Politik

Horst Seehofer und Angela Merkel nach der Klausur. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

27.06.2016

Seehofer und die "perfekte" Merkel

Die Kanzlerin und der CSU-Chef gehen wieder gemeinsam einen Schritt nach vorn. Doch sie haben einen schweren Weg vor sich. Wie sie die Strecke bis zur Wahl 2017 schaffen, bleibt offen

Horst Seehofer hat jetzt die perfekte Angela Merkel. Nicht mehr so überdimensional. Das gefällt dem CSU-Chef. Bei der Klausur der Unionsspitze in Potsdam am Wochenende - angesetzt zur Wiederannäherung nach erbittertem Flüchtlingsstreit - berichtet er über seine neue Errungenschaft. Seine bisherige Merkel sei größer als es dem Maßstab der Anlage entspreche - das solle so sein, denn schließlich sei sie die Chefin. Es geht um Seehofers schon berühmte Modelleisenbahn. Aber nun hat ihm ein Bürger eine neue Figur zugeschickt - "eine maßstabsgetreue und perfekte Angela Merkel", schwärmt Seehofer. Er versichert: "Die behalte ich auch."

Die perfekte Merkel. Das wird die Kanzlerin für den bayerischen Ministerpräsidenten im wirklichen Leben wohl nie mehr werden. Die CDU-Vorsitzende wirkt an diesem heißen Samstag am schönen Templiner See in Brandenburg ernst und distanziert. Sie scherzt nicht, sie lacht nicht. Vermutlich hat das vor allem mit dem Austritt der Briten aus der Europäischen Union zu tun. Der Brexit erhöht noch einmal den Druck auf sie. Es richten sich wieder alle Augen auf die Kanzlerin, die vor allem gemeinsam mit Frankreich für Stabilität und eine Weiterentwicklung der EU zu einer besseren Union sorgen soll.

Sollte sie je vorgehabt haben, bei der Bundestagswahl 2017 nicht wieder anzutreten - jetzt wäre ein Verzicht noch schwieriger. Müsste Seehofer nun nicht betonen, dass Merkel weitermachen muss, um Deutschland und die EU zu stabilisieren? Er sagt dazu nur dies: "Wir befinden uns über ein Jahr vor der Bundestagswahl." Deshalb könne er die Frage nicht beantworten. Er nimmt Anleihen beim Fußball: "Eine Europameisterschaft beginnt nicht mit dem Finale. Wir sind jetzt in der Gruppenphase und dann sehen wir weiter."

Seehofers Bemerkung wird in der Union unterschiedlich gewertet. Die einen sagen, er habe nach dem ganzen Ärger jetzt nicht mit fliegenden Fahnen zu Merkel zurücklaufen können. Andere sprechen von Distanzierung, vor allem weil es - um in seiner Fußballsprache zu bleiben - dann irgendwann zur K.o.-Runde kommen müsste. Wiederum andere sehen es als Respekt vor Merkel, die Druck nicht leiden könne.

"Wir müssen uns in der Alternativlosigkeit zusammenraufen"

Aus dem CSU-Führungszirkel verlautet: Alles andere als eine Kandidatur Merkels wäre eine Katastrophe. Es gebe niemanden, der auch nur annähernd das Format für eine Kanzlerschaft hätte wie sie. "Wir müssen uns in der Alternativlosigkeit zusammenraufen", sagt einer, der Merkel und Seehofer für das ideale Paar an der Spitze der Schwesterparteien hält: Merkel als die besonnene Staatsfrau mit hoher internationaler Anerkennung und Seehofer als der Querdenker, der den Finger in die Wunde legt und viele Wähler bei der Stange hält.

Dafür müsse er so bleiben wie er ist: unberechenbar. Die CDU profitiere davon. In dem Moment, da Seehofer seine Querschüsse einstellte, wäre er bundespolitisch uninteressant und so gut wie erledigt und die CSU gleich mit - was die CDU klar schwächen würde.

Merkel sagt, die Unionsklausur zu den künftigen sechs Leitthemen Europa, Migration, Terrorbekämpfung, Digitalisierung, Umwelt und Zusammenhalt der Gesellschaft sei sehr ernsthaft, konstruktiv und wirklich interessant gewesen. Ihre Begeisterung scheint sich dafür trotzdem in Grenzen zu halten. Sie hat viele andere Sorgen.

Dem Vernehmen nach haben sich die 24 Spitzenpolitiker in Potsdam erst einmal misstrauisch beäugt. Einige hätten tatsächlich Zweifel gehabt, ob CDU und CSU noch die gleiche Wertebasis hätten. Dann sei aber schnell klar geworden, dass das fundament noch stehe. Nun sei ein erster Schritt nach vorn gemacht worden. Das bedeutet aber auch: Es war offensichtlich noch schlimmer, als es nach außen gedrungen war.

Seehofer: Zum Flüchtlingsstreit habe es keinen Satz gegegeben

Seehofer tut kund: "Ich bin rundum zufrieden. Wir haben jetzt eine gute Basis." Er und Merkel wüssten, dass sie eine ganze Menge zu bewegen hätten. "Und normalerweise wird es schwieriger je konkreter Politik wird. Da sind wir uns beide bewusst, dass wir noch einen langen und nicht immer einfachen Weg zu gehen haben." So könnte es wieder zu Verärgerung, vielleicht sogar zu einem Zerwürfnis kommen.

"Keinen Satz" habe es zum Flüchtlingsstreit gegeben, sagt Seehofer. Ob der Zwist angesichts des Brexits nicht kleingeistig anmute, wird er noch gefragt. Nein, lautet seine Antwort. Er ärgert sich, dass es immer heiße, seine Kritik perle an Merkel ab. "Die Politik hat sich verändert", betont er. Es kämen weniger Flüchtlinge und es bestehe nicht mehr der Eindruck, dass Deutschland alle haben wolle. Noch einmal: "Die Politik hat sich verändert. Das ist das Entscheidende."

Zum Schluss werden beide noch einmal zum Brexit gefragt. Merkel antwortet und sagt auf Wiedersehen, bevor Seehofer reagieren kann. Er mahnt: "Wenn Du noch kurz warten willst ...." Die Situation ist nicht zu vergleichen mit seinem Affront gegen Merkel beim CSU-Parteitag 2015, als er die Kanzlerin eine Viertelstunde auf der Bühne stehen ließ, während er dozierte. Und man darf annehmen, dass Merkel nicht mitbekommen hat, dass auch nach Seehofers Meinung gefragt worden war. Aber man merkt, dass sie los will. Vermutlich ist sie in Gedanken in London, Brüssel, Paris, Berlin. Als dann auch Seehofer fertig ist, gibt sie ihm kurz die Hand und sagt nur "Tschüss". Dann ist sie weg.
(Kristina Dunz, dpa)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.