Politik

Die CSU-Strategen haben sich etwas Besonderes für ihre Fans ausgedacht: Stolz hält Horst Seehofer (mit Dorothee Bär und Alexander Dobrindt) auf dem kleinen Parteitag das T-Shirt mit der Aufschrift „Bayern. Das Land“ in die Kamera. (Foto: dpa)

26.07.2013

Von losen Kanonen und Nichtskönnern

Horst Seehofer und Christian Ude schwören das Parteivolk auf einen heißen Wahlkampf ein – beide fürchten die Trägheit der eigenen Reihen

Man könnte fast meinen, Horst Seehofer und Christian Ude hätten aus Versehen denselben Redenschreiber engagiert. „Ich verspreche euch, mich in den nächsten zwei Monaten für diese Aufgabe zu zerreißen, aber ich bitte euch, das auch zu tun.“ So lautet der Appell des einen Spitzenkandidaten zum offiziellen Wahlkampfauftakt an das Parteivolk. „Bayern muss zittern und glühen, weil wir jeden Tag unterwegs sind. Wenn wir hart arbeiten, dann werden wir einen goldenen September erleben.“ So spricht der andere.


Seehofer warnt vor süßem Gift des Umfragevorsprungs


Es ist beinahe gleichgültig, von wem welcher Satz stammt – von Ude übrigens der erste, von Seehofer der zweite. Denn die so ähnlichen Aussagen auf den Wahlkampfparteitagen von CSU und SPD zeigen eine Gemeinsamkeit der Matadore: Beide fürchten die Trägheit der eigenen Reihen und damit am Ende das Fehlen der entscheidenden Stimmen, um an der Regierung zu bleiben oder aber an die Regierung zu kommen. CSU-Chef Seehofer warnt deshalb vor dem süßen Gift des haushohen Umfragevorsprungs, den dieser Tage erst wieder der Bayern-Trend des Bayerischen Fernsehens prognostiziert hat. „Wahlen“, sagt Seehofer, „werden auf der Zielgeraden gewonnen.“ Deshalb hebt er mahnend den Zeigefinger: „Ich bitte euch innigst, auf dem Boden zu bleiben und Disziplin zu üben.“ Und SPD-Herausforderer Ude? Den ängstigt angesichts des Rückstands die Verzagtheit seiner Genossen. Noch gar nichts sei entschieden in Bayern, redet Ude dagegen an, bei 40 Prozent unentschlossenen Wählern „ist das Rennen offen. Wir lassen uns von Umfragen nicht den Schneid abkaufen.“
Immerhin machen beide Parteien inhaltlich unterschiedliche Angebote. Die CSU geht mit dem „Bayern-Plan“ auf Stimmenfang, die SPD mit dem Zehn-Punkte-Papier „Bayern kann das!“ – beides auf den Parteitagen übrigens einstimmig angenommen. Seehofer erläutert dazu in Stichpunkten, dass man in den kommenden fünf Jahren die Jugendarbeitslosigkeit auf Null fahren werde, alle Grundschulen erhalten wolle und allen Schülern bis 14 Jahre ein Ganztagesangebot garantiere. Er wirbt mit soliden Finanzen und weiterer Schuldentilgung, neuen Leistungen für die Familien, der Schaffung eines Heimatministeriums und der Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer – wobei er in seiner Rede hinter den juristisch fragwürdigen Ausführungen im „Bayern-Plan“ zurückbleibt. Und er bekräftigt, dass es mit ihm eine Abkehr vom Atomausstieg und der Energiewende nicht geben werde. Seehofer predigt die Fortsetzung einer Regierungspolitik, dank derer Bayern heute so gut dastehe wie nie zuvor. Mit dem Dreier-Bündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern zöge dagegen das Chaos ein. „Es ist eben nicht egal, wer regiert“, betont Seehofer.
Ude dreht vor den SPD-Delegierten den Spieß um. Statt die von ihm geplanten Wohltaten zu verkünden, erklärt er lieber, was passieren würde, wenn Schwarz-Gelb am Ruder bliebe. Der G8-Murks ginge genauso weiter wie das Schulsterben, die Energiewende wäre in Gefahr, die Mieten würden steigen, auf dem Arbeitsmarkt würden die Billigjobs mehr werden und der Donau-Ausbau käme doch noch durch die „sperrangelweit offene Hintertür“. Den windigen Versprechungen der CSU – er spricht von Täuschereien, Trickserereien, Lug und Trug – setze er Ehrlichkeit und Verlässlichkeit entgegen. „Wir können es besser“, impft Ude den Genossen Selbstbewusstsein ein. Mit einem Regierungswechsel auf die Dreier-Koalition würde in Bayern nichts schlechter, aber vieles besser. Energiewende, Atomausstieg, sanfter Donau-Ausbau, Studiengebühren – all das habe das Bündnis schon in der Opposition gegen die CSU durchgesetzt. „Konzeptionell hat dieses Dreier-Bündnis mehr drauf als diese vor sich hin torkelnde Staatsregierung“, erklärt Ude.
Seehofer sieht das naturgemäß anders. Vor allem mit der SPD geht er hart ins Gericht. „Die bayerische SPD ist absolut regierungsunfähig“, ruft er seinen Gefolgsleuten zu. „Da gibt es keine Idee, die den Kopf erreicht, geschweige denn das Herz erwärmt.“ Die SPD rede das Land schlecht, diffamiere Personen und spalte so das Land.


Ude: „Wir lassen uns den Schneid nicht abkaufen“


Dann holt Seehofer zum finalen Schlag aus: „Die können’s nicht! Bayern wird nicht rot – Bayern ist weiß-blau und Bayern bleibt weiß-blau.“ Fehlenden Patriotismus mag sich Ude aber nicht vorwerfen lassen. Die SPD liebe und schätze dieses Land. „Ausdruck dieser Wertschätzung ist, dass wir diesem Land und seinen Menschen eine bessere Regierung gönnen.“
Das will Ude auch als Wink für den Bund verstanden wissen, wo eine Woche nach Bayern gewählt wird. Er hat sich dazu – anders als Seehofer, der Bundeskanzlerin Angela Merkel nur ausgiebigst lobt – Verstärkung aus Berlin geholt. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück macht denn auch kein langes Federlesen: „Horst Seehofer ist die größte lose Kanone, die ich je erlebt habe“, berichtet Steinbrück von seinen Erfahrungen aus der Großen Koalition, als er drei Jahre mit Seehofer am Kabinettstisch gesessen hatte. „Es wird Zeit, sie endlich über Bord zu werfen.“
Inhaltlich lautet Steinbrücks Botschaft, dass die Politik der SPD „sozial gerecht und ökonomisch vernünftig“ sei, während die Konkurrenz das in dieser Kombination nicht anbiete. Die schlechten Umfragen dürften die Sozialdemokraten nicht berühren und nicht nervös machen, so Steinbrück. Schon 2005 und 2009 hätten die Demoskopen der Union einen schier uneinholbaren Vorsprung prognostiziert, am Ende sei sie jeweils eingebrochen. „Wir müssen unsere Wähler mobilisieren“, fordert Steinbrück. „Lasst uns kämpfen, lasst uns zum Horizont laufen und nehmt mich mit.“ Ob Steinbrück den Redenschreiber Seehofers und Udes kennt? (Jürgen Umlauft)

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