Unser Bayern

Die Engländerin Maria Ward ließ sich auch vom Papst-Veto nicht davon abbringen, ihre Idee von flächendenkenden Schulen für katholische Mädchen in die Tat umzusetzen. (Foto: Congregatio Jesu Augsburg)

28.10.2016

Keine Klausur für Nonnen

Mary Ward und die Englischen Fräulein: Im Vatikan scheiterte sie, doch Bayerns Kurfürst empfing sie mit offenen Armen

Auf ihrer Reise von Rom nach Flandern im Jahr 1627 machte Mary Ward auch in München Station – und eine ganz neue Erfahrung: Sie wurde vom bayerischen Kurfürsten Maximilian I. mit offenen Armen empfangen und konnte mit seiner großzügigen Unterstützung zum ersten Mal ohne finanzielle Sorgen eine Niederlassung gründen. In Rom noch hatte sie eine Niederlage einstecken müssen. Auf päpstliche Weisung waren die italienischen Niederlassungen der Englischen Fräulein geschlossen worden. Daraufhin machte sich Mary Ward auf den Weg zurück nach Saint-Omer in Flandern – an den Ort, an dem alles begonnen hatte. Ursprünglich stammte Mary Ward aus der nordenglischen Grafschaft Yorkshire. Sie wurde 1585 als Tochter eines katholischen Landadeligen geboren. Ihre Kindheit und Jugend waren überschattet von den Repressalien der Katholikenverfolgung, ihre eigene Familie war direkt betroffen und musste ihren Glauben geheim halten. Ihr Vater und ihre Großmutter nahmen für ihre religiöse Überzeugung sogar Kerkerhaft in Kauf. Als junge Frau entschloss sich Mary Ward, selbst einem Orden beizutreten. In England war das unmöglich, also verließ sie 1606 ihre Heimat und trat in das Klarissenkloster Saint-Omer ein. Dem strapaziösen Leben einer Laienschwester war sie jedoch nicht gewachsen – bald verließt sie wieder das Kloster. Nach einem weiteren gescheiterten Versuch, in einem Klarissenkloster zu leben, das sie aus ihrem eigenen Vermögen ausschließlich für Engländerinnen gegründet hatte, kehrte sie nach England zurück. Dort überzeugte sie eine Gruppe gleichgesinnter junger Frauen davon, sich ihr anzuschließen und in Flandern einen Frauenorden zu gründen. Dessen Aufgabe sollte es sein, katholische Mädchen zu unterrichten und zu einem gottgefälligen Leben zu erziehen. 1610 wurde diese Gemeinschaft in Saint-Omer nach dem Vorbild der Jesuiten gegründet. Mary Ward übernahm die Regeln dieses Männerordens, den Ignatius von Loyola 1534 ins Leben gerufen hatte. Sie forderte Freiheit von der Klausur und Befreiung von der Jurisdiktion der Bischöfe auch für Frauen. Ihr Orden sollte von einer Generaloberin geleitet werden und nur dem Papst unterstehen.
Mary Wards Vorhaben, Mädchen zu unterrichten und im katholischen Glauben zu erziehen, war nicht singulär. Bereits im 16. Jahrhundert hatten sich Frauenorden wie die Ursulinen oder die Ka-tharinerinnen die Erziehung junger Frauen auf die Fahnen geschrieben und bauten nach dem Vorbild der Jesuiten, die ausschließlich Knaben unterrichteten, Erziehungsanstalten für Mädchen auf, um ihnen Lesen, Schreiben, Handarbeiten und Fertigkeiten für den Haushalt beizubringen. Was Mary Wards Vorstellungen jedoch einmalig machte, war ihr beharrliches Festhalten an der Klausurfreiheit – die Ursulinen und die Katharinenschwestern hatten sich letztendlich doch der Klausur unterworfen. Um sich die Ordensregeln der Jesuiten bestätigen zu lassen, brach Mary Ward im Oktober 1621 nach Rom auf, wo sie im Dezember desselben Jahres eintraf. Die Approbation ihrer Regel und die