Politik

Fränkische Fahne vor strahlend blauem Himmerl. (Foto: dpa)

23.04.2018

100 Jahre Freistaat: Frankens Verlierertrauma

Auch das Ende des Königreichs Bayern und die Gründung der Republik vor 100 Jahren änderte nichts daran: Das Benachteiligungstrauma vieler Franken gegenüber München hat auch die Freistaat-Gründung überdauert - völlig grundlos, wie die CSU-Staatsregierung findet

Den Traum vom Bundesland Franken hat Joachim Kalb schon länger aufgegeben - jedenfalls für die nächste Zeit. Für die Anerkennung Frankens als Region mit eigener Kultur und Geschichte kämpft der Vorsitzende des Fränkischen Bundes aber unverdrossen weiter. Dafür legen er und seine Mitstreiter sich schon mal mit dem Bayerischen Rundfunk an, streiten mit regierungsnahen Tourismusmachern und Wirtschaftsförderern - und liegen im Dauerclinch mit der Staatsregierung. "Viele Franken", so ist er überzeugt, hätten, was den Umgang der "Münchner Zentralregierung" mit Franken angeht, "die geballte Faust in der Tasche".

Auch wenn die Stimme des Fränkischen Bundes gelegentlich etwas schrill rüberkommt - 100 Jahre nach der Ausrufung der Republik kann von einer kulturellen Integration Frankens in den Freistaat keine Rede sein. Denn wenn die Franken etwas eint, dann ist es nach Einschätzung des emeritierten Nürnberger Volkskundlers Hartmut Heller "der Trotz gegen München", wie er in einem Beitrag zur Landesausstellung "200 Jahre Franken in Bayern" 2006 schrieb. Die Franken litten bis heute unter jenem "gemeinsamen Verlierer- und Benachteiligungstrauma, das die nie verziehene Annexion Frankens durch das Königreich Bayern hinterließ".

Auch mit dem Abdanken des Hauses Wittelsbach im Jahr 1918 schienen solche Ressentiments nie ganz zu verschwinden, obgleich die Gründung des Freistaats nach Kalbs Einschätzung zeitweise die Chance für ein eigenständiges, von Altbayern losgelöstes Franken bot. Das hatte sich, wie Historiker berichten, in den Anfangstagen der Weimarer Republik nämlich deutlich stärker nach Berlin als nach München orientiert. Denn als eigener Volksstamm, der mit dem Reichskreis Franken jahrhundertelang eine territoriale Einheit bildete, war die Verbundenheit der Franken mit den Altbayern nie sehr ausgeprägt.

Leugnung der vorhandenen Interessensgegensätze

Die Ressentiments heutiger Prägung gegenüber der Münchner Regierung sind nach Kalbs Einschätzung allerdings eher ein neueres Phänomen. Das habe viel mit der "Entwicklung Bayerns zum Zentralstaat" in der Nachkriegszeit zu tun. "Die CSU-Staatsregierung propagiert auf Bundesebene den Föderalismus, im Land selbst lässt sie dagegen keine föderalen Strukturen zu." Die Interessen der Landeshauptstadt München würden mit den Interessen von ganz Bayern gleichgesetzt - "und der Wohlstand planvoll vom Norden in den Süden verlagert". Allein, dass man ein aus Altbayern, Schwaben und Franken bestehendes Flächenland, "Bayern" nenne, sei eine Leugnung der vorhandenen Interessensgegensätze.

Bei der Staatsregierung stoßen solche Einschätzungen auf Unverständnis. Und was die angebliche Benachteiligung gegenüber Oberbayern mit dem Großraum München angeht, verweist man im Münchner Finanzministerium auf die 600 Millionen Euro umfassende Nordbayern-Initiative, mit der "Leuchtturmprojekte aus Wissenschaft, Kunst und Kultur" gefördert würden. Die Initiative umfasst mehr als 50 Projekte in Franken und der Oberpfalz - darunter die Einrichtung eines Helmholtz-Instituts für erneuerbare Energien in Erlangen, die Forschungsstelle für "Car-Infotainment" in Hof sowie die Sanierung mehrerer Burgen, Schlösser und Residenzen. Allerdings ist die gleiche Summe auch in das wohlhabendere Südbayern geflossen.

Zudem verweist man bei der Staatsregierung auf die zahlreichen Behördenverlagerungen in den Norden des Landes - etwa des Statistischen Landesamtes nach Fürth und Teile des Gesundheitsministeriums nach Nürnberg, wo auch das Heimatministerium seit einigen Jahren seinen Sitz hat. Nachdem Nürnberg nun auch noch eine schicke Außenstelle des Deutschen Museums erhält, wächst bereits die Zahl der Münchner Mahner. Dort zeigt sich mancher schon besorgt, der aus Nürnberg stammende Ministerpräsident Markus Söder (CSU) könnte bei der Nordbayern-Förderung vielleicht den Bogen überspannen. So hatte unlängst der frühere Kunstminister Thomas Goppel (CSU) in einem Zeitungsinterview gewarnt: "Wir brauchen keine zweite Hauptstadt Bayerns."
(Klaus Tscharnke, dpa)

Kommentare (1)

  1. Miiich am 04.05.2018
    Was der "Fränkische Bund" gerne vergisst ist, dass der oftmals zitierte Fränkische Reichskreis kein gewachsenes und vorallem kein homogenes staatliches Gebilde war, sondern neben den 3 großen Fürstbistümern Würzburg, Bamberg und Eichstätt in dutztende eigenständige Herrschaften zerfallen war.
    "Franken" als einheitliches Gebiet entstand erst wieder nach dem Reichsdeputationshauptschluss und unter Ludwig I, in Form der heutigen Regierungsbezirke.
    Ja es stimmt: Unter Napoleon und auf dem Wiener Kongress wurden die Fürstbistüner säkularisiert, und zusammen mit den vielen kleinen Herrschaften Pfalz-Bayern (u.a. als Ersatz für die an Napoleon und Österreich verlorenen Gebiete) zugeschlagen. Aber "Franken" selbst konnte nicht okkupiert und verschachert, da es das eigene Herzogtum schon seit dem Mittelalter gar nicht mehr gab.
    Selbst der Fränkische Rechen als Symbol, wurde erst durch Ludwig I wiederbelebt.
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.