Politik

Der Weg in die Freiheit wird mühsam werden für Gustl Mollath. (Foto: dapd)

07.12.2012

Wahn und Wirklichkeit

Der Fall Gustl Mollath ist ein Exempel für schlampiges Krisenmanagement der Justiz

Das hört sich natürlich sehr gut an.“ Mit diesen lapidaren Worten hat Gustl Mollath auf den Beschluss der Staatsanwaltschaft reagiert, bei Gericht eine erneute Überprüfung seines Falles zu beantragen. Dass der Jubel darüber nach sieben Jahren in der Psychiatrie nicht überschwänglicher ausgefallen ist, hat durchaus seine Gründe. Zu oft hat der heute 56-Jährige aus Nürnberg schon auf eine neue Chance gehofft, doch vom Gerichtsgutachter bis zu Justizministerin Beate Merk (CSU) verweigerte man ihm die nötige Unterstützung. Erst im März hatte Merk Mollath noch attestiert, unter „paranoidem Wahn“ zu leiden und „abstruse Verschwörungstheorien“ in die Welt zu setzen. Dumm nur, dass diese sich inzwischen als in weiten Teilen wahr herausgestellt haben.
Rückblende: 2006 war Mollath wegen schwerer gewalttätiger Übergriffe auf seine Frau in Nürnberg vor Gericht gestanden. Er hatte sie geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Zudem war Mollath als Autoreifenstecher aufgefallen. Der Prozess endete mit der Einweisung Mollaths in die Psychiatrie, weil ihm Gerichtsgutachter neben Gemeingefährlichkeit auch Wahnvorstellungen attestiert hatten. Diese bezogen sich vor allem darauf, dass Mollath der HypoVereinsbank (HVB) in einer umfangreichen Anzeige Schwarzgeldgeschäfte in der Schweiz vorgeworfen hatte, in die auch seine Frau verwickelt gewesen sein soll.

„Die Crème de la Crème der forensischen Psychiatrie“


Die Staatsanwaltschaft Nürnberg legte die Anzeige damals wegen der vermeintlichen Unglaubwürdigkeit Mollaths zu den Akten. Der aber ließ nicht locker, was man ihm als Fortdauer seines Wahns und seiner Gemeingefährlichkeit auslegte. Mollath blieb deshalb weggesperrt in der Psychiatrie.
Ein nun aufgetauchter interner Prüfbericht der HVB aus dem Jahr 2003 bestätigt seine Vorwürfe allerdings weitgehend. Es gab die Schwarzgeldgeschäfte, und einige der von Mollath seinerzeit genannten Tatbeteiligten finden sich auch in dem HVB-Papier wieder. Als Folge der umfassenden Medienberichterstattung zu dem Fall haben sich auch neue Zeugen gemeldet. Ein damaliger Schöffe wies auf Ungereimtheiten in dem Gerichtsverfahren gegen Mollath hin, und ein früherer Bekannter der Familie wartete mit dem Detail auf, dass Mollaths Frau ihm im Vorfeld des Prozesses erzählt habe, sie wisse schon, wie sie ihren Mann ausschalten könne – über die Psycho-Schiene nämlich.
Trotz dieser neuen Erkenntnisse ließ sich Justizministerin Merk nicht von ihrer Linie abbringen. Mollath sitze ausweislich der Gutachten zu seinem Geisteszustand, die von der „Crème de la Crème der forensischen Psychiatrie“ erstellt worden seien, zu Recht in der Psychiatrie. Mit Blick auf die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten könne und wolle sie auch nicht auf die Justizbehörden einwirken, sich mit dem Fall erneut zu befassen.
„Unverantwortliche Mauertaktik“ schallt es ihr dafür aus der Opposition entgegen. Zumal ein von den Freien Wählern bei dem Hamburger Strafrechtler Gerhard Strate in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Schluss kam, die Staatsanwaltschaft wäre wegen ausreichenden Anfangsverdachts dazu verpflichtet gewesen, die in Teilen sehr konkrete Anzeige Mollaths zu verfolgen. Dabei hätte sie auf den internen HVB-Bericht stoßen müssen.
Der Druck auf Merk stieg beinahe täglich. Erst drohte der Freie Wähler Florian Streibl mit einem Untersuchungsausschuss, dann stellten die Grünen einen – allerdings erfolglosen – Dringlichkeitsantrag auf Entlassung Merks. Die Ministerin sei „unbelehrbar“, mit ihrem Verhalten habe sie das Vertrauen in den Rechtsstaat „schwer beschädigt“, urteilte die Grüne Christine Stahl. Vor allem aber mischte sich Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ein, weil er spürte, der Fall Mollath könnte zur Belastung für seine Regierung werden. Die Justiz wäre „gut beraten, den Fall noch einmal zu bewerten“, sagte Seehofer. Dies war der nur wenig verklausulierte Wunsch nach einem Wiederaufnahmeverfahren, um dem leidigen Thema seine Brisanz zu nehmen.

