Politik

Das Bundesverfassungsgericht wies den NPD-Verbotsantrag der Länder im Bundesrat ab. (Foto: dpa)

17.01.2017

Karlsruhe lehnt NPD-Verbot ab

Wegen der hohen Risiken war das neue Verfahren gegen die NPD von Anfang an umstritten. Und tatsächlich: Für ein Verbot haben die Länder in Karlsruhe nicht genug in der Hand

Das Bundesverfassungsgericht hat ein NPD-Verbot abgelehnt. Die rechtsextreme Partei sei zwar verfassungsfeindlich, aber zu schwach, um sie zu verbieten, entschieden die Richter am Dienstag in Karlsruhe. Sie wiesen einen Verbotsantrag der Länder im Bundesrat als unbegründet ab und zogen damit einen Schlussstrich unter die jahrelangen politischen Bestrebungen für eine Auflösung der NPD.

In ihrem ersten Urteil zu einem Parteiverbot seit mehr als sechs Jahrzehnten setzten sie neue Maßstäbe auch für künftige Verfahren. Kritiker eines neuen Verbotsanlaufs hatten vor großen Risiken gewarnt - zumal die NPD zuletzt stark an politischer Bedeutung eingebüßt hatte. (Az. 2 BvB 1/13)

Ein erstes Verfahren war 2003 geplatzt, weil ans Licht kam, dass die Partei bis in die Spitze mit Informanten des Verfassungsschutzes (V-Leuten) durchsetzt war. Bundesregierung und Bundestag, die das Verbot damals mitbeantragt hatten, schlossen sich daher diesmal dem Bundesrat nicht an.

Die Reaktionen auf das Urteil fielen unterschiedlich aus. "Wir nehmen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit größtem Respekt zur Kenntnis", teilte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mit. "Das Gericht hat die Grenzen für ein Parteiverbot klar gezogen und auch sehr deutlich gemacht: Das politische Konzept der NPD missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar." Seine Parteikollegin Eva Högl hingegen zeigte sich "sehr enttäuscht". "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist bedauerlich, aber selbstverständlich zu respektieren", meinte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Ungeachtet der Tatsache, dass die NPD in keinem Landtag mehr vertreten ist, stelle sie als Partei mit ihren verfassungsfeindlichen und rechtsradikalen Bestrebungen eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar. "Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass das politische Konzept der NPD auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet ist - das ist erfreulich." Er kündigte an, die Staatsregierung werde nicht nachlassen, diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterhalb eines Parteiverbots mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hat nach dem gescheiterten NPD-Verbot eine weitere politische Auseinandersetzung mit der Partei angemahnt. "Rechtsextreme Positionen wie sie die NPD vertritt, haben in unserer Demokratie keinen Platz", sagte sie am Dienstag in Berlin. Das Bundesverfassungsgericht habe bei der NPD trotz einer gesunkenen Bedeutung sehr wohl verfassungsfeindliche Tendenzen festgestellt. Man könne sich nicht darauf zurückziehen, dass eine Partei, die einem nicht gefalle, verboten werden müsse. Sie glaube aber nicht, dass das Verbotsverfahren ein Fehler gewesen sei, machte Hasselfeldt klar. Nun bestehe zumindest auch Rechtsklarheit.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert den schnellen Ausschluss der Partei aus dem Parteienfinanzierungssystem. "Deshalb muss im Bundestag jetzt schnell eine Prüfung stattfinden, wie gegebenenfalls auch mit einer Änderung des Grundgesetzes und des Parteienfinanzierungsgesetzes die Möglichkeiten dazu geschaffen werden können", sagte er am Dienstag im Anschluss an die Verkündung des Urteils in Karlsruhe der Deutschen Presse-Agentur. Es könne nicht sein, dass eine ganz eindeutig verfassungsfeindliche Partei, weiterhin Steuergelder kassieren dürfe.

Bayerns Innenminister Herrmann (CSU): NPD aus Parteienfinanzierungssystem ausschließen

Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger kritisierte, die NPD werde das Urteil als Bestätigung empfinden. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki meinte: "Mit dem heutigen Tag hat die siechende NPD nach 2003 zum zweiten Male einen Grund zum Feiern." Aus seiner Sicht offenbart sich im Karlsruher Urteil "fachlicher Dilettantismus allererster Güte" seitens der Länder-Innenminister.

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter twitterte: "Der Kampf gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus geht weiter." Der Grünen-Politiker Christian Ströbele bezeichnete beide Versuche, die NPD verbieten zu lassen, als falsch. "Nutzen NPD-Propaganda". Die "Nazi-Gefahr" könne besser politisch bekämpft werden.

In seinem knapp 300 Seiten langen Urteil stellte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zwar einstimmig fest, dass die NPD wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus sei. "Es fehlt aber derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln zum Erfolg führt", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Verkündung.

