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Neues Schriftgut von Jean Paul in der Landesbibliothek Coburg. (Foto: Landesbibliothek Coburg)

01.03.2024

Ärger über die „Piss-Steuer“

Neue Briefe in der Landesbibliothek Coburg und Jean Pauls Aufenthalt in der Vestestadt

Nicht einmal ein ganzes Jahr lebte Jean Paul in Coburg: Im Juni 1803 kam er, im August 1804 verschwand er samt Frau und Kindern wieder. War es der Ärger über die „Piss-Steuer“, sein nach dem dortigen „Defäkier-Gesetz“ geahndetes Vergehen, das ihm den Aufenthalt vermieste in der Stadt und einer Gegend, von der er einst noch schwärmte, sie sei „aus 4 oder 5 Eden zusammenbauet“? Was hatte der Dichter angestellt?

Jean Paul (1763 bis 1825) war am Neujahrsabend 1804 bei seinem neuen Freund Johann Andreas Ortloff (1769 bis 1828), mit dem er beim Philosophieren wohl so manche Halbe trank. Auf dem Heimweg drückte die Blase – er bieselte gegen eine Mauer vor einem Haus. Zwei Frauen beobachteten ihn und zeigten ihn an. Ein Reichstaler war die Strafe, die Jean Paul aber nicht auf sich sitzen ließ: Er legte sich gar mit Ministern deswegen an, wie eine Zeitung berichtete. Vor dem „urinösen Prozes“, wie er in einem Brief wetterte, und der Strafe konnte ihn auch Ortloff nicht retten, der seit 1803 als Polizeidirektor in der Stadt waltete.

Selbst nach Jean Pauls Wegzug aus Coburg tauschte er sich mit Ortloff noch schriftlich aus. 2023 tauchten fünf bis dahin unbekannte Briefe aus dem Schriftwechsel der beiden auf – eine private Schenkung an die Landesbibliothek Coburg: vier Briefe Jean Pauls aus den Jahren 1804 bis 1817 (davon einer undatiert) an den Coburger Polizeidirektor sowie ein Brief in umgekehrter Richtung aus dem Jahr 1804. Die Briefe spiegeln wider, dass beide ähnliche Interessen in Literatur und Philosophie verbanden, dass man bei Treffen über Neuerscheinungen ebenso wie über die politischen Verhältnisse vor Ort diskutierte. Ortloff, der erst Schuhmacher war, bevor er Jura und Philosophie studierte und es sogar zum außerordentlichen Professor der Philosophie in Erlangen schaffte, war Verfasser von philosophischen Schriften sowie von Abhandlungen zum Handwerker- und Innungsrecht. Auch setzte er sich für die praktischen Belange der Handwerker ein: beispielsweise für die Befreiung vom Zunftzwang und von der Wanderpflicht.

Jean Paul arbeitete in Coburg unter anderem an den Werken Flegeljahre und Vorschule der Ästhetik. Seit seinen Schriften Die unsichtbare Loge (1793) und Hesperus (1795) war er ein berühmter und viel gelesener Schriftsteller. Die Sammlung der fünf neuen Autografen ergänzt drei in den Kunstsammlungen der Veste Coburg vorhandene Briefe Jean Pauls. Zusammen mit den an der Landesbibliothek Coburg in hoher Zahl vorhandenen frühen Drucken geben sie Aufschluss über den Aufenthalt des Schriftstellers in Coburg. (Ubay/dü)

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