Unser Bayern

In Philipp Apians „Bayerischen Landtafeln“ von 1568 sind allerorts im Herzogtum Bayern Weinberge bezeugt. So auch bei Kelheim. (Foto: LDBV)

22.09.2016

Reben weichen Hopfenstangen

Was sich aus alten Karten Bayerns über den Siegeszug des Biers und seine Lagerung ablesen lässt

Bier und Bayern – das gehört zusammen. Doch war das immer so? Johannes Turmair, genannt Aventinus, schrieb in der von ihm in den Jahren 1526 bis 1533 verfassten Bayerischen Chronik: „Der gemaine Mann sitzt Tag und Nacht bei dem Weine, schreit, singt, tanzt, spielt..“ – als Wirtssohn musste er es wissen. Die Rebenkulturen beschränkten sich damals im Herzogtum Bayern – Franken war geografisch und zeitlich noch weit entfernt, um bayerisch zu werden – auf sonnige Lagen an Flüssen. Auch in den „Bayerischen Landtafeln“ des Philipp Apian von 1568 sind allerorts im Herzogtum Weinberge bezeugt. Bayern war also zu Beginn der Neuzeit ein Weinland. Das Bier aber schmeckte nicht so gut und war vor allem nicht lange haltbar. Es war wohl in erster Linie der Trunk der ärmeren Leute.

Gefährlicher Transport

Der im Land erzeugte Wein deckte bei weitem nicht den Eigenbedarf. Abhilfe schaffte der Bezug des edlen Rebensaftes aus Niederösterreich und der Wachau – namhafte bayerische Klöster hatten dort bis nach Krems Besitzungen; die Weinfässer wurden auf der Donau transportiert. Schwieriger war der Transport der Erträge aus den ausgedehnten Kirchen- und Klostereigenen Weinbergen in Südtirol: Das Rottwesen über Brenner und Reschen war kostspielig und durchaus mit Gefahren und Verlust der Güter verbunden. Ab etwa 1400 begann das Klima instabil zu werden. Kalt- und Warmzeiten wechselten sich ab, tendenziell sanken jedoch die Temperaturen. Ab etwa 1570 und gravierend im 17. Jahrhundert machten langanhaltende Nachtfröste und verregnete Sommer den Reben in Bayern den Garaus. Man war auf Importwein angewiesen, der wegen der starken Nachfrage allerdings immer teurer wurde. So rückte das einheimische Bier wieder in den Fokus – und das für alle Bevölkerungsschichten.

Bier aus den hohen Norden

Es gab zwar bereits das aus dem Jahr 1516 verordnete „Reinheitsgebot“ der Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X., aber die Bierqualität und die Halbarkeit ließen noch immer zu wünschen übrig. Obendrein war der Bedarf nicht zu decken. Man entschloss sich, den Gerstensaft aus dem Hohen Norden zu importieren. Heute undenkbar, dass Bier aus „preußischen Landen“ auf dem Oktoberfest ausgeschenkt wird. Die Herzöge wollten jedoch nicht auf einen wohlschmeckenden Trunk verzichten. Begehrt war das Bier aus der Hansestadt Einbeck. Um den langwierigen Transport zu überstehen, wurde das Bier es besonders stark eingesotten und wies damit einen hohen Alkoholgehalt auf. Bald nannte man es nur noch „Ainpöckisches“ Bier und verballhornte es über Ainbockbier zu dem heute noch geläufigen Bockbier. Die Einbecker ließen sich allerdings ihr Erzeugnis teuer bezahlen und der weite Transport tat ein Übriges, um den Biergenuss zu trüben. Bereits im Jahr 1573 ließ deshalb der herzogliche Hof in Landshut ein Hofbräuhaus errichten, das 1589 in die Haupt- und Residenzstadt München verlegt wurde. Es entstanden im Stadtviertel Graggenau im Laufe der Jahre ein Braunbräuhaus, ein Weissbräuhaus – das 1607 vom Alten Hof an das Platzl verlegt wurde, ein Dörrhaus und eine Malzmühle. Mit dem Umzug des Weissbräuhauses an das Platzl entstand das spätere Hofbräuhaus. Die Energie für Maschinen und Mahlwerke lieferten der Pfister- und der Malzmühlbach. Für die Erzeugung von Bier bot das Herzogtum Bayern sowohl klimatisch, als auch von der Bodenbeschaffenheit her optimale Voraussetzungen. Wasser stand in den Mittelgebirgen und vor allem in den eiszeitlichen Schotterfluren des Oberlandes reichlich und in bester Qualität zur Verfügung. Braugerste gedieh im ganzen Land und konnte sogar in großen Mengen exportiert werden. Beim Anbau von Hopfen konnten sich zunächst nur der Nürnberger Raum und die Gegend um Spalt als Anbauzentrum behaupten. Der Anbau außerhalb dieser Gebiete blieb kleinflächig und verteilte sich über das ganze Herzogtum.

