Der Plastikmüll in den Weltmeeren wird täglich mehr, und keiner tut etwas dagegen – so scheint es. Der Anteil an Plastikverpackungen gerade bei Lebensmitteln steigt permanent. Allerdings versucht der Handel durchaus, gegenzusteuern: „Hier geht es um Image und Kosten“, sagt Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern (HBE), der Staatszeitung. So sei der Plastiktütenverbrauch bundesweit von 2015 auf 2016 von jährlich 68 Stück pro Person auf 45 Stück gesunken.
Doch ausreichend ist das natürlich noch nicht. Und Plastik- durch Papiertüten zu ersetzen ist auch nicht die Lösung. Denn bei deren Herstellung wird sehr viel Wasser verbraucht, was die Ökobilanz noch viel schlechter macht.
Entscheidend ist, dass der Handel die Verpackungsvermeidung forciert. Bereits Anfang 2017 haben die Supermarktketten Rewe und Penny begonnen, Obst und Gemüse mit einem Laserlogo zu kennzeichnen, das in die Schale „graviert“ wird. Statt die Ware in Folie einzuschweißen.
Eine weitere Variante der Verpackungsvermeidung sind verpackungsfreie Supermärkte. Doch das hat Tücken. Wenn jeder seine Tupperdose an die Frischetheke mitbringt, ist das hygienetechnisch nicht unbedenklich. Der nachfolgende Kunde könnte sich im schlimmsten Fall mit Bakterien anstecken.
Für Professor Michael Braungart von der Erasmus-Universität Rotterdam, der seit vielen Jahren zu Stoffströmen und Ökodesign forscht, sind verpackungsfreie Supermärkte bloßer Aktionismus. Er verteufelt Plastik nicht, sondern fordert vielmehr, die vielen Zusatzstoffe aus dem Plastik herauszunehmen. „Das Plastik muss reiner werden“, ist sein Credo. Dann könne es leichter recycelt werden.
Müllvermeidung: Darüber wird viel zu wenig geforscht
Außerdem gibt es laut Braungart gute Alternativen zu Plastik. So sei Ecoflex ein biologisch komplett abbaubarer Kunststoff. Auch Nylon wäre eine Option, da dieses Material unendlich oft wiederverwertbar ist und keine Gerüche annimmt. Zwar ist Nylon 80 Prozent teurer, könne aber zum Beispiel zu Teppichböden upgecycelt werden.
Das Fair-Trade-Unternehmen Gepa aus Wuppertal nutzt solche neuen Kunststoffe bereits. Die Folie, in die Gepa seine Tafelschokoladen und Schokoriegel packt, besteht zu über 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen, die biologisch abbau- und kompostierbar sind.
Bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sieht man die Begeisterung für recycelbare Verpackungen jedoch kritisch. „Die Schadstofffreiheit und Recyclingfähigkeit von Verpackungen sind sehr wichtige Faktoren, fokussieren aber zu sehr auf das Recycling“, sagt Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft und Abfallpolitik bei der DUH. Besser sei es, erst gar keine Verpackungen herzustellen.
Das sieht auch Bayerns Umweltminister Marcel Huber (CSU) so: „Der beste Müll ist der, der gar nicht entsteht. Jedes Plastikteilchen in der Umwelt ist eines zu viel.“
Nur: Wie macht man das?
Die Mehrwegquote ist zuletzt deutlich gesunken
Die Politik muss sich dieses Themas viel stärker annehmen. Zwar hat der Bund 2017 lange mit den Ländern über ein Gesetz verhandelt, das die alte Verpackungsverordnung zu Jahresbeginn 2019 ablösen wird. Doch die dort vorgesehenen Ziele reichen nicht aus. So sollen die Recyclingquoten bis 2022 steigen: bei Kunststoffverpackungen von derzeit 36 auf 63 Prozent, bei Metallen von heute 60 auf 90 Prozent. Und die Mehrwegquote im Getränkebereich soll wieder steigen. Sie sank 2015 unter 44 Prozent, obwohl sie 2004 schon bei rund 66 Prozent lag. Ziel sind jetzt 70 Prozent, allerdings ohne Sanktionsmaßnahmen, falls die Marke nicht erreicht wird.
Vor allem muss die Politik die Forschung im Bereich alternative Verpackungen vorantreiben. Zwar fertigt derzeit das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising gemeinsam mit dem Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg und der narocon Innovationsberatung in Berlin eine Studie zu biobasierten Kunststoffen als Verpackung von Lebensmitteln an.Und im Oktober 2017 haben Wissenschaftler von drei Hochschulen in Nordrhein-Westfalen ein Forschungsprojekt gestartet, um dem schädlichen Verpackungsmüll den Kampf anzusagen.
Damit der Müllberg weniger wird (jeder der rund 82 Millionen Deutschen produziert im Jahr ungefähr 37,4 Kilogramm Verpackungsmüll), muss noch viel mehr geschehen. Zum Beispiel muss ein Plan her, wie der Nachwuchsmangel bei Kunststoffchemikern, die solche innovativen Verpackungen entwickeln, behoben werden kann.
(Ralph Schweinfurth)
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