Politik

Asylbewerber, hier in Ostdeutschland. Künftig wird es einfacher, sie zur Arbeit zu verpflichten. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

22.03.2024

Arbeitspflicht, wieso nicht?

Auch in Bayerns Kommunen will man Geflüchtete notfalls per Zwang einsetzen

Der Plan eines Thüringer Landrats, Asylbewerber*innen zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Dabei wird im Landkreis Traunstein schon seit Jahren so verfahren. Schließlich sieht das Asylbewerberleistungsgesetz schon lange eine solche Arbeitspflicht für 80 Cent pro Stunde vor – auch unter Androhung von Leistungskürzungen für alle, die nicht kooperieren wollen. Doch die meisten Kommunen machten davon keinen Gebrauch, denn die Hürden waren hoch. Eine Gesetzesänderung der Ampel-Koalition gewährt den Kommunen nun größeren Handlungsspielraum. Und so nimmt das Interesse an der Arbeitspflicht zu, auch wenn es beispielsweise vom Bayerischen Landkreistag Kritik gibt.

Bisher mussten die Kommunen nachweisen, dass die infrage kommende Arbeit sonst nicht verrichtet würde – um zu verhindern, dass reguläre Stellen wegfallen. Das Reinigen der Asylunterkünfte oder das Aufsammeln von Müll in der jeweiligen Gemeinde waren so zum Beispiel erlaubt. Mit der Änderung des Ampel-Gesetzes zum 27. Februar gilt nur noch, dass die Tätigkeit – in der Regel 20 Stunden pro Woche – gemeinnützig sein muss. So sind beispielsweise auch Reparaturen oder andere Hilfsdienste bei Vereinen oder gemeinnützigen Trägern möglich.

Rund 127.700 Personen leben derzeit laut Innenministerium in den bayerischen Asylunterkünften. Etwa 60.000 davon sind mindestens 21 Jahre alt und kommen so potenziell für eine gemeinnützige Tätigkeit infrage, vorausgesetzt, sie sind arbeitsfähig und arbeiten nicht schon woanders oder sind bereits in einer Ausbildung.

Es gibt keine Statistik

In wie vielen bayerischen Kommunen in welchem Umfang bereits gemeinnützig gearbeitet wird, dazu gibt es keine Statistik. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte allerdings nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung die Kommunen ausdrücklich dazu auf, weitere Arbeitsgelegenheiten zu schaffen. Das Innenministerium verweist auf die sinnstiftende und strukturierende Funktion der Arbeit für Geflüchtete. Und darauf, dass in der Bevölkerung so auch die Akzeptanz der Geflüchteten wächst.

Das sieht man auch im Landkreis Traunstein so. Seit 2015 verrichten Asylbewerber*innen dort gemeinnützige Arbeit. 84 sind es laut Landratsamt aktuell, nur wenige wurden übrigens dazu zwangsverpflichtet. Mit dem Rückenwind der Gesetzesänderung soll die Zahl der Tätigkeiten deutlich erhöht werden, kündigt Landrat Siegfried Walch (CSU) an. „Jeder, der in einer Unterkunft lebt und arbeitsfähig ist, soll sich zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten.“ Dafür wurden die Gemeinden und die Träger um Vorschläge für weitere Jobs gebeten. Zunächst sollen alle in Gemeinschaftsunterkünften Lebenden, die dafür geeignet sind, zur Arbeit herangezogen werden, später will der Landrat es auf die dezentralen Unterkünfte ausdehnen.

Der Bayerische Landkreistag warnt vor einem neuen Pull-Faktor

Auch im von Landrat Albert Gürtner (Freie Wähler) geleiteten Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm will man die Arbeitspflicht umsetzen, wie der Landrat Anfang März bekannt gab. In Gerolsbach, einer kleinen Gemeinde des Landkreises, wird die Arbeitspflicht schon längst praktiziert, andere sollen bald folgen. Auch in weiteren Landkreisen gibt es bereits Pläne für die Umsetzung.

Skeptisch zeigt sich dagegen der Bayerische Landkreistag. „Was sich in der Theorie toll anhört und absolut begrüßenswert ist, ist in der Praxis bei der Umsetzung weiterhin mit einem sehr großen Aufwand verbunden“, erklärt eine Sprecherin. Die Arbeitskräfte müssten ja auch angeleitet werden, was aufgrund der Sprachbarrieren nicht so einfach sei. Die Kommunen hätten zudem schon mit der Unterbringung der gerade wieder vermehrt ankommenden Flüchtlinge viel zu tun. Die Unterkünfte seien jetzt schon voll. Die Politik solle sich vor allem darauf konzentrieren, dass die Ausweisung nach abgelehnten Asylverfahren schnell umgesetzt wird und weniger Geflüchtete ins Land kommen.

Die Ausweitung der Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber*innen könne das aber konterkarieren, befürchtet der Landkreistag. Denn eigentlich gilt in den ersten drei Monaten des Asylverfahrens eine absolute Sperre. „Die Aussicht auf einen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ohne die regulären Verfahren zu durchlaufen, ist aus unserer Sicht ein immenser Pull-Faktor“, warnt die Sprecherin.
(Thorsten Stark)

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