Weinanbau verwahrloste

Dann kam der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648). Die norddeutsche Dominanz des Bierbrauens ging unter. An ein funktionierendes Transportwesen war in diesen Zeiten ohnehin nicht zu denken. Herumziehende Söldnerhaufen und marodierendes Heervolk machten die Straßen für den Warenverkehr unsicher und gefährlich. In Bayern waren die Weinfelder vernachlässigt oder gänzlich zerstört worden. Die nun zu Kurfürsten aufgestiegenen Herrscher des Landes forcierten den Anbau von Gerste und Hopfen und setzten auf die Erzeugung von Bier. Damit begann der Siegeszug des bayerischen Biers. In den ersten Katasterblättern des bayerischen Grundsteuerkatasters aus dem 19. Jahrhundert ist der Wandel vom Wein- zum Bierland noch deutlich nachvollziehbar. Vielerorts finden sich Hinweise auf ehemalige Weinberge, die nun von Äckern, Hopfen- und Obstanpflanzungen oder gar von Wäldern bestanden sind.

Problematische Lagerung

Ein drängendes Problem für die Brauereien blieb die Lagerfähigkeit. Für den Gärvorgang im Bier ist ein bestimmter Pilz erforderlich. Andere Pilzarten vermehrten sich bei erhöhten Temperaturen und machten das Bier sauer bis ungenießbar. Laut Verordnung von 1553 durfte deshalb nur vom Michaelistag (29. September) bis zum Georgitag (23. April) gebraut werden. Um das Bier auch in den Sommermonaten haltbar zu machen, legte man schließlich Felsen- oder Sommerkeller an. Darin konnte über die warme Jahreszeit hinweg die Temperatur konstant unter die geforderten 8 Grad Celsius gehalten werden. In dem Lehrbuch Die bayerische Bierbrauerei wie solche in den vorzüglichsten Brauereien in Bay­ern dermalen betrieben wird von dem „Oekonomie- und Brauverwalter“ Friedrich Meyer aus dem Jahr 1839 liest man unter anderem: „Die besten Sommerbierkeller sind bekanntlich diejenigen, welche in trockne Felsen gehauen sind…, die schlechtesten sind jene, welche in Kies- oder Sandbergen angebracht sind. Die Keller sollen eigentlich so kalt seyn, daß zur Zeit der größten Sommerhitze noch gefrorener Schaum auf den Fässern liegt. Ein Sommerkeller ist jedoch immer noch recht gut zu nennen, wenn er… nicht über 5 Grad auf dem Reaumurschen Thermometer zeigt,…bei 10 bis 12 Grad ist das Bier verloren“.

Keller in Karten

Eine Besonderheit waren sogenannte Eisgalgen. Das waren im Spätherbst aufgebaute Holzgerüste, die bei entsprechenden Minustemperaturen mit Wasser berieselt wurden. War die Eisbildung groß genug, wurden die Eiszapfen abgeschlagen und in die Keller eingelagert. Diese solchermaßen angelegten Felsen-, Sommer-, oder Eiskeller haben sich in den historischen Katasterkarten in großer Zahl bewahrt. Mit der Erfindung der Kühlmaschine von Carl von Linde im Jahr 1876 war es möglich, Bier ganzjährig herzustellen. Damit waren die historischen Keller dem Verfall preisgegeben oder wurden für andere Zwecke verwendet. Heute werden einige wieder von Brauereien genutzt und können bei einer Besichtigungstour bestaunt werden. Die meist nahegelegenen Ausflugsgaststätten erfreuen sich in den Sommermonaten großer Beliebtheit und wer einmal unter einem schattigen Baum sitzt und schwitzt, sollte sich die Gelegenheit eines Besuches dieser kühlen Zeitzeugen aus vergangenen Jahrhunderten nicht entgehen lassen.
Übrigens, die schattenspendenden Kastanienbäume, die uns den Biergartenbesuch in der sommerlichen Hitze so angenehm machen, wurden ursprünglich für die Kühlung der Keller gepflanzt. (Wolfgang Blum)

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