Politik

Dem Bundestag gehört Bernd Fabritius seit 2013 an. (Foto: Patrick Levín)

16.06.2017

"Es ist falsch, dass die CSU für Schwule kein Angebot hat"

Bernd Fabritius (CSU), Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen und erster offen schwuler CSU-Bundestagsabgeordneter, über Forderungen der Homosexuellen in seiner Partei

Homosexualität: Damit tut sich die CSU noch immer schwer. Trotz aller Lippenbekenntnisse. Nicht umsonst ist Bernd Fabritius der bislang einzige offen schwule CSU-Bundestagsabgeordnete. In seiner Partei engagiert sich der 52-jährige Rechtsanwalt aus München neben der Außen- und Vertriebenenpolitik auch für die Rechte Homosexueller. Er ist Gründungsmitglied des bayerischen Landesverbands der Schwulen und Lesben in der Union (LSU). BSZ: Herr Fabritius, Sie sind der einzige CSU-Abgeordnete auf Landes-, Bundes- und Europaebene, der offen zu seinem Schwulsein steht. Wie wütend sind Sie darüber, dass Ihre Partei mit dem Thema Homosexualität noch immer Probleme hat?
Bernd Fabritius: Hat sie nicht, und ich bin nicht wütend. Einige Kollegen sehen konkrete Sachfragen problematisch. Einzelne Argumente kann ich nachvollziehen, andere nicht.
BSZ:  Sie haben also teilweise Verständnis für die Diskriminierung Homosexueller?
Fabritius: Nein. Auf keinen Fall. Aber nicht jede Ungleichbehandlung ist gleich Diskriminierung. Ich kann etwa nachvollziehen, wenn es um religiöse Vorbehalte geht, auch wenn ich diese nicht teile. Wenn das Sakrament der Ehe für jemanden aus Glaubensgründen exklusiven Charakter hat, nehme ich das zur Kenntnis. In dieses religiöse Regelsystem wollen wir aber auch gar nicht eingreifen. Der Wunsch der Schwulen und Lesben in der Union ist es einfach nur, auch – genau wie die heterosexuellen Mitmenschen – eine selbst gewählte Person heiraten zu dürfen und dafür ein staatlich gleichwertiges Modell zu haben. Für die eingetragene Lebenspartnerschaft gibt es noch Diskriminierung. Wer etwa auf die Frage nach dem Personenstand „verpartnert“ angeben muss, der legt damit gleichzeitig seine sexuelle Orientierung offen – das wollen viele Menschen aber nicht, auch aus Angst vor Diskriminierung. Wer sich beispielsweise um eine Stelle bewirbt, will nicht in jedem Fall gleich im Lebenslauf offen legen, dass er schwul oder lesbisch ist. Dieses Anliegen wird in der CSU inzwischen anerkannt.
BSZ: Ich hab aber noch nicht gehört, dass Horst Seehofer gesagt hat, her mit der Ehe für alle.
Fabritius: Auch wenn das noch nicht so bekannt ist: Die Beseitigung der personenstandsrechtlichen Diskriminierung ist im neuen CSU-Grundsatzprogramm verankert! Das könnte bedeuten: Egal, ob zwei Menschen verpartnert oder im klassischen Sinn verheiratet sind – sie sollen beim Punkt Familienstand immer angeben können, dass sie „verheiratet“ sind. Dafür müsste im Personenstandsrecht lediglich geregelt werden: Verheiratet ist, wer eine Ehe geschlossen hat oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt. Das wäre ein guter, die staatliche Ehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft personenstandsrechtlich gleichstellender Kompromiss.

