönnen, so eine Infektion. Früher gings ja auch ohne.
    Ich schüttle auch kaum Hände und es geht mir gut, keine großartigen Infektionen, eine Grippe hatte ich noch nie und selbst aus dem Kindergarten meiner Kinder schleppt mit dieser Angewohnheit seit 3 Jahren niemand irgendwas mit nach Hause.
    Das Abendland wird auch ohne diese 'letzte gute Sitte' nicht untergehen...
  5. dentix07 am 03.05.2018
    @ Fassungslos In der Medizin gibt es den Begriff der "stillen Feiung", was bezeichnet das Ärzte weniger häufig erkranken weil ihr Immunsystem durch den ständigen Kontakt mit Keimen gut "trainiert" wird. Insofern also keineswegs ein Grund den Handschlag zu verweigern. (Man kann auch sagen: Der macht den Kohl dann auch nicht fett!!)
    Im Übrigen gibt es leider auch die Erfahrung, daß bevorzugt alte Menschen nach einem (längeren) Krankenhausaufenthalt (z.B. nach Brüchen) sich dann Zuhause eine Lungenentzündung einfangen und (zu häufig) daran versterben. Hintergrund: Die - im Vergleich zu Zuhause - weitgehende Keimreduktion im Krankenhaus läßt das Immunsystem schlapp machen und bei der Rückkehr in die eigentlich vertrauten vier Wände mit den eigentlich gewohnten Keimen, wird das Immunsystem mit genau diesen Keimen plötzlich nicht mehr fertig!
    Das ist kein Plädoyer für weniger Hygiene, aber eines für maßvollen und weiterdenkenden Umgang damit!
  6. dentix07 am 03.05.2018
    Gerade gestern abend lief ein Beitrag im TV (OK, ging eigentlich um Ashtma, aber Problematik gleicht sich) in dem genau die "überbordende" Hygiene als Grund für mehr Infektionen ausgemacht wurde, denn die durch Desinfektion vernichteten Keime sind zwar weg (die häufig auch noch die eigenlich "guten" sind) aber die die überleben können sich umso besser ausbreiten und sind häufig auch die "bösen" Keime! Außerdem braucht auch unser Immunsystem "Training"! Bei Unauslastung wird es träge! Und last, but not least, wir sind auf diesem Planeten, mit seinem gesamten Keimspektrum, entstanden und unsere Art hat üeberlebt! Wir scheinen also "von Haus aus" garnicht so schlecht für die Auseinandersetzung mit Keimen etc. ausgestattet zu sein!
    Hygiene okay, bei offenen Wunden, OPs, geschwächtem Immunssystem, ... aber auch nicht übertreiben. Auch hier gilt Paracelsus: Die Menge macht ....!"
  7. Fassungslos am 03.05.2018
    Also nun soll nach der krankhaft veganen Welle auch noch die letzte gute Sitte in Deutschland verschwinden? Niemals! Ärzte können dies wohl aus gutem Grund verweigern, weil sich schließlich Patienten mit Grippe etc. bei ihm aufhalten und versorgt werden. Ansonsten muss man mal einen Schnupfen in Kauf nehmen, wie es seit Jahrhunderten üblich ist...
Die Frage der Woche

Ist das geplante Demokratiefördergesetz sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.