Anerkennung ihrer Gemeinschaft als Orden konnte sie trotz aller Bemühungen nicht erreichen, die Vorbehalte des Klerus waren zu groß. Dennoch hatte sie während ihres Aufenthaltes in Italien in Rom, Neapel und Perugia Schulen gegründet, die auch Mädchen aus weniger begüterten Verhältnissen eine Ausbildung ermöglichen sollten. Die kirchlichen Würdenträgen waren aber nicht zu überzeugen – Papst Urban VIII. ließ 1625 die Einrichtungen in Italien aufheben. Mary Ward kehrte in den Norden zurück. Ihr Ziel war Flandern, von wo aus sie in den Jahren nach 1610 einige Niederlassungen gegründet hatte: 1616 in Lüttich, 1621 in Köln und Trier. Im Januar 1627 traf sie in München ein. Zwar stand sie dem bayerischen Kurfürsten und dessen Gemahlin erstmals persönlich gegenüber, dem Herrscherpaar waren ihre Intention und ihre Niederlassungen jedoch nicht unbekannt. Maximilians Vater Herzog Wilhelm V., der die Jesuiten nach Bayern geholt hatte, und sein Bruder Ferdinand, Erzbischof von Köln und Bischof von Lüttich, förderten die Englischen Fräulein. Kurfürst Maximilian überließ Maria Ward in München das sogenannte Paradeiserhaus an der Ecke Weinstraße und Gruftgasse, einer heute nicht mehr vorhandenen Straße, die das früher bebaute Gelände des Marienhofs in Nord-Südrichtung teilte. Die Überlassung galt auf Widerruf als Unterkunft und Lehrstätte; Maria Ward und ihrer Gemeinschaft wurde zudem eine jährliche Zuwendung von 2000 Gulden in Aussicht gestellt. Bereits im Frühjahr nahmen die Englischen Fräulein mit kurfürstlicher Genehmigung den Lehrbetrieb auf. Von München aus reiste Mary Ward dann nach Wien und Pressburg und gründete weitere Niederlassungen. Marys Konzept eines Frauenordens ohne Klausur, der sich in der Mädchenbildung und -erziehung engagierte, schien aufzugehen. Offenbar hatte sie einen Nerv der Zeit getroffen. Martin Luther hatte bereits 100 Jahre früher, 1524, eine Lanze für die Errichtung christlicher Schulen nicht nur für Jungen, sondern auch für Mädchen gebrochen. Seine Forderung nach Einführung der Schulpflicht fand vor allem in den protestantischen Landesteilen Gehör, dort erhielten Mädchen schon seit längerem eine am reformierten Glauben orientierte Schulbildung. Kurfürst Maximilian, ein maßgeblicher Führer der katholischen Partei, nahm die Chance wahr, auch in seinem Einflussbereich Mädchen und junge Frauen im Sinne der katholischen Kirche zu erziehen. Sowohl er als auch sein Verbündeter, Kaiser Ferdinand II. sahen in der unerschrockenen Mary Ward und ihren tatkräftigen Gefährtinnen Streiterinnen für den katholischen Glauben. Doch wenige Jahre später, 1631, traf die Niederlassungen der Englischen Fräulein nördlich der Alpen ein schwerer Schlag: Papst Urban VIII. hob das Institut mit der Bulle „Pastoralis Romani Pontificis“ auf. Lediglich die Unterrichts- und Erziehungstätigkeit war von dem Verbot nicht betroffen. Mary Ward wurde als Häretikerin angeklagt und von Anfang Februar bis Mitte April 1631 bei den Klarissen im Münchner Angerkloster gefangen gehalten. Im Oktober folgte sie der päpstlichen Aufforderung, nach Rom zu kommen, wo sie sich bis 1637 unter Aufsicht der päpstlichen Inquisition aufhielt. Schließlich konnte sie ... (Elisabeth Weinberger)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Oktoberausgabe von UNSER BAYERN. (BSZ Nr. 43 vom 28. Oktober 2016)

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