Politik

Vor allem auf Weihnachtsmärkten – hier in Augsburg – haben die Ordnungsdienste derzeit gut zu tun. (Foto: Ingo Hinrichs)

15.12.2017

Hilfssheriffs am Glühweinstand

Weil die Polizei überlastet ist, setzen immer mehr bayerische Städte auf kommunale Ordnungsdienste – ist das richtig?

Fast täglich ist er auf dem Augsburger Christkindlesmarkt unterwegs. Doch Glühwein gibt’s für Michael Schmid nicht. In seiner blauen Uniform – mit Augsburg-Wappen und dem Aufdruck „Ordnungsdienst“ – sorgt er dafür, dass auch im alkoholgeschwängerten Vorweihnachtstrubel keiner die städtischen Verordnungen vergisst. Er ermahnt Wildbiesler oder Müllsünder. Und schaut, dass organisierte Bettler auf dem Markt nicht ihr Unwesen treiben.

Immer mehr bayerische Städte setzen auf kommunale Ordnungsdienste – Augsburg war im Jahr 2005 eine der ersten. Die Mitarbeiter sind städtische Beamte, allerdings keine Polizisten. In Augsburg sind derzeit 18 von ihnen Tag und Nacht unterwegs - ausgerüstet mit Handy, Funkgerät, Taschenlampe, Pfefferspray, Handschellen und Stichschutzweste. Ab 2018 sollen drei zusätzliche Kräfte Ruhestörungen, Verschmutzungen oder Radeln in der Fußgängerzone ahnden. In den meisten Fällen bleibt es bei Belehrungen, manchmal werden auch Bußgelder fällig. Bis Ende Oktober heuer zum Beispiel schon 84 Mal wegen Wildpinkeln und 192 Mal wegen Radeln auf dem Gehweg. Denn im Gegensatz zur Sicherheitswacht, deren Helfer normale Bürger sind, haben Mitarbeiter von Ordnungsdiensten durchaus hoheitliche Befugnisse. Für Straftaten ist zwar ausschließlich die Polizei zuständig, doch die zunehmenden Ordnungswidrigkeiten können auch kommunale Beamte ahnden.

Tatsächlich sollen die Ordnungsdienste auch dafür sorgen, dass sich das zunehmend ramponierte subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger wieder verbessert. Weil Bayerns Polizei überlastet ist, hat sie für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten häufig keine Zeit. Die Klagen über unterbesetzte Polizeistationen und mangelnde Polizeipräsenz häufen sich, sagt Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags der Staatszeitung.

Kommunale Ordnungsdienste sollen diese Sicherheitslücke schließen. In Würzburg patrouillieren regelmäßig 12 Mitarbeiter, in Regensburg acht und in Fürth sind seit diesem Frühjahr fünf Beamte unterwegs. In Ingolstadt gehen Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes auf Streife – ebenfalls in städtischer Uniform. Und der Trend setzt sich fort: Nürnberg bekommt 2019 einen kommunalen Ordnungsdienst. In München sorgt ab Mitte 2018 ein kommunaler Außendienst für ein Mehr an Sicherheit – mit insgesamt 106 Mitarbeitern, davon 92 auf der Straße. Ein Trend, der dem Städtetag nicht gefällt: „Kommunale Sicherheitsdienste müssen die Ausnahme bleiben“, betont Buckenhofer. Nötig sei „die dauerhafte Präsenz von Polizeikräften in allen Landesteilen“.

Der Innenminister mauert

Kritik, die an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann abprallt: „Die bayerische Polizei hat mit aktuell rund 42 000 Stellen den bislang höchsten Personalstand aller Zeiten erreicht“, betont Herrmann. Thomas Bentele, Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bayern kontert: „Die Anzahl der Polizeibeschäftigten allein ist nicht aussagekräftig.“ Die Polizeidichte habe in den vergangenen Jahren signifikant abgenommen. Hatte ein Polizeibeamter 1989 noch 375 Bürger zu betreuen, waren es 2009 bereits 417. „Heute sind es etwa 450.“ Bentele begrüßt die Unterstützung durch kommunale Ordnungsdienste. „Sie können uns gut entlasten“, sagt auch Rainer Nachtigall, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Bayern. „Wenn der Ordnungsdienst uns keine zusätzliche Arbeit bringt, indem er zum Beispiel bei der Feststellung von Verstößen nur die Polizei ruft, die dann die Ermittlungsarbeit übernimmt und die Anzeigen erstattet“, so Bentele.

Voraussetzung dafür ist, dass Mitarbeiter kommunaler Ordnungsdienste gut ausgebildet sind. In München startet der kommunale Außendienst (KAD) im Juli. Eingestellt werden die Mitarbeiter zum 1. April, um Schulungen unter anderem zu rechtlichen Grundlagen, Kommunikation und Deeskalation, Selbstverteidigung und erste Hilfe zu ermöglichen. Auch ein Erfahrungsaustausch mit der Polizei steht auf dem Programm.

Dass die Zusammenarbeit zwischen Ordnungsdienst und Polizei gut klappen kann, sieht man in Augsburg. Ordnungsdienstler Schmidt betont: „Es funktioniert.“ Tatsächlich ist es dort auch mal die Polizei, die sich bei kleineren Vergehen beim Ordnungsdienst meldet und fragt: „Übernehmt ihr das?“  (Angelika Kahl)

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