Toll, ein Eigenheim (hier in Poing bei München)! Dumm nur, wenn die Straße saniert werden muss. Dann kann’s richtig teuer werden ... (Getty Images)
Da ist diese Rentnerin, verwitwet, knapp 1000 Euro Rente. Sie besitzt ein baufälliges Häuschen, fast 50 Jahre alt. Drum herum ein riesiger Garten, und vor diesem Garten verläuft die Hauptverkehrsstraße des Ortes. Die umfassend saniert werden soll: mit neuer Asphaltdecke, modernen Straßenlaternen und so weiter. Am Ende bekommt die Rentnerin von ihrer Gemeindeverwaltung einen Gebührenbescheid über 100000 Euro. Willkommen in der Welt der Straßenausbaubeiträge.
Diese erbosen in Bayern viele. Zum Beispiel den Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Er hält die Beiträge für „teuer, ungerecht und bürokratisch“. Seine Partei will sie abschaffen. Geht das? Und sind die Beiträge tatsächlich so schlecht?
Bei den Jamaika-Sondierungen in Berlin wird derzeit um vieles gerungen – aber nicht um besagte Straßenausbaubeiträge, auch wenn die marode Infrastruktur insgesamt schon auf der Agenda steht. Die Straßenausbaubeitragssatzung ist eine Angelegenheit von Ländern und Kommunen, die deren Rechtsaufsicht unterstehen. Die Freien Wähler – die im Bund nicht viel gewinnen können, für die es aber bei der Landtagswahl 2018 um die Existenz geht – haben mit den Straßenausbaubeiträgen ein dankbares Thema gefunden, mit dem sie die CSU bis zur Wahl vor sich her treiben können. Motto: Die Steuereinnahmen sprudeln, und das reichste Bundesland zockt die Bürger noch extra ab.
100 000 Euro? So viel kann schon mal zusammenkommen
Die Nervosität der Schwarzen zeigte sich schon an der gereizten Reaktion von Florian Herrmann, Chef des Kommunal- und Innenausschusses im Landtag. „Populismus“ warf Herrmann den FW vor, was von einem CSU-ler so glaubhaft klingt wie ein Bischof, der anderen überbordenden Katholizismus vorwirft. Herrmann verweist darauf, dass die Gemeinden Beiträge für die Erneuerung und Verbesserung von Ortsstraßen erheben „sollen“. Alle Landtagsfraktionen hätten vereinbart, an dieser „Soll“-Regelung festzuhalten bis zum April 2018. Erst dann habe man eine Evaluierung ins Auge gefasst. Die CSU mit ihrem Gespür für Volkes Stimmung denkt natürlich längst auch über die Abschaffung nach. Nun aber müssten sie auf einen Vorschlag der politischen Gegner aufspringen. Und bis zum Frühjahr ist nicht mehr so viel Zeit, dass der Bürger bis dahin vergessen hätte, wer die Idee zuerst hatte. Blöd gelaufen.
Dabei hätte man diese „Soll“-Regelung längst streichen müssen, weil sie einem Prinzip des Rechtsstaats zuwider läuft: Alle Bürger sind gleich. Denn weil es einigen Gemeinden in Bayern immer besser geht und anderen immer schlechter, wird ein Teil der Menschen von den besagten Zahlungen verschont. Es würden zwar – darauf verweist Bernd Buckenhofer, der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags –„weit über 90 Prozent“ der Kommunen abkassieren. Bei mehr als 2000 Gemeinden im Freistaat bleiben aber doch noch genügend großzügige Orte übrig.
Den Rekord hält in Bayern wohl der Landkreis Weilheim-Schongau: Von 34 Gemeinden erhebt nur die Hälfte entsprechende Beiträge. Die Stadt Schongau liefert sich seit Sommer sogar einen Streit mit dem Landratsamt, das vom Stadtrat die Einführung der Beiträge erzwingen will.
Gleichzeitig ließe sich durchaus diskutieren, ob die Art und Weise der Beitragserhebung überhaupt sozial gerecht ist. Entscheidend ist nämlich vor allem die Grundstücksgröße. Ein gut verdienendes Ehepaar mit moderner Eigentumswohnung im Mehrgeschossbau und wesentlich kleinerem Garten zahlt am Ende viel weniger als unsere eingangs erwähnte Rentnerin. Bayerns Städte sind bei den Straßenausbaubeiträgen ohnehin nicht alle gleicher Meinung. Mancher sozialdemokratische Bürgermeister im ärmeren Norden des Freistaats kann der Idee der Freien Wähler – die auch die SPD-Landtagsfraktion nicht übel findet – einiges abgewinnen.
Interessanterweise ist kein namhafter FW-Rathauschef Hubert Aiwanger lautstark zur Seite gesprungen. Dafür machte sich Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) aus Würzburg für jährliche, aber dafür niedrigere Gebühren stark. Was zwar rechtlich möglich, aber wegen des Verwaltungsaufwands kompliziert ist. Die CSU jedenfalls ist jetzt im Zugzwang. Mal schauen, was sich die gestressten Schwarzen bis April 2018 einfallen lassen. (André Paul)
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