"Das Ergebnis des Verfahrens mag der eine oder andere als irritierend empfinden", räumte Voßkuhle nun ein. Ein Parteiverbot sei jedoch "kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsgebot". Er wies ausdrücklich auf "andere Reaktionsmöglichkeiten" hin - etwa den Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung. Dies habe aber nicht das Verfassungsgericht zu entscheiden, sondern der verfassungsändernde Gesetzgeber. Sollte die NPD in der Zukunft erstarken, bleibt es der Politik außerdem unbenommen, erneut ein Parteiverbot zu beantragen.

Die Richter halten es derzeit für ausgeschlossen, dass die NPD durch Wahlen, ihre "Kümmerer-Strategie" vor Ort oder durch Druck und ein Klima der Angst ihre Ziele erreicht. Eine Grundtendenz, dafür mit Gewalt oder Straftaten zu kämpfen, stellten die Richter nicht fest.

Der Senat stellte den Rechtsextremen aber keinen Persilschein aus. "Das politische Konzept der NPD ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet", heißt es in dem Urteil. Die Idee der deutschen "Volksgemeinschaft", die Menschen anderer Religion oder mit ausländischen Wurzeln ausgrenze, verletze die Menschenwürde. Dies und die antisemitische Grundhaltung lasse "deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen". Einzig das Bundesverfassungsgericht ist befugt, ein Parteiverbot auszusprechen. Passiert ist das überhaupt erst zweimal. 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten, 1956 traf es die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Die 1964 gegründete NPD hat bundesweit etwa 5200 Mitglieder. Ihre Hochburgen liegen in Ostdeutschland und dort insbesondere in Sachsen. Im September 2016 verloren die Rechtsextremen bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ihre letzten Landtagsmandate. Seither ist die NPD nur noch auf kommunaler Ebene und mit einem Abgeordneten im Europaparlament vertreten. (dpa)

Hintergrund: Die NPD in Bayern
Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) wurde am 28. November 1964 in Hannover gegründet. Seit 1965 gibt es auch einen bayerischen Landesverband. Derzeit zählt die Partei im Freistaat rund 700 Mitglieder. Seit Jahren sinkt die Zahl der Anhänger; 2010 waren es noch etwa 900.

Der Sitz des Landesverbands befindet sich in Bamberg, eine eigene Parteizentrale unterhält die NPD in Bayern aber nicht. Stattdessen wird auf der NPD-Homepage ein Postfach angegeben. Landeschef ist seit 2014 der Niederbayer Franz Salzberger.

Der NPD-Landesverband ist in sieben Bezirksverbände mit 31 Kreisverbänden untergliedert - ohne besondere regionale Schwerpunkte oder Hochburgen.

Bei der Bundestagswahl im September 2013 trat die NPD in allen Bundesländern mit Landeslisten an und erzielte 1,3 Prozent (2009: 1,5 Prozent). In Bayern erhielt sie 0,9 Prozent (2009: 1,3 Prozent) und lag damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

Bei den Landtagswahlen 2013 halbierte sich der Gesamtstimmenanteil der NPD in Bayern im Vergleich zur letzten Landtagswahl von 1,2 Prozent auf 0,6 Prozent. Bei Kommunalwahlen tritt die NPD nur in Nürnberg und München durch ihre jeweiligen "Tarnorganisationen" an (Bürgerinitiative-A; BIA München).

Die NPD selbst verfügt in Bayern auf kommunaler oder regionaler Ebene über keine eigenen politischen Mandatsträger. Aufgrund des kommunalen Wahlrechts gelang es aber NPD-Mitgliedern, so etwa Ralf Ollert (Stadtrat in Nürnberg seit 2002) und Karl Richter (Stadtrat in München seit 2008), mit Ergebnissen um die Ein-Prozent über die "Tarnorganisationen" in die "Kommunalparlamente" einzuziehen. (dpa)

Kommentare (1)

  1. Miiich am 17.01.2017
    300 Seiten Begründung, dass ein Haufen Braunhemden nicht verboten wird.

    Aber dem Bayerischen Volk wurde vom Bundesverfassungsgericht am 16.12.2016 problemlos unter Vorsitz des Richters (und CSU-Mitglieds) Huber in einer 3-Zeilen-"Begründung "(2 BvR 349/16 ) untersagt ein Referendum bzgl. des Austritts aus dem Bund abzuhalten, m.E. entgegen Art. 25 GG und das Völkerrecht (Grundsatz des Selbstbestimmungsrecht der Völker gemArtikel 1 Ziffer 2 der UN-Charta).
    Der Wortlaut spricht deutlich wie schlimm es mit den Rechten der Bundesländern inzwischen steht:

    "In der Bundesrepublik Deutschland als auf der verfassungsgebenden Gewalt des deutschen Volkes beruhendem Nationalstaat sind die Länder nicht „Herren des Grundgesetzes“. Für Sezessionsbestrebungen einzelner Länder ist unter dem Grundgesetz daher kein Raum. Sie verstoßen gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

    Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
    Huber - Kessal-Wulf - König "

    Und diesem Gericht habe ich früher mal sehr viel Achtung entgegengebracht.
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