Was hat Bayern in den nächsten Jahren an Integration zu leisten? Um dies beurteilen zu können, muss man mehr über die Menschen wissen, die hier Asyl suchen. Allein im August kamen laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 105 000 Migranten nach Deutschland, fast die Hälfte (45 Prozent) von ihnen waren Syrer. In der Statistik folgen Afghanen (11 Prozent), Iraker (9 Prozent), Albaner (8 Prozent), Pakistaner (5 Prozent) und Eritreer (3 Prozent). Zum Stichtag 31. August waren rund 23 700 Asylbewerber unter 18 Jahren in Bayern untergebracht.
Das BAMF hat jüngst die Angaben von rund 100 000 Asylsuchenden aus dem laufenden Jahr ausgewertet. Demnach haben 13 Prozent eine Hochschule besucht, 18 Prozent ein Gymnasium, 30 Prozent waren auf einer Mittelschule, 24 Prozent nur auf einer Grundschule, 8 Prozent verfügen über gar keine Schulbildung. Laut BAMF haben Syrer im Schnitt ein deutlich höheres Bildungsniveau. Ein Viertel hat studiert, ein weiteres Viertel hat Abitur, ein Viertel war auf der Mittelschule und 17 Prozent lediglich auf der Grundschule.
Besonders Menschen aus Syrien sind gut ausgebildet
Nicht alle diese Abschlüsse erreichen bayerisches Niveau. Und doch machen diese Zahlen gerade der Wirtschaft Hoffnung. „Angesichts der demografischen Entwicklung und der Fachkräftelücke sehen die Betriebe in den Flüchtlingen ein großes Potenzial. Das Ziel der bayerischen Wirtschaft ist, möglichst viele Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, sagt Eberhard Sasse, Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK). Auch das bayerische Sozialministerium hält es „für sinnvoll, dem Fachkräftebedarf mit der Mobilisierung des vorhandenen Arbeitskräftepotenzials entgegenzutreten. Dazu gehören auch anerkannte Asylbewerber.“
Voraussetzung dafür ist allerdings häufig, dass Deutschland die bisherige Ausbildung der Migranten für gültig erklärt. „In den Gesundheitsberufen, also bei Ärzten und Pflegekräften, werden ausländische Qualifikationen in den allermeisten Fällen anerkannt, während dies bei Lehrern sehr schwierig ist“, sagt Wido Geis, Migrationsexperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW). In der Regel sei eine Nachqualifizierung möglich, so der Abschluss in Deutschland nicht anerkannt werde. Doch liegt „für Flüchtlinge die größte Hürde meist darin, dass notwendige Nachweisdokumente, beispielsweise Zeugnisse, bei der Flucht verloren gegangen sind“, so Geis. Die Landtagsabgeordnete Christine Kamm (Grüne) spricht von „manchmal unsinnigen Hürden“. Hinzu kommt, dass Asylbewerber in den ersten drei Monaten nach ihrer Ankunft in Deutschland nicht arbeiten dürfen, vom 4. bis 15. Monat nur „nachrangig“, wenn also kein gleichqualifizierter einheimischer Bewerber zur Verfügung steht. Dieses Verfahren nennt man Vorrangprüfung. Grüne und SPD wollen es abschaffen. „In Zeiten, in denen Arbeitgeber Probleme haben, Arbeitnehmer zu finden, ist eine Vorrangprüfung unnötige Bürokratie, die bei Arbeitgebern und Arbeitsagentur unnötige Kapazitäten bindet“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen. Hubert Aiwanger, Freie-Wähler-Fraktionschef, gibt sich skeptischer. Ob Flüchtlinge helfen könnten, den Fachkräftebedarf zu mildern, müsse sich „erst noch zeigen.“
Flüchtlinge im Pflegebereich: Der Vorschlag stammt vom Linken-Bundestagsabgeordneten Harald Weinberg
Der bayerische Bundestagsabgeordnete Harald Weinberg (Die Linke) hat den Vorschlag gemacht, Flüchtlinge verstärkt für Pflegeberufe auszubilden, auch um den sich verschärfenden Pflegenotstand zu bekämpfen. Beim IW stößt dies auf offene Ohren: „Dieser Vorschlag ist sehr gut“, lobt Wido Geis, „hier können Flüchtlinge einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung in Deutschland leisten.“ Auch der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Thomas Beyer, würde sich freuen, wenn Flüchtlinge in Pflegeberufen ausgebildet werden, „wenn sie das möchten“. Allerdings müsse dies ohne Abstriche bei den Qualitätsstandards geschehen. „Sehr wichtig ist“, so Beyer, „dass die Pflegekräfte in spe die deutsche Sprache erlernen. Denn gute Pflege setzt die Interaktion zwischen Pflegenden und zu Pflegenden voraus.“ Finanziell fördern könnte dies zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit mit einem Sonderprogramm. (Jan Dermietzel)
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