„Ich kann religiöse Vorbehalte
nachvollziehen“


BSZ: Aber einen konkreten Vorstoß, eine Gesetzesinitiative gibt es nicht. Rechnen Sie damit, dass das vor der Bundestagswahl noch passiert?
Fabritius: Nein, das ist nicht realistisch.
BSZ: Wenn der Bundestag auf Initiative von SPD oder Grünen über die Öffnung der Ehe abstimmen würde, wie würden Sie stimmen?
Fabritius: Ich würde aus Überzeugung dafür stimmen. Ich kann die Argumente der Gegner zum Teil nachvollziehen, teile sie aber nicht: Man schützt das Institut der Ehe nicht dadurch, dass man Schwulen und Lesben das Heiraten verbietet. Es besteht doch keinerlei Konkurrenzsituation. Es wird doch kein einziger Hetero plötzlich einen anderen Mann heiraten, nur weil er es darf. Ich hoffe sehr, dass auch die Hardliner ihre Bedenken endlich überwinden. Sollte sich aber keine Mehrheit finden, halte ich den von mir skizzierten Kompromiss für zielführend. Es wäre die Gleichwertung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der staatlichen Ehe.
BSZ: Das Adoptionsrecht hätten Homosexuelle auch dann nicht.
Fabritius: Das müsste man separat regeln. Primär darf es alleine um das Kindeswohl gehen, um dessen Recht auf die besten Eltern im konkreten Fall. Das können auch mal zwei Frauen oder zwei Männer sein. Was seit Jahren bei Pflegschaften erwiesen ist und praktiziert wird, muss auch für den Fall der Adoption gelten dürfen.

BSZ: Die CSU musste beim Thema Schwulenrechte immer wieder vom Bundesverfassungsgericht zu einer liberaleren Haltung gedrängt werden. Warum haben Sie sich ausgerechnet diese Partei ausgesucht?
Fabritius: Die inhaltliche Positionierung der CSU hat mich in ihrer Breite am meisten überzeugt, etwa in der Sozial-, Wirtschafts-, Finanz- oder Sicherheitspolitik. Bei abweichenden Positionen versuche ich durch Argumente innerhalb der Partei Mehrheiten zu finden und so etwas zu verändern. Wichtig waren mir auch die Anliegen der deutschen Vertriebenen. Für diese Gruppe gibt es in keiner anderen Partei echtes Verständnis! Das konnte man erst kürzlich wieder beobachten, als es darum ging, die Rentenansprüche von Spätaussiedlern zu verbessern.

"Unter den 40 bayerischen LSU-Mitgliedern sind nur sieben Frauen, ich hoffe, dasss sich das noch ändert"


BSZ: Die bayerische SPD hat diese CSU-Forderung doch unterstützt.
Fabritius: Eine Schaufensterzustimmung, die ändert leider nichts daran, dass die Bundes-SPD das Anliegen seit Monaten blockiert.
BSZ: Seit Kurzem gibt es einen bayerischen Landesverband der Lesben und Schwulen in der Union. Wieviele weibliche Mitglieder hat er?
Fabritius: Unter den 40 Mitgliedern sind bisher leider nur sieben Frauen. Ich hoffe, dass es mehr werden. In der Gesellschaft gibt es 5 bis 10 Prozent Lesben und Schwule. Berechtigte Anliegen eines so großen Teiles der Gesellschaft müssen in einer Volkspartei auch Thema sein und mit einem Angebot versehen werden. Es wäre falsch, wenn die CSU mangels Angebot für diese Menschen als nicht wählbar erscheinen würde.
BSZ: Im Moment gibt es nicht mal einen CSU-Arbeitskreis für Schwule.
Fabritius: Ich hoffe, das sich das bald ändert, auch wenn die Einrichtung eines parteiinternen Arbeitskreises zuerst durch die Gremien muss. So etwas dauert seine Zeit. Auch im Fall des jüngsten CSU-Arbeitskreises Migration ging das nicht über Nacht.
BSZ: Wenn man mit CSU-Leuten über das Thema Homosexualität spricht, bringen viele statt konkreter Argumente diffuse Gefühle zum Ausdruck. Und sagen Sätze wie: „Ehe ist etwas zwischen Mann und Frau“. Wie wollen Sie es schaffen, gegen Gefühle anzukommen?
Fabritius: Einfach dadurch, wie ich lebe. Ich zeige meinen Kollegen, dass meine Lebenspartnerschaft einer klassischen Ehe entspricht. Dazu gehört unbedingter Einstand für einander, gemeinsame Lebensplanung, Höhen und Tiefen. Ich nehme meinen Partner zu gesellschaftlichen Einladungen grundsätzlich mit – da bin ich einer der wenigen Abgeordneten. Dass Partner mitkommen, ist ja nicht die Regel. Wir wollen aber bewusst so viel wie möglich gemeinsam machen. Ich persönlich finde ja, dass „Lebenspartnerschaft“ ein wahnsinnig schöner Begriff ist, es ist die treffendste Inhaltsbeschreibung einer Ehe nach meinem Verständnis.
BSZ: Als bekannt wurde, dass Sie in einer eingetragenen Partnerschaft leben, waren Sie plötzlich für viele nur noch der schwule Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen. Wie sehr ärgert Sie, dass das Attribut schwul noch so häufig genannt wird – obwohl es nichts zur Sache tut?
Fabritius: Das ärgert mich schon. Auch, dass es in Kreisen geschieht, von denen man das eher weniger vermutet, also auch bei SPD, Linken oder Grünen und auch in den Medien. Leider ist das halt immer noch eine Schlagzeile. Irgendwann sollten wir derartige Kategorien überwinden und damit auch Outing in den Mülleimer der Gesellschaftsentwicklung entsorgen.
(Interview: Waltraud Taschner)

