Politik

Kaiserschmarrn, Apfelmus und Zucker – natürlich darf Süßes auch mal sein. Doch in den meisten Kitas gibt es zu wenig Obst und Gemüse. (Foto: dpa)

25.07.2014

Zu viel Fleisch, zu wenig Gemüse

Ein Blick auf die Speisepläne bayerischer Kitas zeigt: Die Ernährung der Zwergerl ist alles andere als vorbildlich – was auch daran liegt, dass gesetzliche Vorgaben fehlen

Im Freistaat werden rund 300 000 Kinder in Kitas verpflegt. Doch eine aktuelle Studie zeigt: Oft stimmen Zusammensetzung und Qualität des Kita-Essens nicht. Ein Hauptproblem: Den Trägern bleibt weitgehend selbst überlassen, was auf den Tisch kommt. Und denen fehlt oftmals das Geld für mehr Qualität. Immerhin: Ab Herbst wird kostenlos Obst verteilt. Fleisch in Bioqualität, Fisch aus ökologischer Aquakultur, Eier aus Freilandhaltung. Seit Anfang des Jahres geht es in städtischen Münchner Kitas besonders gesund zu. Mehr Regionalität und mehr Bio lautet das Konzept für die gut 300 Einrichtungen, in denen täglich mehr als 20 000 Kinder verpflegt werden. Mindestens 50 Prozent muss der Anteil von Bio-Produkten betragen, alle Lebensmittel müssen nachhaltig, ohne Gentechnik und in artgerechter Tierhaltung erzeugt worden sein. „Wir richten uns in der Zusammensetzung des Speiseplans nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung“, sagt Christina Berr vom Referat für Bildung und Sport. „Aber insgesamt geht unser Konzept weit über diese Empfehlungen hinaus, gerade, was die Qualität der Produkte angeht.“

In 20 Prozent der Kitas in Bayern wird selbst gekocht

In vielen anderen Krippen, Kindergärten und Horten in Bayern und Deutschland sieht der Alltag am Esstisch jedoch anders aus. In zwei Drittel der Einrichtungen entspricht die Verpflegung der Kinder nicht den geforderten Standards, so eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung. 1100 Kindertagesstätten befragte die Stiftung, nur 30 Prozent gaben an, sich in Sachen Ernährung nach anerkannten Standards wie denen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu richten. Die Auswertung der Speisepläne gemessen an den DGE-Empfehlungen zeigt: Nur in zwölf Prozent der Kitas bekommen die Kinder genügend Obst, lediglich in 19 Prozent ausreichend Salat und Rohkost. Fisch kommt ebenfalls zu selten auf den Tisch – hier erfüllen nur 30 Prozent der Einrichtungen den DGE-Standard. Nicht gespart wird dagegen beim Fleisch: 75 Prozent der Kitas bieten Rind, Schwein und Co. zu häufig an. Aber im Schnitt zahlen Eltern auch nur 2,40 Euro für ein Mittagessen – ein Grund, warum in teureren Privateinrichtungen das Essen mitunter besser und gesünder ist.
„Das Ergebnis der Studie ist verheerend“, schimpft Christine Kamm, Landtagsabgeordnete der Grünen. „Es müssen endlich die Voraussetzungen geschaffen werden, um unseren Kindern eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu gewährleisten“, sagt auch die SPD-Abgeordnete Doris Rauscher. Auf Antrag der SPD soll es künftig in bayerischen Kindertagesstätten wenigstens eine kostenlose Verteilung von Obst geben. 80 Prozent der bayerischen Grundschulen nehmen bereits an einem entsprechenden Schulfruchtprogramm teil, das zu 75 Prozent von der EU gefördert wird. Ab Herbst soll das Gratis-Obst nun auch in Kitas geben, flächendeckend allerdings erst ab 2017. Ein grundlegendes Problem aber bleibt: Bei der finanziellen Ausstattung werde das Thema Ernährung außen vor gelassen, kritisiert  die Bertelsmann Stiftung.  „Wir brauchen bundesweit verbindliche Qualitätsstandards für die Kita-Verpflegung“, fordert deshalb Jörg Dräger, Vorstand der Stiftung.
In Bayern werden in 8749 Kitas knapp 493 000 Kinder betreut, davon werden 300 000 Kinder auch verpflegt. Zubereitet wird das Essen nur in 20 Prozent der bayerischen Einrichtungen selbst, heißt es beim bayerischen Ministerium für Ernährung. 32 Prozent werden von Catering-Unternehmen beliefert, zwölf Prozent erhalten ihr Essen von Seniorenheimküchen, zehn Prozent von Gaststättenküchen. Über die Art und Weise der „Nahrungsbeschaffung“ entscheiden die Träger selbst, gesetzlich haben sie hier alle Freiräume. Im Bayerischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetz (BayKiBig) heißt es, dass Kindern vermittelt werden solle, „auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung (…) zu achten“. Mehr gibt es zum Thema Ernährung nicht. Nur wenig ausführlicher ist der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan, der für alle öffentlich geförderten Einrichtungen verbindlich ist. Dort steht, die Kinder sollen Essen als Genuss erleben. Und weiter: „Sie sollen gesunde Ernährung theoretisch wie praktisch erfahren und den Zusammenhang zwischen ausgewogener Ernährung und körperlichem Wohlbefinden kennen und verstehen lernen.“
„Im Grunde ist das alles viel zu weich und schwammig formuliert“, kritisiert Rauscher, die bis vor einem Jahr noch für den Paritätischen Wohlfahrtsverband 28 Kitas betreut hat. „Hier braucht es konkrete und damit auch verbindliche Angaben zu den Qualitätsstandards, die erfüllt werden müssen.“ Wichtiger aber sei, sagt Rauscher, die Kitas respektive die Träger finanziell viel besser auszustatten. Sie wünscht sich für jede Kita eine hauswirtschaftliche Kraft, die dafür sorgt, dass die Verpflegung der Kinder wirklich ausgewogen und gesund ist.

