Politik

Zeit, dass sich was dreht: In Bayern sind die Grünen die kleinste Kraft im Landtag. (Foto: dpa)

27.05.2016

Auf der Suche nach Erfolgsbringern

In Baden-Württemberg regiert ein grüner Regierungschef, in Bayern kommt die Ökopartei nicht weiter – woran liegt’s?

Fürs Klonen waren die Grünen noch nie. Natürlich hat es auch den bayerischen Landesverband in Hochstimmung versetzt, wie in Baden-Württemberg der Grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann souverän seinen Posten verteidigte und wie jetzt in Österreich der grün sozialisierte Alexander Van der Bellen per Direktwahl Bundespräsident wurde. Müsste man da nicht ans Reagenzglas und sich einen Zweit-Kretschmann oder Zweit-Van-der-Bellen in den Freistaat holen? Als Gedankenspiel mag das prickelnd sein, doch für praxistauglich hält Grünen-Landeschef Eike Hallitzky das Modell unabhängig von der grünen Klon-Aversion nicht: „Wir können keine Personen abkupfern, und einen amtierenden Ministerpräsidenten können wir schon gar nicht kopieren.“

Spannender als das Wer findet Hallitzky ohnehin das Wie. „Kretschmann und Van der Bellen bestätigen uns darin, klare Positionen zu beziehen. Wer klare Haltung zeigt, der gewinnt, wer laviert, stürzt ab“, sagt Hallitzky. „Weil Parteibindungen abnehmen, müssen wir in einer unübersichtlicher werdenden Parteienlandschaft erkennbar bleiben.“ Die Grünen müssten sich abheben von der „Laviererei der anderen“.

Für Hallitzky bedeutet das, den grünen Markenkern in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz zu pflegen und mit klaren Botschaften wie dem Verteidigen einer offenen europäischen Gesellschaft vor die Bürger zu treten. So sieht das auch Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann: „Wir müssen unseren Kurs halten und zu unseren Überzeugungen stehen.“

Das Wort "Premiumopposition" will niemand mehr in den Mund nehmen

Nach seiner Einschätzung stehen die Grünen in Bayern ohnehin gerade „gut da“. Das Wort „Premium-Opposition“, das seine Mitvorsitzende Margarete Bause 2009 geprägt hatte, will indes niemand mehr in den Mund nehmen. Die laut Hartmann „enttäuschende Landtagswahl 2013“, die die Grünen zur kleinsten Kraft im Maximilianeum machte, hat die Partei Demut gelehrt. Hartmann ist ohnehin Realpolitiker. Sein Erfolgsrezept: „Ideen und Wirklichkeit zusammenbringen.“ Als Beispiel nennt er die Flüchtlingsintegration, in der grüne Forderungen nach möglichst früher Teilhabe Eingang in die Regierungspolitik der CSU gefunden hätten. Zudem verweist Hartmann auf den Plan, das Kernkraftwerk Gundremmingen schon heuer abschalten zu können oder die Arbeit daran, der Energiewende in Bayern trotz des 10H-Urteils des Verfassungsgerichtshofs zum Erfolg zu verhelfen. „Wir wollen nicht nur Probleme benennen oder uns an der CSU abarbeiten, wir wollen praktikable Lösungen aufzeigen“, betont Hartmann.

Mit Hallitzky ist sich Hartmann einig, dass die beste Sachpolitik ohne Personen, die sie glaubwürdig vertreten können, nicht weiterhilft. „Wenn Themen immer komplexer werden, dann braucht man Leute, die für diese Themen stehen und sie erklären können“, sagt Hartmann. Deshalb hätte er nichts dagegen, wenn die Parteispitze die „professionelle Personalisierung“ der Grünen vorantriebe. Während er mit dieser Idee in Teilen der Parteibasis womöglich Hautausschlag auslöst, rennt Hartmann bei Hallitzky damit offene Türen ein. „Die zunehmende Personalisierung in der Politik lässt es gar nicht zu, sich nicht Gedanken über eine Spitzenkandidatur zu machen“, formuliert Hallitzky mit Blick auf die Landtagswahl 2018 und schiebt nach: „Es wird bei uns eine Spitzenkandidatur geben!“ Ob eine einzelne Person oder eine Doppelspitze, das sei noch offen. Geklärt werden soll die Personalie nach seinen Vorstellungen per Urwahl.

Wer wird Spitzenkandidat? Bause sucht ihr Glück in Berlin

Doch woher nehmen und nicht klonen? Der Ur-Grüne Sepp Daxenberger ist viel zu früh gestorben, die frühere Landeschefin Theresa Schopper hat ihr Glück als Staatssekretärin bei Kretschmann in Baden-Württemberg gefunden, und die Spitzenkandidatin von 2013, Margarete Bause, will das ihre nach der Bundestagswahl in Berlin suchen. Hallitzky orakelt von „vier oder fünf Favoriten“, ohne Namen zu nennen. Von Amts wegen zählt er wohl selbst dazu, genauso wie seine – allerdings kaum in Erscheinung tretende – Ko-Vorsitzende Sigi Hagl und der ehrgeizige Hartmann. Nummer 4 und 5 könnten die der Landespolitik müde Bause und der landespolitisch kaum verwurzelte Chef der Bundestagsfraktion, Toni Hofreiter, sein.

Und sonst? In der Landtagsfraktion drängt sich derzeit als Einzige die frühere Münchner Grünen-Chefin Katharina Schulze auf. In ihrer ebenso frechen und direkten wie unbeirrbaren Art erinnert die 30-Jährige an die junge Bause, die es in ihren politischen Anfängen schaffte, den CSU-Säulenheiligen Franz Josef Strauß zur Weißglut zu treiben. Ambitionen werden zudem der Haushaltspolitikerin Claudia Stamm nachgesagt, dafür aber weniger Chancen auf den großen Durchbruch – zumindest in der Fraktion. Auf Parteiebene könnte es anders aussehen, denn Stamm gilt als konsequent basisnah. In der Landtagsfraktion haben es einige Neulinge geschafft, sich als profunde Sachpolitiker in ihren Themengebieten Gehör zu verschaffen. Da ist der für Energiefragen zuständige Martin Stümpfig, die sich im Verbraucherschutz profilierende Rosi Steinberger oder der sich um Landesentwicklungsfragen kümmernde Markus Ganserer. Ihnen fehlt aber wohl der Drive nach ganz oben.

Noch haben die Grünen Zeit für die Entscheidungsfindung, denn bei der CSU ist die Kronprinzenfrage auf Geheiß des Chefs vorerst „auf Eis gelegt“, und bei der SPD besteht der Eindruck, man wolle sich die Frage nach der Spitzenkandidatur am liebsten überhaupt nicht stellen. Für die Grünen weiß Hallitzky nur eines: „Wir werden unseren Wahlkampf auf die Persönlichkeit unseres oder unserer Spitzenkandidaten abstellen.“ (Jürgen Umlauft)

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