Kommentare (3)

  1. Bingo am 19.06.2017
    Die CSU ist aber nun mal eine konservative Partei und das bedeutet eben auch das Beharren verschiedene politische Wertvorstellungen. Wenn sie diese jeweils aufgibt, nur um einer bestimmten Minderheit zu gefallen - wofür stünde sie dann noch? Wäre es dann nicht genau diese Beliebigkeit, dieses Anbiedern, dass man regelmäßig den Politikern vorwirft? Und es wäre auch wahltaktisch falsch. Es gibt prozentual weniger Homosexuelle (5-10 Prozent, wie im Text steht), als Befürworter eines privilegierten klassischen Familienmodells aus Mann und Frau (etwa 20 bis 25 Prozent). Die CSU wäre also schlicht dämlich, hier nachzugeben. Sie liegt in den Umfragen bei über 45 Prozent, alle anderen Parteien, die ja sämtlich für die Schwulenehe sind, deutlich darunter.
  2. Logik78 am 16.06.2017
    Es sollte doch jedem klar sein, dass es in dieser Frage keine Kompromisse geben kann. Die Gleichstellung wird ja nicht mit einer Änderung des Personenstandsrechts enden. Das weiß doch jeder. Das Thema wird erst mit der Öffnung der Ehe endgültig abgeräumt sein. Daher ist es auch mit dem gesunden Menschenverstand nicht mehr fassbar, warum hier noch mit so viel Kraft eine Entwicklung verzögert wird, die ohnehin nicht mehr aufzuhalten ist.
    Deutschland braucht keine unterschiedlichen familienrechtlichen Institutionen. Genauso wenig, wie man unterschiedliche Sitzplätze für Schwarze und Weiße in öffentlichen Verkehrsmitteln braucht.
  3. Didi am 15.06.2017
    Bis heute sind die Unionsparteien für Schwule und Lesben nicht wählbar. Jedes Zugeständnis musste ihnen per Klage vor dem BVerfG abgerungen werden. So geht das nicht. Macht endlich mal den durchaus konservativ denkenden Schwulen und Lesben ein vernünftiges Angebot: Verfassungsmäßige Verankerung der Ehe auch für gleichgeschlechtlich lebende Menschen. Dann kann man als Schwuler oder als Lesbe endlich wieder nach seiner politischen Meinung wählen und muss nicht stets strategisch in Bezug auf die ausstehende Ehe für Alle schielen.
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