Kein staatliches Geld für bessere Kinderverpflegung

Die Staatsregierung will nun pro Jahr den Kitas zusätzlich 63 Millionen Euro zukommen lassen. Statt die Eltern wie angekündigt bei den Kosten für das zweite Kindergartenjahr zu entlasten, soll das Geld direkt in dieEinrichtungen fließen – für eine bessere Qualität. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt SPD-Frau Rauscher. Aber das reiche bei Weitem nicht. Denn in den Kitas werden die Millionen vor allem gebraucht, um mehr Betreuungspersonal einzustellen. Der angestrebte Mindestanstellungsschlüssel wird laut Kommunen, Wohlfahrtsverbänden und anderen Trägern jedoch trotz des Zuschusses nicht erreicht. Ihre Kritik: Kitas seien immer noch völlig unterfinanziert. „Und das Essen muss über die Elternbeiträge finanziert werden“, sagt die Grüne Kamm. „Wir brauchen bezüglich der Kinderverpflegung nicht nur rechtsverbindliche Vorgaben, sondern auch eine staatliche Beteiligung an der Finanzierung.“
Die CSU-Abgeordnete Angelika Schorer verweist da lieber auf das Coaching-Projekt Kitaverpflegung, das 2010 vom Ministerium für Ernährung eingeführt wurde. Im Rahmen dieses Programms werden Erzieherinnen, Träger und Zulieferer in Sachen kindgerechter und vollwertiger Ernährung geschult. „Für die Kitas werden individuelle Lösungen erarbeitet, wie sich die Qualität der Verpflegung optimieren lässt“, sagt Schorer. „Dieses Wissen steht jeder Kita zur Verfügung. Kostenlos.“ Generell befürworte sie zwar, dass Einrichtungen finanziell noch besser gestellt würden. „Doch wir haben durch diese Maßnahmen die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass in jeder Kita tatsächlich gesundes Essen angeboten werden kann.“
108 Einrichtungen im Freisstaat haben bisher am Coaching-Projekt teilgenommen, 40 weitere können sich aktuell für das kommende Jahr bewerben. Und Schorer verspricht: „Sollte sich nun herausstellen, dass wir sehr viel mehr Bewerbungen als Plätze haben, werde ich mich dafür einsetzen, das Projekt auszuweiten.“ (Beatrice Oßberger)

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