Die einfache Erkenntnis

der Liberalen


Nun endlich reagierte auch Merk und veranlasste die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, den Fall noch einmal aufzurollen. Offiziell begründete sie ihr Eingreifen mit einem Bericht der Nürnberger Nachrichten am vergangenen Freitag, der eine Befangenheit des damals gegen Mollath urteilenden Richters nahelegte. Der hatte unter Verweis auf Mollaths Geisteszustand den Steuerbehörden geraten, die Schwarzgeldsache nicht weiter zu verfolgen.
Zum Zeitpunkt des Telefonats lagen die psychiatrischen Gutachten aber noch gar nicht vor. Somit seien „möglicherweise relevante, neue Tatsachen aufgetaucht“, teilte ein Sprecher Merks mit. In der Opposition wurde der Schritt mit spürbarer Genugtuung quittiert – auch wenn es dafür aus deren Sicht des Zeitungsberichts nicht mehr bedurft hätte. „Es ist höchste Zeit, dass in den Fall wieder Bewegung kommt“, erklärte SPD-Fraktionsvizin Inge Aures.
Der Weg in die Freiheit wird für Gustl Mollath dennoch lang werden. Denn selbst wenn es ein neues Verfahren geben und in diesem seine frühere Schwarzgeld-Anzeige als zutreffend bestätigt werden sollte, es bleiben die Vorwürfe der Gewaltanwendung gegen seine inzwischen geschiedene Frau und die Liste der ihm zur Last gelegten Sachbeschädigungen. Die müssen in einem neuen Prozess wieder bewertet werden. Auch wird es neue psychiatrische Gutachten geben, die selbst unter veränderten Vorzeichen nicht zwangsläufig anders ausfallen müssen als die alten.
Womöglich steht am Ende die einfache Erkenntnis des FDP-Rechtspolitikers Andreas Fischer: „Auch jemand, der an einer psychischen Störung leidet, kann durchaus zutreffende Strafanzeigen stellen.“ Darauf hätte die bayerische Justiz bis hinauf zur zuständigen Ministerin auch früher kommen können. (Jürgen Umlauft)

Kommentare (3)

  1. merkwürdig am 16.12.2012
    verfolge interessiert die Ausführungen in-und ausländischer Bürger. Mir fällt auf, das ich bis jetzt noch nie
    gelesen habe " im Zweifel für den Angeklagten".

    Ich wünsche Herrn Mollath ein frohes Weihnachtsfest in Freiheit.
  2. Aus einem anderen Licht betrachtet am 14.12.2012
    Ich denke der Fall sollte etwas differenzierter betrachtet werden. Herr Mollath wird als Unschuldsengel dargestellt. Das meine ich kann man so nicht stehen lassen. SPON auch nicht:

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/fall-gustl-mollath-zweifel-an-opferrolle-a-872632.html
  3. Ein Bürger am 12.12.2012
    Der Fall Merk/Mollath läßt erkennen, daß hier absichtlich ein Bürger weggesperrt wurde. Um Schaden für eine Bank zu vermeiden. Evtl. läßt sich mit Prüfung der Finanzen der Beteiligungen ein Grund hierfür erkennen. Vielleicht läßt uns auch die nächste "Steuersünder CD" aus der Schweiz hierüber aufhorchen.
    Erstaunlicherweise werden Kinderschänder und Vergewaltiger nicht so schnell weggesperrt, bzw. werden mit Fußfesseln wieder auf die Bürger losgelassen. Aber eine Maulfessel gibt es halt nicht und deshalb wurde Herr Mollath einfach weggesperrt. Aber hier handelt es sich ja auch um schwerere Vergehen - um den Angriff auf eine Bank!!! Wie können Sie dies mit Ihrem Gewissen gegenüber Herrn Mollath vereinbaren Frau Merk, wie feiern sie hiermit Weihnachten?
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