Politik

23.08.2019

Mietpreisbremse: Reine Show-Politik

Ein Kommentar von Tobias Lill

Es gibt wenig Dinge, die für Betroffene so bedrohlich sind wie der Verlust des Zuhauses. Tatsächlich sind angesichts explodierender Mieten, Zuwanderung und zunehmender Eigenbedarfskündigungen immer mehr Bayern von Wohnungslosigkeit bedroht. Und wer einmal mit kleinen Kindern in der Schlange des Münchner Wohnungsamts stand, verliert schnell seine Illusionen über den Sozialstaat. Denn auch in der Isarmetropole Geborene müssen bei einer Wohnungskündigung oft jahrelang warten, bis sie in eine staatlich geförderte Wohnung einziehen können. In der Landeshauptstadt wurden 2017 insgesamt nur 3000 Sozialwohnungen frei – bei 30 000 Anträgen. In vielen anderen Städten sieht es kaum besser aus. Zuletzt waren allein in München gut 9000 Menschen wohnungslos, bundesweit sind es geschätzte 700 000.

Eine Scheinlösung, die den Staat nichts kostet

Schuld an der Misere ist ein politisches Totalversagen. Der Staat hat sich im Bereich des Wohnens von seiner Pflicht zur Daseinsvorsorge verabschiedet. Vor genau 100 Jahren postulierte die Weimarer Verfassung das staatliche Ziel, „jedem Deutschen eine gesunde Wohnung“ zu sichern. Doch was machten Bund und Länder seit der Wiedervereinigung? Sie verkauften massenhaft eigene Wohnungen und stellten den Bau von Sozialwohnungen in weiten Teilen ein. Deren Zahl sank in nicht einmal zwei Jahrzehnten von gut 2,9 Millionen im Jahr 1990 auf zuletzt nicht einmal mehr 1,2 Millionen. Menschen, die früher in einer Sozial- oder BayernLB-Wohnung lebten, sind heute – so wie viele andere – auf den freien Markt angewiesen. Doch auch dort wurde, auch aufgrund bürokratischer Hemmnisse, jahrelang zu wenig gebaut.

Union und SPD setzen dagegen lieber auf eine Scheinlösung, die den Staat nichts kostet. Sie bauen die Mietpreisbremse aus, deckeln also die zulässigen Höchstmieten. Das ist reine Show-Politik. Es schadet zwar nicht, hilft aber nur wenigen. Denn angesichts einer bei Mieterhöhungen oft subtil angedrohten Eigenbedarfskündigung werden auch künftig viele Mieter unzulässigen Mieten zustimmen. Zudem schafft die Bremse keinen neuen Wohnraum – und ist ein Gut knapp, steigen in einer Marktwirtschaft nun mal die Preise. Helfen kann nur ein massives staatliches Bauprogramm. Das bisherige ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

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