Politik

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnt: Parteien dürfen sich nicht drücken. (Foto: dpa)

20.11.2017

Steinmeier appelliert an Verantwortung der Parteien

Steinmeier ruft zu neuem Versuch der Regierungsbildung auf

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Parteien nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen aufgerufen, sich erneut um eine Regierungsbildung zu bemühen. "Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält", sagte Steinmeier am Montag nach einem Treffen mit Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel im Schloss Bellevue in Berlin. "Das ist der Moment, in dem alle Beteiligten noch einmal innehalten und ihre Haltung überdenken sollten", mahnte er.

Alle in den Bundestag gewählten Parteien seien dem Gemeinwohl verpflichtet. "Sie dienen unserem Land", betonte das Staatsoberhaupt. "Ich erwarte von allen Gesprächsbereitschaft, um eine Regierungsbildung in absehbarer Zeit möglich zu machen."

"Parteien sind Gemeinwohl verpflichtet"

Die Bildung einer Regierung sei immer ein schwieriger Prozess. Der Auftrag zur Regierungsbildung sei aber ein hoher und vielleicht der höchste Auftrag der Wähler an die Parteien in einer Demokratie. "Und dieser Auftrag bleibt." Die Parteien hätten sich bei der Bundestagswahl um die Verantwortung für Deutschland beworben - "eine Verantwortung, die man auch nach der Vorstellung des Grundgesetzes nicht einfach an die Wählerinnen und Wähler zurückgeben kann". Die Option einer Neuwahl erwähnte Steinmeier ausdrücklich nicht.

Die Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen für eine mögliche Jamaika-Koalition waren am Sonntag gescheitert, die FDP hatte die Gespräche überraschend abgebrochen. Zwei Monate nach der Wahl steht Deutschland damit vor unübersichtlichen politischen Verhältnissen. Steinmeier sagte: "Wir stehen jetzt vor einer Situation, die es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, also seit immerhin fast 70 Jahren, noch nicht gegeben hat."

Er werde in den kommenden Tagen Gespräche mit den Vorsitzenden aller an den bisherigen Sondierungen beteiligten Parteien führen - also auch mit den Chefs von CSU, FDP und Grünen. Er werde aber auch Gespräche führen "mit den Vorsitzenden von Parteien, bei denen programmatische Schnittmengen eine Regierungsbildung nicht ausschließen". Damit dürfte die SPD gemeint sein, die eine weitere große Koalition strikt ausschließt.
(dpa)

Fragen und Antworten: Schlüsselrolle für Steinmeier
Wie geht es weiter?
Zunächst wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit den Parteien reden und sondieren, ob es doch noch eine Chance für eine neue Regierung gibt. Am Montag mahnte er, die Parteien dürften ihre Verantwortung nicht einfach an die Wähler zurückgeben. Vor allem dürfte Steinmeier seinen ehemaligen Genossen aus der SPD ins Gewissen reden, für eine Fortsetzung der Koalition mit der Union zur Verfügung zu stehen. Auch die FDP wird er sich wohl vorknöpfen und sie bitten, ihre Entscheidung zum Abbruch der Sondierungen noch einmal zu überdenken. Erfolg ist nicht sehr wahrscheinlich.

Welche Rolle spielt der Bundespräsident überhaupt in dieser Phase?
Eine ziemlich wichtige. Das sonst nur über seine Worte einflussreiche Staatsoberhaupt hat jetzt plötzlich durch Artikel 63 des Grundgesetzes wichtige Befugnisse. Er muss zunächst jemanden für das Amt des Bundeskanzlers vorschlagen. Diese Person wird nur Kanzler(-in), wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundestages für sie stimmt ("Kanzlermehrheit").
Findet der Vorschlag des Bundespräsidenten keine Mehrheit, und so sieht es im Falle Merkel aus, hat der Bundestag zwei Wochen Zeit, sich mit absoluter Mehrheit auf einen Kandidaten zu einigen. Kommt auch dann keine Kanzlermehrheit zustande, beginnt die dritte Phase. In diesem letzten Wahlgang reicht schon die relative Mehrheit. Gewählt ist also, wer von allen Kandidaten die meisten Stimmen gewinnt. Das wäre mit einiger Sicherheit Merkel.

Welche Optionen gibt es dann?
Der Bundespräsident muss jetzt entscheiden, ob er den mit relativer Mehrheit gewählten Kanzler oder eine Kanzlerin ernennt oder den Bundestag auflöst. Dies ist ganz alleine seine Sache. Kommt eine Minderheitsregierung zustande, wäre es ein Novum in der Bundesrepublik. Einer möglichen Koalition aus CDU/CSU und FDP fehlen 29 Sitze zur Mehrheit im Bundestag, Schwarz-Grün 42. Eine solche Regierung müsste also bei Abstimmungen auf Unterstützung aus den anderen Fraktionen hoffen.

Oder doch Neuwahlen?
Entscheidet sich Steinmeier für die Auflösung des Bundestags, muss innerhalb von 60 Tagen gewählt werden. Als möglicher Termin für die Neuwahl wird schon der 22. April genannt. Kann also gut sein, dass eine neue Regierung erst im Sommer 2018 steht. Merkel könnte aber auch als Kanzlerin einer Minderheitsregierung antreten, dann aber nach einiger Zeit die Vertrauensfrage stellen und verlieren. Auch dann wären Neuwahlen die Folge.

Wer würde von einem neuen Wahlgang profitieren?
Das ist schwer vorhersehbar. Immer wieder wird die Vermutung geäußert, dass vor allem die AfD mit ihrem Image als Protestpartei zum großen Gewinner werden könnte. Aber noch bestätigen Umfragen dies nicht. Im letzten Sonntagstrend der "Bild am Sonntag" lag die AfD bei 13 Prozent. Bei der Wahl im September waren es 12,6 Prozent. Die Mehrheitsverhältnisse könnten nach der Wahl also kaum anders aussehen als bisher.

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