Politik

Warum sind Einbrecher so schwer fassen? Politiker und Praktiker sprechen von reisenden, straff organisierten Tätergruppen vor allem aus Osteuropa. (Foto: dpa)

24.06.2016

Diebe werden nur selten erwischt

Immer mehr Wohnungseinbrüche: Helfen könnten stärker gesicherte Türen und Fenster, doch die sind teuer

Drei Punkte auf der Landkarte vom Großraum Augsburg. Gelb, rot, grün leuchten die Marker. Sie stehen für je einen versuchten, einen verübten und einen aufgeklärten Einbruch um die bayerische Schwaben-Metropole. Auf dem „Augsburger Einbruchsradar“ war relativ wenig los die letzten Tage. In der Woche vorher finden sich 16 Marker auf der Karte, davor waren es 17. Und die wenigsten Punkte sind grün für „aufgeklärt“.

Die Online-Ausgabe der Lokalzeitung setzt auf dem „Einbruchsradar“ die Meldungen der örtlichen Polizei um. Die Ortsangaben sind aus Datenschutzgründen nur ungefähr, aber die Karte soll die Bewohner der betroffenen Gegend warnen. Denn die Beamten wissen: Die Täter suchen sich gelegentlich ganze Viertel für ihre Raubzüge aus.

Wohnungseinbrüche nehmen stark zu in der Bundesrepublik, sie sind ein Riesen-Aufreger-Thema. 2015 gab es laut Kriminalstatistik 167 136 Fälle. Das ist zwar immer noch deutlich weniger als die Rekordzahl von 1993, als rund 227 000 Delikte aktenkundig wurden. Aber es ist ein Plus von fast zehn Prozent im Vergleich zu 2014, und es ist ein Rekordwert seit der Jahrtausendwende. Für Bürger auch in Bayern sind Einbrüche ein Grund zur Beunruhigung. Und für die Politiker der etablierten Parteien sind sie ein Alarmsignal in Zeiten, da die AfD von Ängsten lebt und den Eindruck schürt, die Politik vernachlässige die Innere Sicherheit. Vor allem die Unionsparteien fürchten, ihre Markenkompetenz auf diesem Gebiet zu verlieren.

Die Aufklärungsquote liegt bei nur 15 Prozent

Verschärft wird das Unwohlsein durch die anscheinende Unfähigkeit der Sicherheitsorgane, die meisten Fälle aufzuklären und die Täter zu fassen: Die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen liegt bei 15 Prozent. „Von 100 Einbrüchen endeten gerade einmal 2,6 mit Verurteilungen“ schrieb Christian Pfeiffer in der Süddeutschen Zeitung. Als einstiger Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ist er einer der renommiertesten Kriminologen Deutschlands. Sein Urteil: „Die Zahlen belegen ein krasses Versagen des Staates.“

Das Thema birgt enorme gesellschaftliche Sprengkraft. Jeder zehnte Betroffene zieht nach einem Einbruch um, vier von zehn Opfern brauchen psychologische Hilfe. Und: Wer Angst hat, ist anfällig für Law-and-Order-Parolen.

Im Mai forderte Unionsfraktionschef Volker Kauder höhere Strafen. Hilft das? Kriminologe Pfeiffer kann da nur abwinken: „Abschreckend ist nicht die Härte der Strafe, sondern die vom Täter vermutete Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden.“ Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte vergangene Woche den Einsatz bewaffneter Hilfspolizisten, die nach einer Schnell-Ausbildung im Kampf gegen Einbrecherbanden eingesetzt werden sollen. In einigen Bundesländern wie Sachsen gibt es solche Hilfspolizisten bereits, aber bei SPD, Polizeigewerkschaften und Praktikern stößt de Maizières Vorschlag auf Ablehnung.

Auch Bayern geht „einen anderen Weg“, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der Staatszeitung sagt: „Unsere Bayerische Sicherheitswacht hat sich außerordentlich bewährt.“ Die 722 Ehrenamtlichen seien dabei „weder Hilfspolizei noch Bürgerwehr“, auch habe sich Bayern „bewusst gegen das Tragen einer Polizeiuniform und einer Waffe entschieden“. Die Sicherheitswacht soll bei verdächtigen Vorkommnissen sofort die Polizei informieren.

Außerdem, so Herrmann, habe man bei der Polizei „kräftig Personal aufgebaut. Mit derzeit 41 370 Stellen haben wir bei der bayerischen Polizei den bislang höchsten Personalstand“.

Sicherheitstechnik boomt

Warum sind die Täter so schwer fassen? Politiker und Praktiker sprechen von reisenden, straff organisierten Tätergruppen vor allem aus Osteuropa. „Die gehen rein, nehmen in 20 Minuten mit, was sie kriegen können, und fahren weiter, beispielsweise von Rosenheim nach München“, sagt Kriminalhauptkommissar Wolfgang Moritz von der Kripo in Rosenheim der BSZ. „Wir stehen mit leeren Händen da, wenn sie keine Spuren hinterlassen.“

Um diesen reisenden Tätern das Handwerk zu erschweren, setzt Bayern auf Kooperation. Im Rahmen eines Acht-Punkteplans haben der Freistaat, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz intensivere polizeiliche Zusammenarbeit, stärkeren Informationsaustausch und gemeinsame Täterfahndung vereinbart. Innenminister Herrmann verweist auf erste Erfolge. In Bayern ist die Fallzahl für 2015 „leicht rückläufig“. Für eine Entwarnung sei es jedoch zu früh.

Von der vermeintlichen Machtlosigkeit der Behörden profitiert eine boomende Sicherheitsbranche. Allein der Umsatz im Markt für elektronische Sicherungstechnik wuchs laut Branchenverband BHE 2015 um 7,8 Prozent. Mit Einbruchssicherungs-, Ruf- und anderer Alarmtechnik setzten Fachfirmen bundesweit 3,71 Milliarden Euro um.

Kommissar Moritz berät an der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle Rosenheim interessierte Bürger über Möglichkeiten, sich und seine Wohnung zu schützen. Er rät zu Nachrüstung von Wohnungs- und Terrassentüren sowie von Fenstern nach der Norm RC 2. „Die verhindern Einbrüche. Alarmanlagen melden sie nur.“ Alle Möglichkeiten der Nachrüstung sind kostenintensiv, und das 50-Millionen-Förderprogramm, das der Bund über die KfW aufgelegt hat, kommt hauptsächlich Wohnungseigentümern zugute. 70 Prozent der Einbruchsopfer sind nach Erkenntnissen des Kriminologen Christian Pfeiffer aber Mieter. Sie scheuen meist die Investition von mindestens 2000 Euro, die Voraussetzung ist für den KfW-Zuschuss von zehn Prozent.

Pfeiffer hält „ein Investitionsprogramm von einer Milliarde Euro zur nachhaltigen Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen“ für sinnvoll: „Mit einem tauglichen Präventionskonzept“ hätte die Bundesregierung nach seinen Worten „eine große Chance, in einem wichtigen Politikfeld den Unterschied zu bloßen Sprücheklopfern deutlich herauszustellen“. (Matthias Maus)

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