Politik

So könnte eine Batteriezellenfabrik im Bayerischen Wald aussehen. Doch die Autobauer scheuen die Kosten. (Foto: dpa/Montage BSZ)

28.07.2017

Bayern verschläft die E-Mobilität

Batteriezellen für E-Autos werden fast ausschließlich in Asien produziert – das könnte für den Freistaat bittere Folgen haben

Ist der Automobilstandort Bayern in Gefahr? Zumindest die IG Metall im Freistaat macht sich große Sorgen. „E-Mobilität und Brennstoffzellen werden langfristig den Verbrennungsmotor ablösen“, sagt IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler. Will man die über 400.000 Arbeitsplätze, die direkt und indirekt am Autobau hängen, auch nur annähernd halten, müsse Bayern bei der E-Mobilität in eine Führungsposition kommen. „Und das geht nur mit einer eigenen Batteriezellenfertigung“, erklärt Wechsler. Ansonsten seien die bayerischen Autobauer stets abhängig von Zulieferern.

Doch derzeit ist die alles entscheidende Kompetenz zur Entwicklung und Produktion von Batteriezellen fast ausschließlich in Asien zu finden. Auch die Batteriefabrik des amerikanischen E-Autoherstellers Tesla basiert auf asiatischen Zellen. Professor Gerhard Sextl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC in Würzburg, erklärt der Staatszeitung: „Klassische Baugruppen im Automobil, bei denen bayerische Unternehmen involviert sind, fallen sukzessive weg.“ Die Folge: Asiatische Zellproduzenten sind im Aufwind.

Autobauer scheuen das Investment

Das Problem: Die Autobauer scheuen das Investment von rund fünf Milliarden Euro, die eine Batteriezellenfabrik kosten würde. Da nützt es auch nicht viel, dass CDU und CSU in ihr gemeinsames Wahlprogramm für die Bundestagswahl geschrieben haben: „Deutschland soll wieder Standort für eine Batteriezellproduktion werden.“ Das bayerische Wirtschaftsministerium betont jedenfalls, dies sei eine wirtschaftliche Entscheidung, die von den Unternehmen selbst zu treffen sei. „Hierbei sind auch die bereits vorhandenen Überkapazitäten in der Produktion, vor allem in Japan und Korea, zu berücksichtigen“, so ein Ministeriumssprecher. Dennoch hat das Ministerium einen Dialog mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften ins Leben gerufen, um die Speichertechnologie voranzubringen. „Wir wollen jetzt die Weichen stellen, um bei den Batteriezellen der nächsten Generation als relevanter Akteur dabei zu sein“, erklärt der Sprecher. Sextl vom Fraunhofer-Institut empfiehlt „dringend die Entwicklung und den Aufbau einer wirtschaftlich nachhaltigen Produktion von Batteriezellen auf Basis von Festkörper-Lithium-Ionen-Technologien“. Derartige Zellen zeichneten sich durch eine deutlich höhere Speicherdichte gegenüber den heutigen Lithium-Ionen-Zellen aus. „Damit sollte sich die Reichweite von Elektromobilen zumindest verdoppeln lassen“, so Sextl. „Es wäre höchst fahrlässig, eine derartige Zellfertigung nicht in Deutschland, vorzugsweise im Freistaat, aufzubauen, gerade weil bayerische Firmen alle Kompetenzen haben, um dies zu realisieren.“

Mercedes ist schon einen Schritt weiter

Doch die Autobauer setzen weiterhin auf Zulieferer. Audi zum Beispiel bezieht seine Zellmodule von LG und Samsung SDI, so ein Sprecher. Der Ingolstädter Konzern wird 2018 die Fertigung des Audi e-tron, ein elektrisch angetriebener SUV, im Audi-Werk Brüssel starten, als Derivat folgt dort 2019 der e-tron Sportback. Selbst klassische Batteriehersteller wie das baden-württembergische Unternehmen Varta, das auch im bayerischen Nördlingen ein Werk hat, scheinen wenig Interesse an der Batterieherstellung für E-Autos zu haben. Man konzentriere sich auf die Märkte für Mikrobatterien und Energiespeicher, sagt eine Unternehmenssprecherin. Aus Branchenkreisen ist zu hören, dass Varta sich mit der bayerischen Staatsregierung überworfen habe. Die Gründe sind nicht bekannt.

Einzig der Stuttgarter Autobauer Mercedes ist schon einen Schritt weiter. Im sächsischen Kamenz wurde Ende Mai der Grundstein für eine der größten und modernsten Batteriefabriken der Welt gelegt. Dort werden ab Mitte 2018 Zellen zusammengefügt. Allerdings: Auch diese kommen dann nicht aus Deutschland, sondern werden importiert, kritisieren Sextl und IG Metall.

Wenn die bayerische Staatsregierung also nicht bald Druck macht, könnte dieses strategisch entscheidende Thema an Bayern vorbeilaufen.
(Ralph Schweinfurth)

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